Ende eines Kapitels

Ende eines Kapitels

Germanist und Literaturwissenschaftler Kurt Krolop gestorben

6. 4. 2016 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Kurt Krolop Forschungsstelle

Dass Literatur sein Leben war, erkannte man auf einen Blick. Es müssen hunderte, wenn nicht tausend Bücher gewesen sein, die sich an die Wände seines Wohnzimmers schmiegten. Jahrzehntelang erforschte Kurt Krolop die Prager deutsche Literatur. Vor allem ihm ist es zu verdanken, dass sie heute nicht auf die drei großen Namen Kafka, Werfel und Rilke reduziert wird, sondern einen weitaus größeren Kreis an Schriftstellern umfasst – und weiterhin Gegenstand literaturwissenschaftlicher Forschung bleibt. Als Mitbegründer des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren war es Krolop eine Herzensangelegenheit, dass diese Werke nicht in Vergessenheit geraten. Am 22. März endete ein Kapitel in der Geschichte der deutsch-böhmischen Literatur. Kurt Krolop verstarb im Alter von 85 Jahren.

Geboren 1930 im nordböhmischen Kravaře v Čechách (Graber) musste Krolop als Sudetendeutscher mit seiner Familie nach dem Zweiten Weltkrieg in die sowjetische Besatzungszone übersiedeln. Später studierte er in Halle an der Saale Germanistik, englische und slawische Philologie. Erstmals kehrte er 1957 in seine Heimat zurück, als er in Prag eine Stelle als Lektor für deutsche Literatur an der Karls-Universität antrat. Hier fand er zu den beiden Themen, die ihn Zeit seines Lebens beschäftigen sollten: die Prager deutsche Literatur und Karl Kraus. Im Jahr 1968 wurde Krolop zum Leiter der Forschungsstelle für Prager deutsche Literatur der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Bereits im Folgejahr musste er jedoch in die damalige DDR zurückkehren, da die Stelle im Zuge der Normalisierung aufgelöst wurde und Krolop die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verlor. In der Folgezeit veröffentlichte er vor allem Schriften über die österreichische Literatur des 19. Jahrhunderts, Johann Wolfgang von Goethe und Karl Kraus. Erst nach der politischen Wende 1989 kehrte er nach Prag zurück. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2000 lehrte er als Professor und Leiter des Lehrstuhls für Germanistik an der Karls-Universität.

Für seine unermüdliche und profunde Arbeit wurde Krolop mehrfach ausgezeichnet. Im April 2007 erhielt der das Bundes­verdienstkreuz in der Deutschen Botschaft Prag. Im Jahr darauf ehrte ihn Österreich mit dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. Seine wissenschaftliche Arbeit setzt die im vergangenen Jahr in Prag eröffnete Kurt Krolop Forschungsstelle für deutsch-böhmische Literatur fort.