Gestern pleite – morgen Champions League

Gestern pleite – morgen Champions League

Der HC Orli Znojmo ist Vizemeister der Österreichischen Eishockey-Liga

13. 4. 2016 - Text: Helge Hommers, Foto: Rostislav Pfeffer/reklamafoto.cz

Nahe der tschechischen Grenze zu Niederösterreich liegt Znojmo (Znaim) – überregional bekannt für südmährischen Wein und schmackhafte Gurken. Spätestens seit vergangener Woche kennen die 33.000 Einwohner zählende Stadt aber auch Eishockey-Fans. Denn erst nach sechs Spielen musste sich der HC Orli Znojmo im Finale der Playoffs der Österreichischen Eishockey-Liga (EBEL) geschlagen geben. Dabei lagen die Adler, wie die Mannschaft von ihren Anhängern gerufen wird, bereits mit 2:1 in der Best-of-Seven-Finalserie gegen den EC Red Bull Salzburg vorne. Doch die Österreicher drehten den Spieß um und siegten 4:2.

Der Mannschaft von Trainer Jiří Režnar wäre somit beinahe das seltene Kunststück gelungen, als ausländischer Klub an der Spitze einer Liga mit größtenteils heimischen Vertretern zu stehen. Zwar traten bisher auch Teams aus Italien, Slowenien und Ungarn sowie Kroatien in der EBEL an. Den Pokal konnte aber nur der HC Bozen als ausländischer Vertreter in die Höhe stemmen. Den größten Erfolg der Vereinsgeschichte kann Znojmo in jedem Fall feiern: Mit dem Einzug ins Finale hat sich der Klub für die Champions Hockey League qualifiziert.

Dass überhaupt ausländische Mannschaften in der bereits seit 50 Jahren bestehenden österreichischen Liga gemeldet sind, lag an der desolaten finanziellen Situation einiger Klubs Mitte der Nullerjahre. Damals bestand die EBEL zeitweise nur aus sieben Teams, die aus wirtschaftlichen Gründen – teilweise sogar freiwillig – den Gang in die Zweitklassigkeit antraten. So sah sich 2004 beispielsweise die VEU Feldkirch, Traditionsverein und neunfacher Titelträger, zum Konkurs gezwungen. Die EBEL-Verantwortlichen traten die Flucht nach vorne an und nahmen ausländische Teams ins Teilnehmerfeld auf.

So auch die Adler aus Znojmo, die im kommenden Jahr bereits in ihre sechste Spielzeit in der Fremde gehen. Dem Puck jagen die Südmährer bereits wesentlich länger hinterher; seit der Vereinsgründung im Jahr 1933 auch im Ligabetrieb. Professionelles Eishockey gab es in der Stadt hingegen erst zu Beginn der neunziger Jahre zu sehen. Und nach mehreren unterklassigen Spielzeiten stand 1999 endlich der lang ersehnte Aufstieg in die Extraliga, die höchste Spielklasse Tschechiens.

Größter Erfolg der darauf folgenden Periode sollte der Einzug ins Playoff-Halbfinale im Jahr 2006 sein. Zwischenzeitlich trugen – dank eines Streiks in der nordamerikanischen National Hockey League (NHL) – einige der besten Spieler des Landes die Farben des Vereins: Patrik Eliáš, Martin Havlát, Tomáš Vokoun und Karel Rachůnek liefen mit der Erfahrung von mehr als 3.000 NHL-Spielen für den HC Znojmo auf. Profitiert hat dieser davon allerdings nicht – die Adler verpassten damals den Einzug in die K.o.-Runde.

Nachdem sich 2009 der Hauptsponsor E.ON plötzlich verabschiedete, sah sich der Verein gezwungen, die Reißleine zu ziehen. Die Verantwortlichen verkauften die Extraliga-Lizenz an Brünn und traten eine Klasse tiefer an. Dann jedoch folgte der Umzug in die EBEL – und ein steiler Aufstieg. Fünfmal in Folge qualifizierte sich das Team, das seine Heimspiele in der 5.500 Zuschauer fassenden Hostan Arena austrägt, für die Playoffs.

Während in den Jahren zuvor in der Runde der letzten Acht regelmäßig Endstation war, setzte sich der Zweitplatzierte der regulären Saison in diesem Jahr mit 4:2 in der Best-of-Seven-Serie gegen den Dornbirner EC durch. Und im Playoff-Halbfinale besiegten die Adler mit dem gleichen Ergebnis den EHC Linz.

Der Finalgegner aus Salzburg war bereits vor der Austragung der Finalrunde österreichischer Meister, denn ausländische Mannschaften können zwar die Liga gewinnen, sich aber nicht österreichischer Meister nennen. Die Roten Bullen wollten sich damit aber nicht begnügen. Sie siegten im ersten Schlagabtausch daheim mit 4:2. Allerdings erwies sich die Auftaktniederlage als gutes Omen für den Außenseiter. Mit 5:3 und 7:3 entschied der HC Znojmo die Folgepartien für sich. Dann jedoch verließ die Adler das Glück: Sie unterlagen zuhause deutlich mit 2:6 und mussten sich dem finanzstarken Titelverteidiger auswärts mit 2:4 beugen. Im entscheidenden sechsten Spiel in heimischer Spielstätte setzte es eine bittere 3:4-Pleite, wodurch Salzburg erfolgreich seinen Titel verteidigte.

In den Reihen der Tschechen wuchs besonders der kanadische Stürmer Colton Yellow Horn in den Playoffs über sich hinaus. Der Topscorer der Liga wurde mit der „Ron Kennedy Trophy“ sogar zum wertvollsten Spieler der Saison gekürt. Zudem kann sich Coach Jiří Režnar auch auf seine Defensivabteilung um Libor Šulák verlassen, der in seiner Premierensaison zum besten Nachwuchsspieler gewählt wurde.

Obwohl es nach dem furiosen Start in die Finalserie nicht zum Titel reichen sollte, blickt Znojmo auf die erfolgreichste Spielzeit der Vereinsgeschichte zurück. Und wer weiß, zu welchen Höhenflügen die Adler in der kommenden Champions-League-Saison ansetzen. Als ausländischer für eine fremde Liga die Champions-League-Trophäe zu gewinnen, das hat bisher noch kein Team geschafft.