Ein Meister, der aneckt

Ein Meister, der aneckt

Markus Lüpertz gehört zu den bekanntesten Künstlern der Gegenwart. Nun ist er Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Liberec

22. 9. 2016 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Jan Vrabec

Markus Lüpertz trägt viele Namen. Künstlerfürst, Genie, Meister und Dandy. Sich selbst bezeichnet der Künstler, der sich gern als exzentrischer Maler gibt, dagegen als „gut gekleideten, älteren Herren“. Am Donnerstag vergangener Woche kam ein weiterer Titel hinzu. Der 75-Jährige darf sich nun auch „Ehrenbürger der Stadt Liberec“ nennen.

Im Rathaus von Liberec nahm Lüpertz, der vor 75 Jahren im damaligen Reichenberg geboren wurde, die Auszeichnung entgegen. „Ich bin stolz und es ist eine Ehre für mich, Ehrenbürger von Liberec zu sein.“ Mit einem Augenzwinkern fügte der Künstler hinzu, dass er früher irrtümlicherweise gedacht habe, der Name Lüpertz würde ins Tschechische übersetzt Liberec lauten. In seiner Geburtsstadt verbrachte er nur die ersten sieben Jahre seines Lebens; 1948 emigrierte seine Familie nach Deutschland. Sein Vater habe später viel von der alten Heimat gesprochen und seine Mutter böhmisch gekocht, sagt Lüpertz. Nicht zuletzt habe ihm seine Herkunft auch geholfen, ein Geheimnis um seine Person zu erschaffen. Nach Liberec kam er vor einigen Jahren zum ersten Mal, seitdem hat er die Stadt oft besucht.

Oberbürgermeister Tibor Batthyány (ANO) bezeichnete es als eine Ehre, einem „Künstler von solchem Kaliber“ die Urkunde zu überreichen. „Jede Stadt sollte sich ihrer bedeutenden Kinder rühmen können und Markus Lüpertz gehört zweifellos zu jenen, auf deren Erfolg und Ruhm wir stolz sind.“ Dass der Geehrte persönlich kam, so Batthyány, das zeige, „dass das gegenseitige Unrecht zwischen beiden Nationen längst vergessen und die tschechisch-deutschen Beziehungen sehr gut sind“. Mit 41 weiteren Persönlichkeiten teilt sich Lüpertz die Auszeichnung. Erstmals wurde die Ehrenbürgerschaft im Jahr 1853 an den Beamten Christian Freiherr Kotz von Dobrsch vergeben, der die Stadtbewohner seinerzeit beim Aufbau einer eigenen Verwaltung unterstützt hatte. Auf der Liste der Ehrenbürger stehen aber auch umstrittene Namen wie Klement Gottwald und Konrad Henlein.

Lüpertz’ Beethoven-Skulptur in Bonn

Mythen und Geschichte
Lüpertz hatte der Direktor der Regionalgalerie in Liberec Jan Randáček vorgeschlagen. „Er gehört zu den großen Künstler­persönlichkeiten der Welt. Markus Lüpertz hat mit seinem Werk unverwischbare Spuren in der europäischen Kultur hinterlassen“, so Randáček. „Es wäre schwer, einen Menschen zu finden, den das Werk und die Haltung Lüpertz’ kalt ließen. Wir können ihm mit Begeisterung begegnen, aber ebenso mit Ablehnung. Und so muss es sein.“

Lüpertz gilt neben Gerhard Richter, Sigmar Polke, Georg Baselitz und Anselm Kiefer als einer der bekanntesten deutschen Gegenwartskünstler. Seine expressiven Werke – meist von archaischem und monumentalem Charakter – beschäftigen sich vor allem mit der deutschen Geschichte und antiken Mythen.

Zur Kunst kam Lüpertz auf Umwegen. Er wuchs im Rheinland auf, eine Lehre als Maler für Weinflaschenetiketten brach er ab. Im Alter von 17 Jahren meldete er sich freiwillig bei der Fremdenlegion, um Abenteuer zu erleben. Bereits nach wenigen Monaten desertierte er jedoch. Während seines Studiums an der Düsseldorfer Kunstakademie arbeitete er im Berg- und im Straßenbau. Auch das Studium brach Lüpertz vorzeitig ab – er wurde exmatrikuliert. 1962 versuchte er sein Glück in Berlin, wo er eine eigene Galerie gründete und seine „dithyrambische Malerei“ ausrief. Sie sollte ein neues alternatives Kunstgefühl vermitteln. In rauschhaftem Stil malte er zuerst Dithyramben, surrealistisch anmutende, erfundene Formen. Später verfremdete er die dargestellten Dinge.

Lüpertz arbeitet als freischaffender Künstler. Zeitweise leitete er zudem die Kunstakademie in Düsseldorf und übernahm eine Professur an der Kunsthochschule in Karlsruhe. Künstlerisch machte Lüpertz mit umstrittenen Skulpturen wie der armamputierten und an Knet­figuren erinnernden Beethoven-Statue in Bonn auf sich aufmerksam. Dem gängigen Schönheitsideal entsprechen seine Werke nicht – daher eckt Lüpertz immer wieder an. In Augsburg beispielsweise löste eine Aphrodite-Plastik heftige Proteste aus. Für den Bundesgerichtshof in Karlsruhe schuf Lüpertz einen eigenwilligen Bundesadler – fern eines eleganten Staatssymbols.