Industriestadt im Kinofieber

Industriestadt im Kinofieber

Das Kinder- und Jugendfilmfestival Zlín wartet mit einem vielseitigen Programm und zahlreichen internationalen Stargästen auf

20. 5. 2015 - Text: Sophie KohoutekText: Sophie Kohoutek; Foto: Berlinale

Zlín begrüßt dieses Jahr einen besonders prominenten Gast. Die deutsche Hollywood-Legende Jürgen Prochnow, der mit seiner Rolle als Kapitänleutnant in Wolfgang Petersens Klassiker „Das Boot“ weltberühmt wurde, erhält in der Baťa-Stadt die Auszeichnung für sein Lebenswerk. Der Auftritt des 73-Jährigen bildet einen der Höhepunkte des Internationalen Kinder- und Jugendfilmfestivals, das bei seiner 55. Auflage den Fokus speziell auf Produktionen aus Deutschland legt. Ab dem 29. Mai laufen während einer Woche insgesamt 175 Festivalbeiträge. Unterteilt wurden sie in die fünf Wettbewerbskategorien „Kinderfilme“, „Animierte Kurzfilme“, „Studenten-Filme“, „Europäische Debüts“ und „Jugendfilme“. Neben Prochnow erwartet Zlín auch zahlreiche weitere Berühmtheiten des deutschsprachigen Filmgeschäfts – unter anderem Kommissar-Rex-Darsteller Godeon Burkhard oder den österreichischen Schauspieler und Regisseur Karl Markovics.

Die Liebe zum Film entstand in der Industriemetropole bereits in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als der Schuhfabrikant Tomáš Baťa für seine Angestellten einen Kino­saal einrichten ließ. Am Wochenende, nach Dienstschluss oder in den Arbeitspausen konnten die neusten Filme angesehen werden. Kurz darauf wurde das damals größte Kino Europas mit 2.500 Sitzplätzen errichtet. Und seit 1961 tagt das Internationale Kinder- und Jugendfilmfestival in der Kleinstadt. Zuletzt besuchten vor Jahresfrist rund 107.000 kleine und große Cineasten den größten Event seiner Art in der Tschechischen Republik.

In der Sparte Kinderfilm läuft unter anderem die deutsche Produktion „Winnetous Sohn“ des Dortmunder Regisseurs André Erkau. Der 46-Jährige überzeugt nach seinen Komödien „Arschkalt“ und „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ auch im Kinderfilm-Segment. In der Kategorie Jugendfilme ragt der afghanische Film „Mina Walking“ von Yosef Baraki heraus. Die gesamte Produktion inklusive Drehbuch, Kamera und Schnitt übernahm der erst 25-Jährige selbst, die Schauspieler waren ausnahmslos Laien­darsteller.

Außerhalb der Festival-Konkurrenz werden zahlreiche Kinder- und Jugendfilme der älteren und jüngeren Kinogeschichte gezeigt, die sich durch ihren besonderen Mehrwert für das junge Publikum auszeichnen. Darunter fallen auch Beiträge der Kategorie „Nächtliche Horizonte“ („Noční horizonty“), die sich mit Themen wie der Suche nach der sexuellen Orientierung oder Drogenmissbrauch beschäftigt. In der Sektion „Young Stars“ werden vielversprechende Nachwuchstalente vorgestellt, die man vor Ort persönlich treffen kann. Ein weiterer Fokus liegt auf der Präsentation tschechischer Filme, die weltweit auf Kinder- und Jugendfilmfestivals vertreten waren.

Der besondere Blick auf das cineastische Schaffen in Europa richtet sich wie oben erwähnt auf den deutschen Film. Rund 50 Werke aus der Bundesrepublik sind in den Kategorien „Kinderfilm“, „Jugendfilm“, „German Choice“, „Neuheiten für Kinder- und Jugendliche“ sowie „Berlin – Stadt voller Geschichten“ vertreten. Deutsche Klassiker wie „Das Kabinett des Doktor Caligari“ aus dem Jahr 1920 oder das Oscar-prämierte Drama „Das Leben der Anderen“ (2006) spiegeln das breite inhaltliche Spektrum des Festivals wider. Als weiterer deutscher Stargast wird Regisseur Marco Kreuzpaintner nach Zlín reisen. Im Gepäck führt der 38-jährige Bayer seine Jugend-Komödie „Sommersturm“ mit. Unter den Programmpunkt „1001 Nacht“ fallen dieses Jahr Verfilmungen von Grimm-Märchen. So ist auch der pompös und in typischer Hollywood-Manier aufgepeppte Schneewittchen-Stoff in Rupert Sanders „Snow White and the Huntsman“ (2012) auf der Leinwand zu sehen.

Über den klassischen Wettbewerb hinaus werden auch Preise an bedeutende Persönlichkeiten des Kinderfilm-Genres überreicht. Dieses Jahr lauten die Preisträger Uschi Reich und Gert Müntefering, die sich als Produzenten von „Emil und die Detektive“ beziehungsweise von Kult-Serien aus den siebziger und achtziger Jahren wie „Pan Tau“ oder „Die Märchenbraut“ einen Namen machten.

Neben der Fülle an hochklassigen Filmen kümmert sich das Festival mittels eines umfangreichen Rahmenprogramms intensiv um seine jüngsten Gäste. So bieten Workshops, Ausstellungen, Theatervorstellungen und Konzerte viel Abwechslung und machen einen Ausflug nach Zlín zu einem lohnenswerten Ereignis für die ganze Familie.

55. Internationales Kinder- und Jugendfilmfestival. 29. Mai bis 4. Juni in Zlín, weitere Informationen zu Eintrittskarten und Programm unter www.zlinfest.cz