Glosse

Später Triumph

Später Triumph

Der Brünn-Besucher wird damit auf Schritt und Tritt konfrontiert: Ach, was sind sie stolz in Tschechiens zweitgrößter Stadt auf die List ihrer Vorfahren im Dreißigjährigen Krieg.

20. 1. 2016 - Text: Petr Jerabek, Foto: Reinhold Auer/CC BY-SA 2.0

So stolz, dass davon Tag für Tag um elf Uhr das verfrühte Mittagsläuten der Peter-und-Paul-Kathedrale kündet: 1645 wurde Brünn wochenlang von schwedischen Truppen belagert. Deren General Torstensson setzte sich für den 15. August selbst ein Ultimatum: Bis zum Mittag müsse Brünn erobert sein, sonst ziehe er ab. Die finale Schlacht lief gut für die Schweden, der Sieg war zum Greifen nahe. Da bedienten sich die Brünner der Legende nach einer List: Vom Turm des Doms ließen sie zu Mittag läuten – obwohl es erst elf war. Als die Schweden die Glocken hörten, zogen sie ab. Brünn war gerettet.

Seit 2010 erinnert an diesen Erfolg auch ein Kunstwerk auf dem zentralen Freiheitsplatz: eine Riesenpatrone aus Granit mit integriertem Uhrwerk. Täglich um elf rollt im Innern der Skulptur eine Glaskugel hinunter – Passanten können sie durch Öffnungen erwischen. Schon lange vorher bildet sich dort eine Menschentraube.

Durch dieses Schauspiel an den Triumph Brünns über Schweden erinnert, setzt der Besucher seinen Bummel durch die Fußgängerzone fort und steht nach wenigen Schritten vor einer Filiale der schwedischen Modekette Lindex. Keine Minute später passiert er auch noch einen Laden des schwedischen Textilunternehmens H&M. Hinzu kommen weitere Lindex- und H&M-Stores in anderen Teilen Brünns sowie Mitteleuropas größte Filiale des schwedischen Outdoor-Ausrüsters Fjällräven. Natürlich verfügt die mährische Metropole auch über ein IKEA-Einrichtungshaus. Was ihnen mit Torstensson verwehrt blieb, gelang den Schweden Jahrhunderte später: Sie sind aus Brünn nicht mehr wegzudenken. Gegen die Globalisierung hilft kein Glockenläuten.