Erfolglose Irreführung

Erfolglose Irreführung

Die Rundfunkpropaganda des Dritten Reiches funktionierte hervorragend. Allerdings nur innerhalb der damaligen Reichsgrenzen – im Protektorat Böhmen und Mähren scheiterte sie kläglich

19. 12. 2013 - Text: Friedrich GoedekingText: Friedrich Goedeking; Foto: Deutsches Bundesarchiv

Bekanntlich galt der Rundfunk bei den Nationalsozialisten als das wirksamste Instrument für den Erfolg ihrer Propaganda. So verkündete Propagandachef Joseph Goebbels nach der Machtübernahme im Frühjahr 1933: „Die Menschen so lange zu hämmern und zu feilen und zu meißeln, bis sie uns verfallen sind. Das ist eine der Hauptaufgaben des Deutschen Rundfunks.“

Neben anderen Fachleuten ging der Historiker Richard Pinard jüngst an einem Symposium des Adalbert-Stifter-Vereins im Goethe-Institut Prag der Frage nach, ob es dem Protektoratsregime auch im besetzten Böhmen und Mähren gelang, mit Hilfe des Rundfunks die tschechische Bevölkerung für die Interessen des Deutschen Reiches zu gewinnen.

Nachdem am 15. März 1940 die deutsche Wehrmacht Prag und die sogenannte Resttschechei besetzt hatten, versicherte Hitlers Außenminister Joachim von Ribbentrop im tschechoslowakischen Rundfunk, dass den Tschechen kulturelle Autonomie zugesichert bliebe. Das war natürlich eine Täuschung, insofern das Programm des tschechischen Rundfunks von deutschen Zensoren kontrolliert wurde, so ein Befund Pinards.

Passiv resistent
Immerhin gelang es den tschechischen Radiomachern, das Rundfunkprogramm zunächst im Sinne einer passiv-resistenten Einstellung zu gestalten. Das bedeutete unter anderem, dass vor allem Sendungen zu den Themen Heimat und Geschichte produziert wurden. Im Frühjahr 1940 organisierten tschechische Mitglieder des Rundfunkkulturrats den „Tschechischen Musik-Mai“, in dessen Rahmen dann der Rundfunk eine Vielzahl von Musiksendungen mit Stücken von Komponisten wie Antonín Dvořák und Bedřich Smetana sowie böhmische Volksmusik ausstrahlte. Von den etwa 180 „Sendungen deutschen Inhaltes im Tschechischen Rundfunk“ im ersten Halbjahr 1940 waren gut 120 reine Musiksendungen.

Nach der Eroberung Frankreichs nahm der Druck auf die Gestaltung des Radioprogramms im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie zu. Sendungen wie „Die Ursachen des deutschen Sieges“, „Wie machen sie das im Deutschen Reich“ – eine Unterweisung in Sachen Schulwesen, Berufsausbildung und sportlicher Ertüchtigung –, „Bedeutende deutsche Frauen“ – wie zum Beispiel Johanna von Bismarck und Cosima Wagner – oder „Nehmen wir uns ein Vorbild am Reich“ über die Pläne Albert Speers zur Umgestaltung Berlins sollten der tschechischen Bevölkerung den Reichsgedanken beibringen.

Bei der Programmgestaltung des Rundfunks halfen den Besatzern einige Kollaborateure, die der NS-Ideologie blind ergeben waren. Allerdings fehlte ihnen jegliche Erfahrung im Umgang mit dem Rundfunk und die Fähigkeit, mit ihren Ansprachen die Menschen im besetzten Land für die Ideologie zu gewinnen. Der prominenteste Kollaborateur war der Minister für Schulwesen und Volksaufklärung, Emanuel Moravec, der mit seinen militärpolitischen Betrachtungen zweimal pro Woche die tschechischen Zuhörer langweilte, weil er es nicht verstand, komplexe militärtechnische Probleme für den Hörer greifbar zu machen.

Ebenso erfolglos waren die Auftritte von Alois Kříž, der als ehemaliger Buchhalter für die Tätigkeit im Rundfunk wenig geeignet war, von den NS-Leuten aber wegen seiner Mitgliedschaft in einer tschechisch-faschistischen Organisation mit der Leitung der politischen Beiträge beauftragt wurde. Bekannt wurde er vor allem durch die Sendereihe „Was wissen Sie von den Juden und Freimaurern?“, eine Verleumdungskampagne, die die im Oktober 1941 einsetzenden Deportationen rechtfertigen sollte. Die Sendungen waren aber von einer solch dürftigen Qualität, dass einige von ihnen gar nicht erst ausgestrahlt werden konnten.

Abstossende Arroganz
Das Gleiche gilt für die politischen Sketche, für die der Kollaborateur Josef Opluštil verantwortlich zeichnete. Sie waren als Antwort auf jene politischen Satiren gedacht, mit denen das berühmte Kabarettisten-Duo Jan Werich und Jiří Voskovec im amerikanischen Exil die Nazigrößen lächerlich machte. Die Sketche von Oplustil kamen über stümperhafte Versuche jedoch nicht hinaus.

