Ein Sprachtalent auf der Vespa

Ein Sprachtalent auf der Vespa

Seit zwei Monaten spielt Markus Steinhöfer bei Rekordmeister Sparta Prag. Es ist die vierte Auslandsstation des 29-jährigen Franken, der als erster deutscher Profi in Tschechiens oberster Liga aufläuft

13. 8. 2015 - Text: Stefan Welzel, Foto: AC Sparta Praha

Anfang August. Hochsommer in der Großstadt. Die Sonne steht tief über der Prager Letná-Ebene. Auch am frühen Abend liegen die Temperaturen weit über 30 Grad. Markus Steinhöfer parkt seinen Leihwagen, einen unauffälligen Škoda, direkt vor dem Stadion von Sparta Prag, seinem neuen Arbeitgeber. Mit dem 29-Jährigen aus dem fränkischen Weißenburg spielt zum ersten Mal ein deutscher Fußball-Profi in Tschechiens höchster Spielklasse. Ausschlaggebend für den Wechsel waren der gute Ruf des Klubs sowie die Aussicht auf internationale Spiele. Aber auch seine große Neugier nach dem Neuen und Unbekannten – und die ist ungebrochen, obwohl er in den vergangenen drei Spielzeiten bei vier verschiedenen Vereinen unter Vertrag stand und nun endlich mehr Kontinuität in seine Karriere bringen möchte.

Steinhöfers Hoffnung auf Partien in der Champions- oder Europa-League erhielt am 5. August einen herben Dämpfer. Sparta verlor im Rückspiel der dritten Qualifikationsrunde zur Champions League zuhause in Prag mit 2:3 gegen den ZSKA Moskau und schied nach einem 2:2 im Hinspiel knapp aus. Nun folgen die Play-offs zur Europa League. „Ich hoffe natürlich, dass wir zumindest dieses Ziel erreichen. Es gibt kaum etwas Schöneres, als Europapokal zu spielen“, erklärt der vielseitig einsetzbare Rechtsfuß. Seine Augen funkeln und schweifen über den Rand der Brüstung im Letná-Park. Unweit des Stadions wird der Blick frei auf die Silhoutte seiner neuen Heimat.

„Der erste Eindruck ist sehr positiv. Ich bin wirklich überrascht.“ Die Tücken des Großstadtverkehrs können dem Mann aus der fränkischen Provinz nichts anhaben. „Ich kenne mich bereits ein wenig aus, das geht schnell bei mir.“ Die Distanzen seien überschaubar. Steinhöfer ist viel herumgekommen in seiner Karriere. Die Stationen hießen München, Salzburg, Frankfurt, Kaiserslautern, Basel, Sevilla, wieder München, dann Aalen. In die bayerische Landeshauptstadt zog Steinhöfer schon mit 16 Jahren, um in Bayern Münchens Jugendakademie einzutreten. Von da an wusste der Teenager, dass er voll auf die Karte Fußball setzen würde.

Sein vorerst letzter Aufenthalt in München wurde von einem kurzen Gastspiel beim TSV 1860 geprägt. Einem Verein, der sich zuletzt aufgrund sportlicher Talfahrt und Misstönen im Management immer wieder selbst in die Schlagzeilen brachte. Steinhöfer winkt bei dem Thema auch gleich ab, so als wolle er schnell klarstellen, dass es sich nicht lohnen würde, lange über die Zustände bei den „Sechzigern“ zu reden. Ganz anders präsentierte sich die Lage bei Steinhöfers erstem Auslandsengagement in Salzburg von 2006 bis 2008 und erst recht drei Jahre später beim FC Basel. Beides gut geführte Klubs mit hohen Ambitionen.

Großer Name, kleine Stadien
„Basel war die bisher beste Zeit in meinem Leben, sportlich und privat. Da stimmte vieles: Teamgeist, Erfolge, Titel und gute Freundschaften“, so Steinhöfer. Eine davon verbindet ihn immer noch zu Gladbachs Schweizer Nationaltorhüter Yann Sommer. „Wir haben damals viel miteinander unternommen. Mit ihm habe ich Basel auf der Vespa erkundet. Das Motorradfahren ist eine Leidenschaft, die wir teilen. Und ich freue mich jetzt schon, auch Prag auf dem Roller kennenzulernen.“ Dass er das mit Sommer tun wird, ist eher unwahrscheinlich, zu dicht ist das Programm eines Fußball-Profis, erst recht zu Beginn einer Saison.

Bestimmt aber wird ihn seine Freundin Alice begleiten. Sie kennt Steinhöfer seit der Kindheit. Eine klassische Jugendliebe ist es dennoch nicht. „Es funkte erst, als wir schon etwas älter waren.“ Alice betrieb zehn Jahre lang eine eigene Bar in Weißenburg, nun wagt sie zum ersten Mal den Schritt an Markus’ Seite ins Ausland und in einen gemeinsamen Alltag.

