Ex-Premier wird Gouverneur

Ex-Premier wird Gouverneur

Jiří Rusnok will die Nationalbank weniger euroskeptisch machen – zumindest nach außen

31. 5. 2016 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: ČTK/Martin Štěrba

Präsident Miloš Zeman hat in der vergangenen Woche den ehemaligen Premierminister Jiří Rusnok zum Gouverneur der Tschechischen Nationalbank (ČNB) ernannt. Der 55-Jährige gilt als Verbündeter Zemans und war bereits seit 2014 Mitglied des Bankenrates. Ab Juli wird er den amtierenden Gouverneur ­Miroslav Singer ersetzen, dessen zweite Amtszeit regulär endet.

Der Bankenrat der Nationalbank prägt die Währungspolitik des Landes und entscheidet über grundlegende Maßnahmen. Die Nationalbank ist neben der Gestaltung der Währungspolitik auch für die Aufsicht über den gesamten ­Finanzmarkt verantwortlich.

Im Tschechischen Fernsehen sagte der künftige Gouverneur am Sonntag, die Nationalbank werde unter seiner Führung weniger euroskeptisch sein, sich jedoch einen kritischen Blick auf die Währungsunion und die Eurozone bewahren. „Zumindest nach außen werden wir uns nicht mehr als geistiges Zentrum der Ablehnung einer tieferen Integration und des Beitritts zur Währungsunion präsentieren“, so Rusnok. Seinen Worten zufolge gehöre Tschechien in die Eurozone, sei aber „mental und politisch noch nicht reif“ für den Beitritt.

Die derzeitige Politik der Devisenintervention, mit der die ­Nationalbank die Krone schwach hält, will Rusnok fortsetzen: „Wir werden eine Währungspolitik betreiben, die förderlich für die tschechische Wirtschaft ist. Unseren Analysen zufolge ist es eindeutig noch nicht an der Zeit, die Bedingungen zu verschärfen.“

Zufrieden mit der Krone
Rusnok schloss aus, dass die Nationalbank die Einführung des Euro verzögern könnte, um keine Kompetenzen an Brüssel abgeben zu müssen. „Generell glaube ich, dass wir in die Eurozone gehören“, so Rusnok. „Aber wenn wir eine vernünftige Währungs- und Fiskalpolitik machen, können wir auch mit einer eigenen Währung leben.“ Tschechien habe eine außergewöhnliche Währungs- und Preisstabilität, daher seien die Bürger mit der Krone zufrieden.

Ähnlich sieht das nach wie vor das Finanzministerium. Es legte am Montag eine Studie vor, in der es sich noch immer gegen den Beitritt Tschechiens zur Euro­zone ausspricht. Der Analyse zufolge ist das Bankensystem hierzulande eines der stabilsten und ertragreichsten in Europa. Strategisch wäre es laut den Experten des Ministeriums günstiger zu beobachten, wie sich die Währungsunion langfristig entwickelt, statt ihr jetzt beizutreten.

Als neue Mitglieder des sieben­köpfigen Bankenrates nominierte Zeman die von Rusnok unterstützten Kandidaten Vojtěch Benda und Tomáš ­Nidetzký. Der künftige Gouverneur stritt ab, dass seine Beteiligung an der Auswahl der weiteren Ratsmitglieder die Meinungs­vielfalt in dem Gremium einschränken könnte.

Verbündeter Zemans
Beobachter gehen trotzdem davon aus, dass Rusnok als Gouverneuer eine starke Position einnehmen werde. Die Nominierung der beiden neuen Ratsmitglieder, die ehemals Kollegen Rusnoks bei der ING-Bank waren, deute darauf hin, dass ­Zeman Rusnok großen Spielraum bei der Entscheidung gelassen habe, sagte ING-Chefökonom Jakub Seidler. David ­Kocourek, Ökonom der Komerční banka, wies darauf hin, dass an der Spitze der Nationalbank künftig ein Verbündeter des Präsidenten stehen werde – selbst wenn Rusnok und Zeman in der Währungspolitik nicht immer einer Meinung seien. Gerade Zeman hat der Nationalbank in den vergangenen Monaten auch vorgeworfen, sie zögere mit den Deviseninterventionen die Euro-Einführung bewusst hinaus, um keine Kompetenzen abtreten zu müssen.

Der Präsident hob bei der Ernennung Rusnoks dessen bisherige Funktionen hervor. Rusnoks vielseitige Erfahrung, hofft Zeman, werde die Kommunikation zwischen Nationalbank, Präsident, Regierung und der Öffentlichkeit vereinfachen. Rusnoks Karriere begann in den achtziger Jahren in der Staatlichen Planungskommission und beim Ministerium für strategische Planung. Nach der Samtenen Revolution arbeitete er für den Böhmisch-Mährischen Gewerkschaftsverband (ČMKOS), 1998 wechselte er als Staatssekretär ins Ministerium für Arbeit und Soziales. Ab April 2001 war er Finanzminister der sozialdemokratischen Regierung unter Miloš Zeman. Anschließend war er im Kabinett von Premier Vladimír Špidla bis März 2003 Wirtschaftsminister.

Zu Miloš Zeman pflegte Rusnok auch später gute Beziehungen. Er unterstützte ihn zum Beispiel vor den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2013, anschließend wurde er dessen wirtschaftlicher Berater, bevor Zeman ihn als Vorsitzenden einer von ihm eingesetzten „Expertenregierung“ zum Premier ernannte. Das Übergangskabinett regierte bis Januar 2014. Im Parlament wurde es unter anderem für seine enge Zusammenarbeit mit der von Zeman-Anhängern gegründeten Partei SPOZ (heute SPO) kritisiert.