Die Rundfunkpolitik der Protektoratsregierung verfehlte ihr Ziel, in den ersten drei Jahren die Bevölkerung für das Deutsche Reich zu gewinnen, deutlich. Geschickt verstanden es die Mitarbeiter des tschechischen Rundfunks zunächst, durch eine Vielzahl von Geschichts-, Heimat- und Musiksendungen die nationalsozialistische Propaganda auf Distanz zu halten. Die tschechischen Kollaborateure im Rundfunk erwiesen sich als ungeeignet, weil sie kein propagandatechnisches Können besaßen, das geeignet gewesen wäre, der Bevölkerung die Interessen der Besatzer glaubwürdig zu vermitteln. Die Arroganz und Überheblichkeit, mit der die Deutschen die Tschechen als Bürger zweiter Klasse behandelten und ihre Kultur als minderwertig bezeichneten, wirkte auf diese natürlich abstoßend. Sie bewirkte sogar das Gegenteil: Die Rundfunkpolitik der Okkupanten trug viel dazu bei, dass der tschechische Widerstand wuchs und bei der tschechischen Hörerschaft die Gegnerschaft zum Regime verstärkte.

Der deutschen Besatzungsmacht gelang es auch kaum, die Wirkung der alliierten „Feindsender“ bei der tschechischen Bevölkerung zu unterbinden. Bereits eine Woche nach dem Überfall auf Polen begann der englische Sender BBC mit der Ausstrahlung tschechischsprachiger Sendungen. Einen großen Einfluss auf die Stimmung der Bevölkerung hatte die Kriegsberichterstattung der alliierten Sender, die die schöngefärbten Meldungen der deutschen Wehrmacht entlarvte. Auch die Aufrufe des Senders BBC an die tschechische Bevölkerung zeigten Wirkung. So zum Beispiel 1941 der Aufruf an die Tschechen am „Schildkrötentag in Europa“ zum langsamen Arbeiten und der Aufruf zum Zeitungsboykott.

Humor und Spott
 Um tschechische Nazi-Vasallen bloßzustellen, wurden im Londoner Rundfunk regelmäßig die Namen von mutmaßlichen Kollaborateuren bekanntgegeben. Geschickt verstanden es die Tschechen im Londoner Rundfunk mit Humor und Spott die Propaganda der Deutschen zu unterlaufen. Als für das Buch von Emanuel Moravec „Im Dienste des Neuen Europa“ geworben wurde, konterte die BBC: „Wir müssen Euch sicher nicht empfehlen, was Ihr mit dem Buch machen sollt, wenn es Euch in die Hände fällt.

Werft es weg!“ Lächerlich gemacht wurden auch die Auftritte von prominenten Funktionären des Besatzungsregimes. Als beispielsweise Karl Hermann Frank 1941 im Prager Nationalmuseum die jährliche deutsche Buchausstellung eröffnete, zitierte der tschechische Dienst der BBC einen Zuhörer, der sich über den ehemaligen Buchhändler Frank mokierte: „Ich kann Euch sagen, es war äußerst spaßig, als der Herr Buchhändler auftrat und einige 15-Jährige dazu mit vollen Kräften applaudierten. Ich stand dort und konnte nicht begreifen, wie dieser Mensch so unsinnige Bemerkungen von sich geben konnte, ohne das etwas geschah, ohne dass ihm der große Lüster auf den Kopf fiel oder das Museum in seinen Grundfesten wankte. Doch alles heuchelte gespannte Aufmerksamkeit.“

Wirkungsvolle Parolen
Nervös beobachteten die deutschen Besatzer, wie die „Flüsterpropaganda“ der Tschechen täglich von den alliierten Sendern mit neuem Stoff versorgt wurde. Weder mit den angedrohten drakonischen Strafen für „Rundfunkverbrechen“ noch mit Störsendern oder dem Erlass zum Ausbau von Kurzwellenempfangsteilen konnte das Besatzungsregime den außerordentlichen Einfluss der alliierten Sender auf die Stimmung der Bevölkerung unterbinden.

Joseph Goebbels notierte bereits am 17. November 1939 in sein Tagebuch: „In der Hauptsache werden die Tschechen von ausländischen Sendern aufgehetzt. Man müsste ihnen evtl. die Rundfunkapparate wegnehmen und sonstige Schikanen anwenden, die das Volk treffen und es damit gegen die Hetzer aufbringen.“

Doch Hitler sprach sich gegen die Beschlagnahme der Radiogeräte aus. Die Annahme, dass die eigene Rundfunkpropaganda sich letztlich gegen die Feindsender durchsetzen würde, erwies sich aber als Irrtum. Karl Hermann Frank äußerte sich in seinem Prozess nach dem Krieg eindeutig: „Die Agitation des Londoner und Moskauer Rundfunks hatte eine große Wirkung beim tschechischen Volk.

Es war unmöglich, durch polizeiliche und technische Maßnahmen das Abhören zu verhindern. Ihre Parolen wurden mitunter einige Minuten, nachdem sie gesendet wurden, verbreitet und befolgt. Ich kann sagen, dass die politische Meinungsbildung des tschechischen Volkes vom Londoner und Moskauer Rundfunk gemacht wurde.“