Höhenflug beendet

Höhenflug beendet

Nach zwei Titelgewinnen muss sich Tschechiens Davis-Cup-Team im Halbfinale den Franzosen geschlagen geben

18. 9. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: ČTK/Christophe Ena

Sie kämpften und gaben alles, vor allem Routinier Radek Štěpánek machte seinem Löwen auf dem National-Trikot alle Ehre. Doch was am Ende blieb war Ernüchterung. Am Samstagnachmittag unterlag das tschechische Tennis-Doppel mit Tomáš Berdych (ATP 6) und Štěpánek (ATP 38) den beiden Franzosen Richard Gasquet (ATP 21) und Jo-Wilfried Tsonga (ATP 11) mit 7:6 (4), 4:6, 6:7 (5) und 1:6. Damit war das Halbfinal-Aus des tschechischen Davis-Cup-Titelverteidigers besiegelt. Nachdem es die elf bisherigen Davis-Cup-Doppel allesamt gewonnen hatte, erlebte das Team von Kapitän Jaroslav Navrátil in Paris das abrupte Ende einer erstaunlichen Erfolgsserie.

Nachdem Berdych und Lukáš Rosol (ATP 27) bereits am Freitag ihre Einzel verloren hatten, lag die Mannschaft nach der Doppel-Niederlage hoffnungslos mit 0:3 zurück. Die beiden Einzelpartien vom Sonntag wurden zur unbedeutenden Pflichtaufgabe. Immerhin erzielte Ersatzmann Jiří Veselý (ATP 77) mit einem 6:3- und 6:4-Erfolg gegen Julien Benneteau (ATP 29) den Ehrenpunkt. Danach entschied Gaël Monfils (ATP 18) gegen Rosol mit 5:7, 6:4 und 7:5 die letzte Partie für den starken Gastgeber, der im November, wieder vor heimischem Publikum, zum Finale antreten darf. Dort trifft die Grande Nation auf den Titelfavoriten Schweiz mit den Weltranglistennummern drei und vier Roger Federer und Stanislaw Wawrinka.

Schmerzhaft war der Samstag auf tschechischer Seite nicht nur in psychologischer Hinsicht. Radek Štěpánek ist zwar „Mr. Davis Cup“ schlechthin und ordnet diesem Wettbewerb fast alles unter, am Samstag plagte ihn während des Doppels allerdings eine sichtlich schmerzhafte Rückenblockade. In den Tagen zuvor wurde bereits von einer Fußverletzung des 36-jährigen Mähren gesprochen. Wie schwer diese war und ob sie zu den Rückenproblemen führte, bleibt Spekulation.

Entfesselte Gastgeber
Letzten Endes ist die Diskussion aber überflüssig, ob man mit einem fitten Štěpánek größere Chancen auf die dritte Finalteilnahme infolge gehabt hätte oder nicht. Zu heftig wirbelte der französische Sturm über die Köpfe der tschechischen Profis. Die Atmosphäre auf dem Court Central in der Pariser Grand-Slam-Anlage von Roland Garros war elektrisierend. Im Eröffnungsspiel am Freitag fegte ein völlig entfesselter Richard Gasquet den um 15 Plätze besser platzierten Berdych mit 6:3, 6:2 und 6:3 regelrecht vom Platz. Rosol absolvierte in der Begegnung danach gegen Tsonga sogar noch ein Spiel weniger (6:2, 6:2 und 6:3).

Die Resultate sprechen eine deutliche Sprache. Dass sich die Franzosen auf Sand wohler fühlen als Navrátils Männer, wusste man. Doch kaum jemand hatte  Tsonga und Co. auf einem so hohen Niveau erwartet. Das tschechische Team trug die Erinnerung an die Sandschlacht in Buenos Aires von vor zwei Jahren wie ein Mantra vor sich her. Man betonte immer wieder, dass man damals gegen die Argentinier auch als Außenseiter anreiste und dann die Sensation schaffte. An ein Wunder an der Seine konnte man nun aber zu keinem Zeitpunkt ernsthaft glauben.

„Es ist schwer, nun die richtigen Worte zu finden. Aber so ist der Sport, jede Serie geht einmal zu Ende“, verwies Berdych nach dem verlorenen Doppel indirekt auf das in den vergangenen Jahren Erreichte. „Ich bin stolz auf die Fans und unser Land. Die Enttäuschung ist natürlich da, aber eben auch Stolz“, so der für seine pathetisch-patriotischen Aussagen bekannte Štěpánek. Diese vermochten nur bedingt von der Realität abzulenken. Die Niederlage war schmerzhaft und zeigte auch, wie viel bei den beiden Titelgewinnen 2012 und 2013 zusammengepasst hatte. Ein derart motivierter Gegner mit allen Topspielern an Bord und in Bestform hätte an gleicher Stelle wohl auch vor ein oder zwei Jahren das Aus für die Tschechen bedeutet. Dieser Fakt schmälert das Vollbrachte nicht, relativiert das Leistungsvermögen aber.

Wie es mit dem Davis-Cup-Team weitergeht, bleibt vorerst offen. Tomáš Berdych ist mit seinen 29 Jahren im besten Profi-Alter. Seit rund acht Jahren gehört er zu den 20 besten Spielern der Welt. 2010 stieß er erstmals in die Top Ten vor und ist dort Stammgast. Noch fehlt ein Grand-Slam-Titel in seiner herausragenden Karriere.

Berdych verpasste in den vergangenen elf Jahren gerade einmal drei Davis-Cup-Begegnungen, ansonsten trat er, nicht so wie viele andere Topspieler, stets für sein Land an. Die Prioritäten des Wahl-Monegassen dürften sich nun aber ändern. Er selbst lässt noch alles offen. „Es ist sinnlos, diese Frage nun aufzuwerfen. Ich bin müde nach einer langen Saison. Ich weiß nicht, wie es nächstes Jahr aussehen wird.“ Ein klares Bekenntnis zum Nationalteam hört sich anders an.

Bei Štěpánek sollte langsam der Moment gekommen sein, an dem er über ein Karriereende nachdenkt. Mit 36 hat man im Tennis in der Regel seine besten Zeiten hinter sich. Und obwohl Kapitän Navrátil beim Verband einen Vertrag bis Ende 2015 unterschrieben hat, weiß auch er noch nicht, was die Zukunft bringt. „Sollten Berdych und Štěpánek ihre Davis-Cup-Karriere beenden oder eine Pause einlegen, könnte ich mir schwer vorstellen, ohne die beiden weiterzumachen.“ Es riecht nach einem Generationenwechsel.