Ein unmögliches Unterfangen?

Ein unmögliches Unterfangen?

Das Jára-Cimrman-Theater versucht sich an der Übersetzung des tschechischen Humors

20. 4. 2016 - Text: Katharina WiegmannText: Katharina Wiegmann; Foto: ŽDJC

 

Wer war Jára Cimrman? Ein Forscher, Philosoph, Erfinder, Dramatiker? In jedem Fall war er einer der Größten seiner Zeit und seiner Nation, da ist man sich in Tschechien einig. „Das können wir bestreiten, wir können sogar anderer Meinung sein, aber etwas anderes kann man nicht dagegen tun.“ So lautet ein berühmtes Zitat aus dem Film „Ležící, Spící“ („Liegend, Schlafend“) von 1983, der die Zuschauer durch ein Cimrman-Museum, und gleichzeitig durch das Leben dieser erfundenen Persönlichkeit führt.

Das in den sechziger Jahren gegründete Jára-Cimrman-Theater widmet sich dem Erbe der von Zdeněk Svěrák, Ladislav Smoljak and Jiří Šebánek geschaffenen Kunstfigur. Und es versucht sich am vielleicht Unmöglichen: der Übersetzung des ureigenen tschechischen Humors für ein internationales Publikum. „The Conquest of the Northpole“ ist nach „The Stand In“ das zweite Stück des „Jára Cimrman English Theatere“. Am vergangenen Freitag feierte es seine Prager Premiere.

Cimrman-Inszenierungen haben eine besondere Form. Im ersten Teil trägt eine Gruppe angeblicher Cimrman-Experten neueste Erkenntnisse der Forschung über das Universalgenie vor. Darauf folgt die Darstellung eines Stückes „aus der Feder Cimrmans“. Das Regie-Team Brian Stewart und Emilie Machalová arbeitete für die Übersetzung von „The Conquest of the North Pole“ (im Original „Dobytí severního pólu“) mit Svěráks Tochter Hana Jelínková zusammen. Diese Tatsache sowie die Anwesenheit Svěráks bei der Premiere lassen darauf schließen, dass der Versuch einer englischen Version von höchster Stelle gebilligt wird.

Ein Werk so klar wie ein Eiszapfen
Die Handlung ist so komplex wie absurd. Im Restaurant „Pod Vyšehradem“ kehrte Cimrman gerne für Fischspezialitäten ein. Eines Tages fragte ihn der Wirt, ob er bereit wäre, für den nächsten Ball der Brauerei Braník ein Tableau vivant zu inszenieren, das Tschechen am Nordpol zeige. Cimrman sagte zu, und beschloss, die Thematik zunächst vor Ort zu erforschen. Dabei traf er auf ein Volk von Schneemännern, bei dem die Frauen das letzte Wort haben („ein wirklich sehr primitives Volk“) und stellte Beobachtungen über deren Sexualleben an.
Zurück in Prag litt er an einer starken Erkältung. Bettlägerig diktierte er seinem Nachbarn das Skript für ein Theaterstück, das für Skandalrezensionen und Missverständnisse sorgte. Aufgrund von Cimrmans temporärer Unpässlichkeit, verbunden mit nasaler Intonation, wurde aus einem amüsierten („amused“) ein missbrauchtes („abused“) Kind, wie die „Cimr­manologen“ das Publikum aufklären.

Unbeeindruckt von der Fehlinterpretation seines Werks schrieb Cimrman nach seiner Genesung mit der linken Hand ein Stück, das „so kohärent und klar wie ein Eiszapfen war“. Seitdem weiß die Menschheit, dass nicht der Amerikaner Robert Edwin Peary der erste Mensch am Nordpol war, sondern vier Prager: Expeditionsführer Karel Deutsch (Peter Hosking), Aushilfslehrer Vojtěch Procházka (Brian Caspe), Apotheker Vojtěch Šofr (Ben Bradshaw) und Boleslav Frištenský (Curt Matthew) – eine Gruppe von Eisschwimmern, die während einer durchzechten Nacht einen Entschluss fasste, und sich am Morgen am Prager Hauptbahnhof in einen Zug gen Norden setzte.

Im weiteren Verlauf des Abends lernt das Publikum die Männer besser kennen. Hunger, Kälte und Hoffnungslosigkeit haben keine Chance gegen die beharrlich-gleichgültige Schicksalsergebenheit der Tschechen, die sie voranschreiten lässt, bis sie schließlich am Nordpol stehen. „Tschechen werden sich immer anpassen“, lautet eine Zeile im Motivationslied von Aushilfs­lehrer Procházka. Eine Lektion aus der tschechischen Geschichte – ebenso wie die Tatsache, dass die besten Ideen am Kneipentresen geboren werden.

Universeller Humor?
Funktioniert der Humor im Stück auf Englisch? Das Pub­likum zumindest lacht. Allerdings dürften sich unter den Zuschauern viele Hobby-Cimrmanologen befinden, die das Stück entweder schon auf Tschechisch kennen oder sich zumindest länger mit Werk und kulturellem Kontext des großen Cimrman befasst haben. Gelacht wird auch dann, wenn es auf Englisch eigentlich nicht witzig ist; wohl eher in Erinnerung an das tschechische Original. Manche Wortwitze zünden aber auch in der Übersetzung und der verschrobene Gesamteindruck der Inszenierung macht zumindest Lust darauf, sich näher mit dem Phänomen Cimrman zu beschäftigen.

Übrigens ist es nicht das erste Mal, dass „The Conquest of the North Pole“ auf Englisch inszeniert wurde. Bereits 2014 brachte die Kompanie „Jos Repertory Theatre“ das Stück in Nigeria auf die Bühne. Bei 38 Grad. Vielleicht ist der tschechische Humor ja doch universeller, als gemeinhin angenommen.

The Conquest of the North Pole. Žižkovské divadlo Járy Cimrmana, nächste Aufführungen: 13. Mai und 10. Juni, Eintritt: 180–270 CZK, www.zdjc.cz