Gegenseitige Sympathie

Gegenseitige Sympathie

Handelskontakte und Investitionen spielen für die Beziehungen zwischen Polen, Tschechen und Deutschen eine wichtige Rolle

27. 11. 2013 - Text: Michal WozniakText: Michal Wozniak; Bild: APZ

Die Einstellung der Polen und Tschechen gegenüber ihrem westlichen Nachbarn hat sich grundlegend verändert – Wirtschaftskontakten sei Dank. Die Tschechen sehen Deutsche sogar positiver als ihre nördlichen Nachbarn. Das hat das Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau in einer jüngst veröffentlichten Studie dargelegt.

Die insgesamt positiven Noten beruhen auf dem guten Image der deutschen Wirtschaft und der Unternehmen aus dem westlichen Nachbarland. Mehr als neun von zehn befragten Polen und Tschechen bescheinigen Deutschland eine gute Wirtschaftsentwicklung, Arbeitsorganisation und Unternehmensführung. Fast ebenso viele sind davon überzeugt, dass deutsche Firmen sich um ihre Belegschaft kümmern. Jeweils etwa 85 Prozent meinen zudem, deutsche Unternehmer achten auf den Umweltschutz und halten Gesetze ein.

Mangelndes Vertrauen als Barriere für deutsche Investitionen in ihrem Land sieht fast jeder vierte Pole und jeder fünfte Tscheche. Gleichzeitig sind aber etwa zwei Drittel überzeugt, die Investitionen würden einen eher günstigen Einfluss auf die heimische Wirtschaft haben.

Nicht unerwartet fallen die gegenseitigen Einschätzungen der Wirtschaften und Unternehmen zwischen Polen und Tschechien schlechter aus als die jeweilige Meinung über Deutschland, wird der große Nachbar doch auch weltweit oft als Vorbild hingestellt. Zudem fällt auf, dass Tschechen viel kritischer gegenüber Polen sind als umgekehrt. Ihre Meinung über den nördlichen Nachbarn ist sogar meistens schlechter als die der Deutschen. Polen haben generell eine erheblich bessere Meinung über Tschechen als die Deutschen. Das Bild der Polen ist hingegen in Deutschland viel besser als in Tschechien.

Deutsche Unternehmen können daraus vor allem lernen, dass eine Niederlassung oder Tochtergesellschaft in Polen oder Tschechien nicht unbedingt der bessere Ausgangspunkt bei der Markterschließung des jeweils anderen Landes sein muss als die Zentrale in Deutschland. Vor allem, wenn sie in beiden Ländern aktiv werden wollen, könnten zwei kleinere Auslandsbüros besser sein als ein einziges großes. Kurzfristig führt dies zwar zu Zusatzkosten, diese können sich langfristig aber rentieren.

Dies gilt vor allem für Unternehmungen in Richtung Tschechien. Nicht nur die Umfrageergebnisse zeigen eindeutig, um wie viel besser das Image Deutschlands dort ist als das Ansehen Polens. Bereits seit einiger Zeit geraten polnische Nahrungsmittel immer wieder in die Schlagzeilen, so das Importverbot für polnische Eier im vorigen Jahr oder die Fleischaffäre Mitte 2013. Auch Investitionsprojekte aus dem nördlichen Nachbarland wecken Unruhe. Bestes Beispiel dafür ist der Aufkauf von Unipetrol durch den polnischen Öl-Multi PKN Orlen, dem vorgeworfen wird, die Entwicklung der tschechischen Raffinerie zu vernachlässigen. An diesen und ähnlichen Vorfällen ist die polnische Seite natürlich meistens nicht ganz unschuldig. Allerdings werden oft Einzelfälle auf die Gesamtheit übertragen. Woran liegt das?

„Meine Landsleute wissen zu wenig über die Polen“, antwortet Miroslav Rakowski. Der gebürtige Tscheche leitet seit zwei Jahren als Vorstandsvorsitzender die polnische T-Mobile-Tochter. „Ich kenne eigentlich keine Tschechen, die Polen privat besuchen würden – nur dienstlich. Sie haben keine Gelegenheit, das Land zu besichtigen oder die Leute besser kennenzulernen. Sie wissen nicht, wie schön und interessant Polen ist. Ganz anders in entgegengesetzter Richtung: Selbst wenn die meisten Polen ebenfalls keinen Urlaub in meiner Heimat verbringen, so haben sie bei der Durchreise auf dem Weg nach Kroatien, Italien oder Österreich Kontakt mit der Kultur und den Einwohnern.“

Daraus folgen auch Unterschiede bei der Wahrnehmung des jeweiligen Nachbarn. Weniger als zwei Drittel der Tschechen empfinden eher Sympathie für Polen, 16 Prozent sogar Antipathie – in die andere Richtung ist dieser Wert viermal kleiner. Sympathie für Tschechen empfinden dagegen fast neun von zehn Polen. Dies ist allerdings zumindest teilweise Ausdruck eines Gefühls der Überlegenheit. „Oft erwecken die Polen das Gefühl, sie würden auf ihre südlichen Nachbarn etwas herabschauen – sie meinen zum Beispiel, Tschechisch wäre eine ,lustige’ Sprache. Die Tschechen lassen sich das natürlich nicht gefallen. Durch die kleinen Ungereimtheiten ist der Wille zur Kooperation stark eingeschränkt“, meint Alexander Diekmann, Geschäftsführer der Verlagsgruppe Passau.

Andererseits bescheinigen die Umfrageergebnisse dennoch gute Chancen für eine Zusammenarbeit: 88 Prozent der Polen und 82 Prozent der Tschechen würden einen Vorgesetzten aus dem Nachbarland akzeptieren, einen Mitarbeiter sogar jeweils 93 beziehungsweise 90 Prozent. Bezeichnend ist jedoch erneut, dass in Polen die Tschechen bei diesen Fragen geringfügig besser abschneiden als Deutsche. Tschechen sind hingegen Arbeitsverhältnisse mit deutschen Chefs und Kollegen lieber – was auf Gegenseitigkeit beruht: Einen tschechischen Vorgesetzten oder Mitarbeiter würden jeweils zwei Prozentpunkte mehr Deutsche akzeptieren als einen polnischen.

Polen und Tschechen vereint das Streben nach höherem Einkommen. Eine Gehaltserhöhung ist laut der Befragung für 96 Prozent der Polen und 97 Prozent der Tschechen der beste Ansporn. Auf Platz zwei folgen andere materielle Belohnungen. Lob seitens der Vorgesetzten motiviert nicht einmal zwei Drittel der Befragten. Dieses ist dafür eine treibende Kraft für Deutsche und liegt gleichauf mit einer Gehaltserhöhung. Die Furcht vor dem Arbeitsplatzverlust ist hingegen mit 56 Prozent der Nennungen relativ schwach ausgeprägt. Zum Vergleich: Sie hat für jeweils 82 Prozent der Polen und Tschechen großen Einfluss auf die Leistungen.

Im Endeffekt sind sich Polen und Tschechen möglicherweise doch näher, als die Umfrageergebnisse suggerieren. „Unsere Gesellschaften sind sich kulturell sehr ähnlich. Das hat natürlich darauf Einfluss, wie wir uns bei der Arbeit verhalten“, resümiert Rakowski.

(Quelle: Germany Trade & Invest)