„Ein bisschen Kitsch ist okay“

„Ein bisschen Kitsch ist okay“

Vor ihrem Gastspiel sprechen „Me and my Drummer“ über ihre Musik und ihre besondere Beziehung zu Prag

13. 4. 2016 - Text: Jan NechanickýInterview: Jan Nechanický; Foto: SASHBERG (Seurat Samson)

 

Ihre Liebe zur Musik entdeckten Charlotte Brandi und Matze Pröllochs im Tübinger Theater, wo sie Bühnenstücke begleiteten. Später zogen sie nach Berlin und veröffentlichten als „Me and my Drummer“ ihre erste Platte. Die Spuren des Theatralischen waren kaum zu überhören, das Debüt klang bombastisch, poppig und fröhlich. Ein Erfolg, der Erwartungen weckte. Für sein neues Album ließ sich das Duo dennoch viel Zeit. Mit „Love Is A Fridge“ touren die beiden derzeit durch Europa, dabei machen sie auch in Prag halt. PZ-Redakteur Jan Nechanický verrieten die Musiker, wie sie zu ihrem Stil fanden und weshalb eines ihrer schönsten Lieder den Titel „Prague I & II“ trägt.

Wie hat das Theater eure musikalische Entwicklung beeinflusst?

Charlotte Brandi: Die Arbeit am Theater war für uns eine Art Ausbildung. Wir haben viel gelernt über Inszenierungen, was Wirkung bedeutet und was überhaupt eine Bühne ist. Wir haben erfahren, was es heißt, „privat“ auf einer Bühne zu stehen, und wir haben gelernt, wie man Spannung aufbaut und wie wichtig Licht und Klang sind. Außerdem war es sehr hilfreich, dass schon Ausstattung vorhanden war und wir in den Spielpausen miteinander musizieren konnten. Wir haben gejammt, unsere ersten Songs geschrieben und uns musikalisch kennengelernt.

Am Ende habt ihr euch in eine Richtung entwickelt, die man als „Dream Pop“ bezeichnet. Wie gerade war der Weg bis dahin?

Matze Pröllochs: Am Anfang war unsere Musik anders. Wir haben mehr Klavier gespielt und weniger Synthesizer benutzt. Uns beschäftigte aber immer mehr die Frage, wie man zu zweit einen vollen Sound hinbekommt, ohne dass etwas fehlt. Dadurch kamen wir zum Synthesizer.

Hattet ihr musikalische Vorbilder?

Brandi: Inspirationsquellen waren zum Beispiel „The Knife“ oder „Micachu And The Shapes“, also die aktuelleren Indie-Acts, die eine große Durchschlagskraft haben. Uns gefielen solche bodenständigen aber trotzdem verschrobenen Bands im Stil des Londoner Underground. Das liegt uns nahe. Es hat etwas von der Straße und eine kindliche Verspieltheit. Und keine dick aufgetragene Theatralik. Solche Wirkung wollen wir nicht erzielen.

Wann wusstet ihr, das ist die Musik, die wir machen wollen?

Pröllochs: Diesen Punkt erreicht man immer wieder. Trotzdem muss man sich weiterentwickeln. Es ist uns ganz wichtig, dass wir nicht an einem Punkt stehen bleiben, an dem wir sagen würden: Das ist jetzt der Sound, so muss es immer sein. Wir wollen beim nächsten Album wieder etwas Neues machen. Diese Freiheit haben wir, da uns niemand vorschreibt, wie wir klingen sollen.

Gibt es keine Grenzen?

Brandi: Wir haben auf dem langen Weg zu unserem zweiten Album mit einem Produzenten zusammengearbeitet, der uns sehr poppig gedacht hat. Der Testsong erhielt einen sehr aufgeplusterten Sound und uns war klar, dass wir so etwas nicht wollen. Ich glaube, dass es für uns eine natürliche Grenze gibt. Denn wir wollen Instrumentalisten sein. Wir spicken zwar unsere Live-Auftritte hier und da mit Backing-Tracks, aber so dezent, dass man merkt, dass wir beide mit dem Instrument was drauf haben. Das ist uns ganz wichtig.

Eure Musik klingt sehr melancholisch und romantisch. Habt ihr keine Angst, sie könnte kitschig werden?

Brandi: Unsere Instrumentalik setzt uns natürliche Grenzen. Sie macht nicht alle Klänge möglich. Psychologisch gesehen gibt es bestimmte Knöpfe, die man mit Musik drücken kann, damit alle eine Gänsehaut bekommen – ob sie wollen oder nicht. Diese Knöpfe sind uns zu blöd. Und deswegen ist es auch gut, dass wir das live kaum können. Dass es also an den Stellen, wo es im Radio wahrscheinlich fett aufgeblasen wäre, immer ein bisschen dürr und abstrakt klingt.

Pröllochs: Ein bisschen Kitsch ist auch okay. Es geht um die Dosierung und darum, was man womit kombiniert. Kitsch an sich ist nichts Schlechtes.

Ihr spielt inzwischen in vielen Ländern. Erlebt ihr da Unterschiede beim Publikum?

Brandi: Ja, die gibt es. Zum Beispiel reden die Leute in der Schweiz während der Konzerte viel. Man hat nicht das Gefühl, sie würden aufmerksam zuhören. Aber danach kommen dann ganz viele Komplimente.

Was erwartet ihr von Prag?

Brandi: Eines unserer schönsten Konzerterlebnisse hatten wir 2012 im Palác Akropolis, als die Leute mit uns „You’re a runner“ gesungen haben. Ich selbst habe mittlerweile eine persönlichere Beziehung zu Prag, da meine Schwester hier ein Jahr lang studiert hat. Manchmal habe ich sie besucht und bin mit ihr ein bisschen in die studentische Subkultur eingetaucht. Ich finde, die Stadt hat einen unzerstörbaren Zauber. Egal wie viele Touristen da rumlaufen, den kriegt man nicht kaputt.

Eines eurer neuen Lieder heißt „Prague I & II“. Was hat es mit dem Titel auf sich?

Brandi: Ich war einmal mit einer Freundin in Prag, der es sehr schlecht ging. Ich dachte, ich nehme sie mit, weil die Stadt auf mich immer so eine heilsame Wirkung hatte. Und dann würde alles gut. Aber so einfach war es natürlich nicht. Am Ende habe ich sie wieder in den Zug gesetzt und bin allein dageblieben. Ich habe mich damals sehr hilflos gefühlt. Gleichzeitig wusste ich auch, ich kann nichts mehr für diesen Menschen tun. Die dadurch entstandene Zeitlosigkeit und die Schönheit der Kulisse haben mich zu dem Lied inspiriert.

Warum heißt ihr nicht „Me and my Singer“ bzw. „Me & my Keyboarder“?

Pröllochs: Weil das nicht stimmen würde. Es ist schwer zu erklären, aber der Name passt einfach zu uns.

Me and My Drummer. Lucerna Music Bar, Sonntag, 17. April, 19.30 Uhr, Eintritt: 190–290 CZK, Informationen unter www.musicbar.cz