„Eine halbe Milliarde ist ziemlich wenig“
Landwirtschaftsminister Marian Jurečka verteidigt Sanktionen gegen Russland – und fordert höhere Kompensationen
13. 4. 2016 - Text: Franziska Neudert, Foto: KDU-ČSL
Wieder Waren nach Russland zu liefern käme einer Verletzung der Menschenrechte gleich. Das sagte Landwirtschaftsminister Marian Jurečka (KDU-ČSL) am Sonntag im Tschechischen Fernsehen. „Es ist ausgeschlossen, Menschenrechte zu opfern, damit wir landwirtschaftliche Erzeugnisse nach Russland exportieren“, so Jurečka. Er reagierte damit auf die Äußerungen des Präsidenten der Tschechischen Agrarkammer Miroslav Toman, der Anfang April die EU aufgefordert hatte, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufzuheben. „Die Landwirte verkaufen keine Waffen, sondern Lebensmittel“, so Toman.
Zwar verstehe er die Agrarkammer als Nichtregierungsorganisation bis zu einem gewissen Grade, meinte der Minister in der Talkshow „Otázky Václava Moravce“. Dennoch zähle für ihn in erster Linie die Aggression Russlands. „Zumal unser Land negative Erfahrungen in den Jahren 1938 und 1968 gemacht hat. Auch wir hätten einst annektiert werden können.“ Jurečka zufolge müsse Tschechien in Einklang mit der Europäischen Union handeln. Selbst die baltischen Länder, deren Exporte nach Russland sich auf bis zu 60 Prozent beliefen, würden sich nicht beklagen, also habe Tschechien auch keinen Grund dazu.
Eine Lösung sieht der Landwirtschaftsminister teilweise in Kompensationen. So hat die Europäische Kommission im vergangenen Jahr eine halbe Milliarde Euro bereitgestellt, um die Landwirtschaft zu stabilisieren. „Diese halbe Milliarde ist ziemlich wenig“, kritisiert Jurečka jedoch und fordert: „Für dieses Jahr müssen die Kompensationen um einiges höher ausfallen.“ Eine weitere Möglichkeit sieht er in neuen Märkten. Das Ministerium entsendet deshalb Landwirtschafts-Diplomaten. In China, Saudi-Arabien und Serbien sind sie bereits aktiv – aber auch in Russland. Denn die Sanktionen, so Jurečka, beträfen nur den Lebensmittel-, nicht aber den Technologieexport.
Dem Statistikamt zufolge hat Tschechien im vergangenen Jahr Agrarerzeugnisse in Höhe von 201 Milliarden Kronen (etwa 7,4 Milliarden Euro) ausgeführt. Mehr als ein Fünftel davon (43 Milliarden Kronen) wurde in die Slowakei geliefert, gefolgt von Deutschland (38 Milliarden Kronen) und Polen (21 Milliarden Kronen). Der Export nach Russland sank von knapp drei Milliarden Kronen im Jahr 2014 auf 2,4 Milliarden Kronen. Die Europäische Union hat ihre Sanktionen im Sommer 2014 als Reaktion auf die russische Aggression in der Ostukraine beschlossen.
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