Ganz der Großvater
Snowboarderin Ester Ledecká wird Weltmeisterin. 43 Jahre nach dem „Wunder von Prag“
28. 1. 2015 - Text: Marcus Hundt, Foto: Sport Invest Group/Ondřej Pýcha
Was sie vor zwei Jahren bei den Junioren schaffte, wiederholte sie nun bei den Profis. Die Snowboarderin Ester Ledecká ist Weltmeisterin im Parallelslalom. Im steirischen Lachtal wurde die Pragerin ihrer Favoritenrolle gerecht und sicherte sich den Titel vor den beiden Österreicherinnen Julia Dujmovits und Marion Kreiner. Was Ledecká wenige Minuten nach der Zieleinfahrt als „absoluten Wahnsinn“ bezeichnete, ist auch für die Sportnation Tschechien etwas Außergewöhnliches. Denn zum ersten Mal holte ein tschechischer Snowboarder WM-Gold.
Gut zehn Sekunden saß sie fassungslos auf dem Boden, hielt sich die Hände vor das Gesicht, verzog keine Miene. Ihrer Freude konnte sie erst etwas später freien Lauf lassen. „Ich konnte es erst mal überhaupt nicht glauben. Da schossen mir so viele Dinge durch den Kopf, in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit. Ich konnte noch nicht mal lächeln, und das obwohl in mir drinnen ein Feuerwerk explodierte“, versuchte Ledecká ihre Emotionen zu beschreiben.
Mit ihrem WM-Erfolg ist die Snowboarderin, die bei Dukla Liberec trainiert, gewissermaßen in die Fußstapfen ihres Großvaters getreten. Jan Klapáč gehörte jener legendären Eishockey-Mannschaft an, die im April 1972 bei der Heim-WM in Prag die Sowjetunion besiegte und damit deren Serie von neun Weltmeistertiteln in Folge beendete. Insgesamt gewann der heute 73-Jährige sieben WM- und zwei Olympiamedaillen, wurde zudem sieben Mal tschechoslowakischer Meister. Schon als Kind träumte Ledecká davon, einmal genauso erfolgreich zu sein wie ihr Großvater. Den Grundstein dafür hat sie nun gelegt. Mehr noch: Sie hat ihm sogar etwas voraus. Klapáč war 31 Jahre alt, als er Weltmeister wurde. Seine Enkelin ist erst 19.
Wohl auch deshalb war Ledecká nicht enttäuscht, dass sie einen Tag nach ihrem WM-Triumph nur Fünfte im Parallel-Riesenslalom wurde. „Ich bin eben keine Maschine. Fehler passieren“, meinte sie über ihren Ausrutscher im Viertelfinale. „Wenn ich gesund bleibe, und das will ich hoffen, werde ich noch ein paar Jahre Snowboard fahren.“ Und vielleicht noch den einen oder anderen Titel gewinnen.
„Der absolute Wahnsinn“
Im Gespräch: Ester Ledecká nach ihrer Goldfahrt
Vor der Weltmeisterschaft haben Sie nur ein einziges Rennen bestritten, und das haben Sie gewonnen. Der Druck vor dem WM-Finale muss riesig gewesen sein.
Ledecká: Ach, nicht wirklich. Ich habe mich unglaublich auf diesen Wettbewerb gefreut. Schon nach dem Aufstehen hatte ich richtig gute Laune, dann habe ich mir ein paar meiner Lieblingslieder angehört und jetzt ist ein Traum von mir in Erfüllung gegangen.
Welche Lieder haben Sie gehört?
Ledecká: Eingefahren habe ich mich mit INXS, danach habe ich Death Metal aufgelegt und später Lenny Kravitz.
Sowohl im Halbfinale als auch im Finale sind Sie gegen eine Österreicherin angetreten. Das Publikum war auf der Seite ihrer Konkurrentinnen. Haben Sie etwas von der unglaublichen Kulisse mitbekommen?
Ledecká: Am Start habe ich schon gehört, dass alle schrecklich geschrien haben, als der Sprecher deren Namen durchsagte. Das habe ich dann ein bisschen auf mich übertragen, indem ich mir vorstellte, der Sprecher hätte gerade meinen Namen genannt und die ganzen Leute würden mich anfeuern. Und mit diesem Gefühl bin ich dann losgefahren (lacht).
Schon bei den Olympischen Spielen in Sotschi waren Sie die Favoritin, aber damals kämpften Sie mit Rückenschmerzen. Verspüren Sie nach dem WM-Sieg so etwas wie eine innere Befriedigung?
Ledecká: Es ist ein unglaubliches Gefühl. Irgendwie will es mir immer noch nicht so richtig in den Kopf. Aber eines weiß ich: Ich habe ein tolles Team, ohne das ich das hier nicht geschafft hätte.
Ihr Großvater, der 1972 mit der Tschechoslowakei Eishockey-Weltmeister wurde, gehörte zu den ersten Gratulanten. Haben Sie gewusst, wo er im Ziel auf Sie wartet?
Ledecká: Ich habe mich umgeschaut und nach ihm gesucht. Aber von allen Seiten kamen Leute, die an mir gezerrt und mich gedrückt haben. Erst nach einer Weile haben wir uns dann gefunden und uns umarmt.
Haben Sie sich als Kind seine Goldmedaille angesehen?
Ledecká: Na klar. Ich weiß, wie so etwas aussieht. Er hat in seiner Karriere jede Menge Medaillen gewonnen und ich habe sie mir immer alle angeschaut. Für mich war das damals etwas ganz Besonderes.
Ihre Medaille bekommen Sie erst einen Tag nach dem Lauf um den Hals gehängt. Ist das nicht schade, dass Sie noch darauf warten müssen?
Ledecká: Überhaupt nicht. Um die Medaille geht es auch gar nicht. Es geht um dieses Gefühl, bei diesem Rennen gewonnen zu haben – und das ist der absolute Wahnsinn.
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