Steinhöfers sportlicher Alltag im Ligabetrieb sieht weniger glamourös aus, als es der große Name Sparta Prag vermuten lässt. In Kleinstädten wie Jihlava, Zlín oder Jablonec wird er in besseren Provinzstadien vor nicht einmal 5.000 Zuschauern spielen. Immerhin herrscht bei Prager Derbys und Duellen gegen alte und neue Erzrivalen wie Pilsen oder Ostrava eine gute Stimmung, ebenso im Europapokal. „Die Atmosphäre im Spiel gegen Moskau war fantastisch, vor allem in der ersten Halbzeit“, erzählt Steinhöfer.

Allerdings musste er diese abseits des Spielfeldes genießen, Trainer Zdeněk Ščasný beließ den Rechtsaußen auf der Ersatzbank. Eine Erklärung dafür habe er nicht bekommen. „Er wird seine Gründe gehabt haben. Wir verfügen über einen großen Kader, da spielt man eben nicht immer. In der Liga war ich bisher von Beginn an dabei.“ Um einen Stammplatz im rechten Mittelfeld kämpft er unter anderem mit Tschechiens Jungstar Martin Frýdek. Der 23-Jährige überzeugte zuletzt bei der U-21-EM im Juni.

Sparta ist Steinhöfers vierter Arbeitgeber in etwas mehr als zwei Jahren. Bei dieser Feststellung muss er selbst ein wenig lachen. „Eigentlich ist es gar nicht meine Art, so oft den Klub zu wechseln. In Prag habe ich einen Zweijahresvertrag unterschrieben, und den will ich auch erfüllen. Ich glaube, das kann eine schöne Zeit werden. Die ersten Wochen vermitteln mir zumindest dieses Gefühl.“

„Immer das Maximum“
Auf die Frage, bei welchem Angebot er in Zukunft denn schwach werden würde, weicht Steinhöfer aus. „Ich möchte mich bei diesem Traditionsverein durchsetzen. Die Bedingungen sind sehr gut hier.“ Steinhöfer ist der erste deutsche Spieler in der tschechischen Liga. Zuvor hießen die Legionäre aus deutschsprachigen Ländern Niklas Hoheneder (Österreich) und Mauro Lustrinelli (Schweiz), die beide ebenfalls für Sparta Prag aufliefen. Dass er als ausländischer Spieler besonders im Fokus von Trainern, Medien und Fans steht, stört ihn nicht. Höheren Druck verspüre Steinhöfer deswegen nicht. Seine Ansprüche als gestandener Profi mit Bundesliga- und Champions-League-Erfahrung erklären sich fast von alleine. „Ich will im Prinzip immer das Maximum, nicht nur im Sport, sondern im Leben allgemein. Dafür gebe ich auch alles. Und natürlich steht man lieber auf dem Platz als auf der Bank zu sitzen.“ Selbstbewusste Töne eines Mannes im besten Fußballer-Alter.

Integrationsprobleme scheint Steinhöfer nicht zu kennen. „Das lief bisher reibungslos. Natürlich hilft mir dabei die Anwesenheit von Radoslav Kováč.“ Den ehemaligen tschechischen Nationalspieler kennt Steinhöfer aus Basler Zeiten. Der 35-jährige Innenverteidiger ist zwar nicht mehr Stammspieler bei Sparta, für Steinhöfer aber immer noch eine starke Führungspersönlichkeit und somit ein Meinungsmacher im Team. Dass Tschechen gemeinhin als eher zurückhaltend und kontaktscheu gelten, lehnt Steinhöfer ab. „Die Jungs haben mich toll aufgenommen.“ Gesprochen werde oft Englisch, der Trainer teile ihm einige Dinge auch auf Deutsch mit. „Und die einfachsten tschechischen Kommandos auf dem Platz lernt man sowieso ziemlich schnell.“

Steinhöfer möchte bald einen Tschechisch-Kurs besuchen, betont seine Affinität für Sprachen. Bereits nach einem halben Jahr in Sevilla konnte er sich gut auf Spanisch verständigen. Dabei halfen ihm seine Italienisch-Kenntnisse, die er seiner Freundin verdankt. „Alice hat italienische Wurzeln. Da kriegt man einiges mit.“ Die Sprache seines Umfelds zu erlernen, sei für Steinhöfer eine Frage des Respekts. „Meine Freundin und ich mögen es, uns unter Leute zu mischen; auch und vor allem unter Einheimische. Wir passen uns schnell an.“

Steinhöfer weiß aus Erfahrung, wie das geht und schaut optimistisch in die Zukunft. „An erster Stelle steht aber selbstverständlich der sportliche Erfolg sowie das Umfeld im Klub. Wenn dann noch ein erfülltes Privatleben in einer interessanten und schönen Stadt hinzukommt – umso besser.“

Das Erkunden der neuen Heimat verbindet Steinhöfer bald mit seinem großen Hobby. Die geliebte Vespa wird demnächst nachgeliefert. Bei den herrschenden Temperaturen wohl das idealste Fortbewegungsmittel, um die Stadt der hundert Türme besser kennenzulernen.