Ehre für den weltbesten Torjäger

Ehre für den weltbesten Torjäger

Josef Bican zieht in die „Hall of Fame“ des tschechischen Fußballs ein

2. 10. 2013 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: FAČR

Josef „Pepi“ Bican ist am Mittwoch vergangener Woche in die „Hall of Fame“ des Tschechischen Fußballverbandes (FAČR) aufgenommen worden. In Anwesenheit seines Sohns Ivan ließ man der österreichischen und tschechischen Sportlegende auf dem Vyšehrader Friedhof diese Ehre posthum zuteil werden. Bican wäre an jenem 25. September 100 Jahre alt geworden.

Die „Hall of Fame“ wurde erst 2006 ins Leben gerufen; neben Bican gehören ihr derzeit sechs Spieler sowie die Vizeweltmeistermannschaft von 1962 an. Auf der Liste stehen illustre Namen wie Antonín Panenka, František Veselý oder Josef Masopust. Der Experte denkt unweigerlich an die großen Zeiten des tschechoslowakischen Fußballs.

Josef Bican wurde 1913 als Sohn tschechischer Eltern in Wien geboren. Im Arbeiterviertel Favoriten wuchs der ehrgeizige junge Mann in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater František spielte erfolgreich beim Erstligisten ASV Hertha Wien. Nach einer Nierenquetschung, die sich dieser bei einem Meisterschaftsspiel zuzog, ließ er sich aus Angst vor einer Operation nicht behandeln. 1922 verstarb er an den Folgen – ein harter Schicksalsschlag für den jungen Josef. Es sollte nicht der einzige in Bicans persönlichem und beruflichem Leben bleiben.

Seinen sportlichen Werdegang verdankte Bican unter anderem Roman Schramseis, einen aufstrebenden Star bei Rapid Wien. Er sah als einer der ersten, welches Talent in Josef steckte und lud ihn ein, bei Rapid zu trainieren. Mit erst 17 Jahren debütierte Bican in der ersten Mannschaft der Hütteldorfer. Es folgte ein rasanter Aufstieg, der den Stürmer bis ins österreichische Nationalteam führte, für das er 1934 an seiner einzigen WM teilnahm. Dort beendete eine 0:1-Niederlage im Halbfinale gegen den Gastgeber aus Italien die ambitionierten Träume des „Wunderteams“ mit Spielern wie Matthias Sindelar oder Friedrich Gschweidl. Auch wenn es aus heutiger Sicht etwas überrascht, der österreichische Fußball war in den dreißiger Jahren sowohl auf Nationalmannschafts-, als auch auf Klubebene an der europäischen Spitze: Spieler vom Format eines Bican oder Sindelar waren bereits damals Profis, Rapid und Austria Wien gehörten zu den besten Vereinsmannschaften des Kontinents.

Die Attraktion der Liga
Zu dieser Elite zählte auch Slavia Prag. Der Klub aus der tschechoslowakischen Hauptstadt wollte den verlorenen Sohn Bican zurück in die Heimat holen. In der Tat fühlte sich Josef eher als Tscheche denn als Österreicher. Nach langem Hin und Her konnte Slavia den Superstar verpflichten, und das für 150.000 Kronen, einer für damalige Verhältnisse astronomisch hohen Summe, die nach heutigem Gegenwert mehreren Millionen Euro entspräche.

Ursprünglich sollte Bican bereits kurz nach der WM zu den Rot-Weißen stoßen. Allerdings warfen ihm die Rapidler Vertragsbruch vor. Es folgte ein jahrelanger Rechtstreit mit mehreren Spielsperren und einem Wechsel zu Admira Wien, ehe Bican im Jahr 1937 endlich bei Slavia unterschreiben konnte. Dort avancierte er zur großen Attraktion der tschechoslowakischen Liga. 1938 gewann er mit Slavia den Mitropa-Pokal, die wichtigste Trophäe im kontinentaleuropäischen Vereinsfußball. Im selben Jahr lief er für die tschechoslowakische, und nicht mehr für die österreichische Nationalmannschaft auf. Die WM 1938 verpasste er allerdings.

Es folgten die düsteren Jahre des Zweiten Weltkrieges. Obwohl sich Bican zu jener Zeit in der Form seines Lebens befand, war er dazu verdammt, in der kleinen Liga des Protektorats Böhmen und Mähren zu spielen. Internationale Vergleiche blieben aus. Ein Angebot, für das Großdeutsche Reich aufzulaufen, schlug er mutig ab. Bican war keiner, der sich verbiegen ließ, auch wenn ihm das Unannehmlichkeiten einbrachte.

Nach dem Krieg blieb er seiner Linie treu. Einem Wechsel zu Juventus Turin sagte er auch aus ideologischen Gründen ab – er fürchtete eine kommunistische Machtübernahme in Italien. Ironie der Geschichte: Dieser folgte bald in seiner Heimat und nicht in Italien. Die letzten Jahre in Bicans Fußballerkarriere waren geprägt von Streitigkeiten mit seinen Arbeitgebern, erzwungenen Vereinswechseln und der Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Machtapparat, von dem er sich unter keinen Umständen vereinnahmen lassen wollte. Seine letzten Partien als Aktiver absolvierte er 1956 in der Funktion des Spielertrainers von TJ Dynamo Prag, wie Slavia ab Mitte der fünfziger Jahre hieß, oder besser: heißen musste.

Es folgten verschiedene Trainerstationen in der ČSSR, ab 1968 sogar ein Auslandsengagement in Belgien. Anfang der siebziger Jahre kehrte Bican nach Prag zurück, wo er zurückgezogen mit seiner Familie im Stadtteil Holešovice lebte. Am 12. Dezember 2001 starb er im Alter von 88 Jahren an einem Herzinfarkt.

Stolz und Prinzipientreue
Sein fußballerisches Vermächtnis ist beeindruckend. Er soll in seiner Karriere zwischen 4.500 und 5.000 Tore erzielt haben, tatsächlich verbürgt sind 1.468. Das reichte immerhin, um 1997 von der Internationalen Organisation der Fußballhistoriker (IFFHS) die Trophäe für den „weltbesten Torjäger des 20. Jahrhunderts“ zu erhalten. Bican steht aus historischer Sicht auf einer Ebene mit Größen wie Pelé, Ferenc Puskás oder Franz Beckenbauer. Immer wieder wird von in- und ausländischen Experten darüber spekuliert, weshalb ihm ein entsprechender Ruhm nicht vergönnt war. Man kommt immer wieder zum selben Schluss: Bican erreichte die Spitze seines Könnens ausgerechnet während des Zweiten Weltkrieges. Wäre er zehn Jahre später geboren, würde man ihm heute auch international huldigen.

Aber das war nicht der einzige Grund. Bican blieb seinen Prinzipien stets treu – und musste deswegen einige Rückschläge ertragen. „Josef Bican war sowohl in den Tagen des Ruhms als auch in denen der Demütigung stets derselbe: stolz und standhaft. Dafür bezahlte er einen hohen Tribut. Der Name Bican lebt und steht auch für Heimatverbundenheit. Deswegen liegt er auch als einer der wenigen Sportler auf dem tschechischen Ehrenfriedhof in Vyšehrad“, sagte Rudolf Řepka, Generalsekretär des Tschechischen Fußballverbands bei der Ehrung. Josef „Pepi“ Bican hätten Řepkas Worte zweifelsohne gefallen.