Ein Paradies für Kreative

Ein Paradies für Kreative

Ein altes Fabrikgebäude in Holešovice erblüht zu neuem Leben. „Vnitroblock“ ist das Projekt junger Prager, die mit ihrem Kulturzentrum Menschen aus aller Welt erreichen wollen

1. 12. 2016 - Text: Katharina Haase

Auf einem samtüberzogenen Sofa inmitten einer weitläufigen Fabrikhalle sitzen Lukáš Žďárský und Jakub Zajíc. Um sie herum herrscht geschäftiges Treiben – zwischen den unverputzten Ziegelwänden trifft sich die trendbewusste Jugend. Die Männer tragen Vollbart, die Frauen Hornbrille und zu große Kapuzenpullis. Sie trinken Latte Macchiato, surfen im Internet oder sitzen mit Skateboard unter den Füßen bei einem Bier zusammen. Žďárský und Zajíc sind zwar noch ziemlich jung, aber bereits bekannte Namen in der Prager Kulturszene. Die beiden Mittzwanziger haben zuvor die „Kavárna, co hledá jméno“ („Das Café, das seinen Namen sucht“) und das Kulturzentrum „Radlická“ in Smíchov aufgebaut. Beide inzwischen etablierte Institutionen. Seit drei Monaten betreiben sie auch das Kulturzentrum „Vnitroblock“, wenige Schritte vom Marktgelände in Holešovice entfernt.

Die Bar aus Holz und Metall haben die „Vnitroblock“-Gründer Žďárský und Zajíc selbst gebaut.

„Am Anfang haben uns unsere Freunde für verrückt erklärt,“ lacht Žďárský, „aber das hat uns nur noch mehr angespornt.“ Den Erfolg ihres jüngsten Projekts begründen sie ausgerechnet damit, keine professionellen Unternehmer zu sein. Vieles hier ist improvisiert, aus dem Moment heraus entstanden. Man merkt schnell: Die Menschen, die sich für „Vnitro­block“ engagieren, tun es aus Freude an der Sache. „Uns geht es nicht ums Geld, sondern um den Austausch mit unseren Gästen. Ihre Impulse sind unsere Inspiration“, sagt Žďárský.

Ihre Ideen entstanden immer aus der Frage heraus, welche Orte sie sich selbst als Begegnungs- und Kulturzentren wünschen. „Radlická ist eine Bar. Danach wollten wir etwas Entspannteres machen und einen Ort finden, an dem man in Ruhe seinen Kaffee trinken kann“, so Žďárský weiter. Er und sein Mitstreiter arbeiten nie mit komplett fertigten Ideen. Entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung ihrer Projekte haben die Orte. „Die Atmosphäre des Gebäudes gibt uns die entscheidenden Impulse.“

Lukáš Žďárský (links) und Jakub Zajíc

Die Halle in der Tusarova-Straße beheimatete früher eine Rohrfabrik. Heute beherbergt sie nicht nur ein Café, sondern auch ein kleines Kino für 15 bis 30 Zuschauer, ein Tanzstudio und viel Raum für Ausstellungen. Abends legt ein DJ auf. Das Herz des Gebäudes bildet die schlichte, aus Metall und Holz gefertigte Bar in der Mitte der Haupthalle. In den Ecken und Nischen bieten junge Designer ihre Produkte an. Dazu gehören beispielsweise Krawatten und Fliegen aus Holz oder Ohrringe aus Stein. Was man hier kaufen kann, findet man nicht in den großen Warenhäusern und Shoppingmalls. Es sind außergewöhnliche, handgefertigte Einzelstücke.

Nachhaltigkeit und Originalität sind Žďárský und Zajíc besonders wichtig. Das gilt selbst für den Bierausschank. „Wir veranstalten Verkostungen, bei denen Fachkundige die einzelnen Sorten vorstellen“, erklärt Žďárský. Im „Vnitroblock“ sollen sich die Menschen mit den Produkten auseinandersetzen, die sie konsumieren. Das betrifft nicht nur den leiblichen Genuss, sondern auch den intellektuellen Anspruch. „Im Kino laufen die Filme nicht zum puren Freizeitvergnügen. Sie sind immer mit Diskussionen verbunden“, so Žďárský.

In dem Kulturzentrum stellen junge Künstler ihre Werke aus.

Doch ganz alleine stemmen die beiden das riesige Programm nicht. „Vnitroblock“ kooperiert mit zahlreichen Institutionen und privaten Unternehmern. So unterhält das Kino eine Partnerschaft mit dem Dokumentarfilm-Festival „Jeden svět“. Und die Theatergruppe „Loosers“ inszeniert nonverbale Stücke. „Das passt gut zum Konzept, denn wir möchten auch Touristen anlocken“, erkärt Žďárský. Bislang kämen vor allem Einheimische in diesen eher unwirtlichen Teil von Holešovice. „Wir möchten auch Menschen von außerhalb zeigen, dass Prag jenseits von Burg und Karlsbrücke viel zu bieten hat.“

Finanzielle Unterstützung erhalten die beiden bislang nur von privaten Quellen. Und alles, was sie mit „Vnitroblock“ verdienen, wird in die Verwirklichung des nächsten Projekts gesteckt. Žďárský und Zajíc strotzen nur so vor Energie. Sie wollen weitere Teile des weitläufigen Fabrikgeländes erwerben. Dazu gehört auch eine kleine Straße. „Hier könnten ein Theater mit Platz für 300 Zuschauer, ein Bistro, ein Tattoo-Studio und viele weitere Lokale entstehen“, so Žďárský.

An Ideen mangelt es nicht. Für die Zukunft träumen die beiden von einer Hostel-Kette, die ebenso wie „Vnitroblock“ mit Originalität und Nachhaltigkeit überzeugen soll. Zwar hat keiner von ihnen eine entsprechende Ausbildung, aber fehlendes Fachwissen hat Žďárský und Zajíc noch nie aufhalten können. „Am Anfang, beim ersten Projekt Radlická, standen wir als Barkeeper hinter dem Tresen. Da wir beide damals keinen Tropfen Alkohol tranken, hatten wir keine Ahnung, wie man die Drinks mixt. Doch genau das machte wohl den Charme aus.“

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