Ein umstrittener Held der Sowjetunion
Iwan Stepanowitsch Konew wurde lange als Befreier Prags gefeiert – nach 1989 hat das Bild Risse bekommen
1. 6. 2016 - Text: Helge HommersText: Helge Hommers; Fotos: Karel Hájek/CC BY-SA 3.0 und Matěj Baťha/CC BY-SA 2.5
Man kann es einen Skandal nennen, dass die Koněvova nicht längst umbenannt wurde – oder sich zumindest sehr darüber wundern. Die mehr als drei Kilometer lange Straße im Stadtteil Žižkov wurde nach dem sowjetischen Militärkommandanten Iwan Stepanowitsch Konew benannt, der am 9. Mai 1945 das am Tag zuvor von der Wehrmacht verlassene Prag erreichte.
Konew (tschechisch Koněv) wurde 1897 als Sohn armer Bauern im Nordwesten Russlands geboren. Er erhielt nur wenig Schulbildung und schlug sich als Holzfäller durch. Nach der Oktoberrevolution kämpfte er auf Seiten der Roten Armee und schloss sich den Bolschewisten an. Dank seiner Kontakte zu engen Vertrauten Josef Stalins überlebte er die Zeit des Großen Terrors. Konew profitierte von den „Säuberungen“ und wurde zum Generalleutnant befördert.
Nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion befehligte er die 19. Armee, die unter anderem in der Schlacht um Moskau zum Einsatz kam. Im Juli 1943 starteten die deutschen Truppen ihre letzte große Offensive im Osten, die die Rote Armee unter Konews Führung jedoch abwehrte. Von da an waren seine Truppen stetig auf dem Vormarsch. Sie nahmen das strategisch bedeutsame Oberschlesien ein und befreiten am 27. Januar 1945 das Konzentrationslager Auschwitz. Stalin verlieh Konew den Titel „Held der Sowjetunion“. Er sollte nach Plänen des Diktators als einer von drei Oberbefehlshabern Berlin vor den westlichen Alliierten einnehmen. Nachdem es zunächst so aussah, als würde Konew das „Rennen“ machen, beorderte Stalin ihn jedoch nach Südwesten.
Die Eroberung Berlins blieb seinem lebenslangen Rivalen Georgi Schukow vorbehalten, der wenig später die deutsche Kapitulationserklärung entgegennahm. Konew hingegen marschierte unter großem Jubel der Bevölkerung in Prag ein. Obwohl die Übernahme der bereits freien Stadt kampflos erfolgte, ging er als Befreier in die tschechoslowakische Geschichtsschreibung ein.
Nach Kriegsende wurde Konew zum Oberbefehlshaber aller sowjetischen Landstreitkräfte ernannt. In dieser Funktion ließ er den Volksaufstand in Ungarn niederschlagen und befahl die Schließung der Grenzen der DDR zu den Westsektoren Berlins, was den Beginn des Mauerbaus darstellen sollte. Auch an der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Paktes war Konew maßgeblich beteiligt. Seinem Ruhm tat das in der sowjetischen Interpretation der Geschichte jedoch keinen Abbruch.
Erst nach seinem Tod im Jahr 1973 und dem Zerfall der Sowjetunion bekam das Bild des Helden Risse. So wurde bekannt, dass Konew trotz des Waffenstillstands auf dem Rückweg befindliche Wehrmachtseinheiten beschießen ließ, am ersten Tag des Friedens die Bombardierung mehrerer tschechischer Städte befehligte und mehr als zehntausend Tschechen in den Gulag schickte.
Konews Rolle als Befreier Prags wurde nach 1989 wiederholt in Frage gestellt. Auch eine Umbenennung der Koněvova stand mehrfach zur Debatte – konnte bisher aber nicht durchgesetzt werden. Im Stadtviertel Bubeneč erinnert zudem eine Statue an Konew, die in der Vergangenheit wiederholt mit Graffitis beschmiert wurde.
„Wie 1938“
30 Jahre PZ