Die Party-Queen

Die Party-Queen

DJ Ronica erobert die tschechische Szene im Eiltempo

29. 1. 2014 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: APZ

Als junges Mädchen stand sie auf vielen Tanzflächen. Und immer blickte Veronika Řeháková voller Ehrfurcht auf den Mann oben an den CD-Maschinen. „Er war für mich ein Gott“, erinnert sie sich. Deshalb reifte früh ein Wunsch: „Ich wollte immer einen DJ als Freund haben.“ Weil das nie in Erfüllung ging, ergriff sie die Ini-tiative. Veronika wurde einfach selbst DJane – in Tschechien eine rare Spezies.

In dieser Rolle legt sie gerade einen kometenhaften Aufstieg hin. Anfang Februar geht Veronika als DJ Ronica auf Tournee durch die Republik. Ihr Highlight: Am 19. Mai tritt sie im Prager Roxy Club auf. „Darauf warten Discjockeys oft zehn Jahre“, erklärt sie. Veronika hat es bereits nach einem Jahr geschafft.

Für die 30-Jährige nicht nur eine große Chance. „Es ist der Lohn für harte Arbeit“, fasst sie zusammen. Regelmäßiges Training mit ihren Playern und dem Mix-Gerät, stundenlanger Check aktueller und alter Songs im Internet, sorgfältige und exakte Beobachtung von Produzenten und berühmten DJs, Hören und Downloaden der wichtigsten Lieder, die Zusammenstellung eigener CDs – Veronika Řeháková hat rangeklotzt, damit ihr Traum Wirklichkeit wurde.

Dazu jeden Sonntag „Übungseinheiten“ mit ihren eigenen Tracks in der Pekelnej Bar im fünften Prager Stadtbezirk. „Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man die Musik über Kopfhörer hört, im eigenen Wohnzimmer, in der Atmosphäre eines Clubs, bei einem Open Air oder einem Festival“, erzählt sie, „das sind immer ganz unterschied-liche Sounds.“

Am Mischpult lebt die attraktive Blondine auf. Hoch über dem tanzenden Volk gibt sie sich selbst ihren Tönen hin. Vor ihr liegt etwa ein Dutzend CDs in verschiedensten Farben. „Auf den roten ist House, auf den schwarzen Techno und so weiter“, führt sie aus.
Ihr Auftritt ist niemals exakt geplant. „Musik kann man nicht vorbereiten“, dies hat sie nach einem anfänglichen Misserfolg gelernt. „Für mein erstes Open Air hatte ich hart gearbeitet und mich bestens vorbereitet, dann kam der Veranstalter und machte mich zur Schnecke, weil der Sound eben draußen anders klang als bei mir zuhause“, denkt sie zurück. Dieser Tag war auch noch ihr Geburtstag. Nun hört sie auf die Stimmung im Publikum und entscheidet dann, was sie spielt.

Ein gewisses Feeling
Auch DJ Ronica startete ihre Karriere mit Disco und House, populären Klängen also, die man überall hören kann. Bald suchte sie jedoch nach anderen Musikrichtungen. „Ich mag Techno, aber nicht so hart, wie ihn früher die berühmte deutsche DJane Marusha präsentierte“, erläutert sie, „also nicht nur bum-bum-bum, für mich kommt es auch auf die Melodie an.“ Ihr Ziel ist, einen eigenen Stil zu kreieren. „Dafür benötigt man ein gewisses Feeling“, beschreibt sie die Aufgabe. Tritt sie vor Publikum auf, beginnt sie mit „Happy Music“ für die Tanzfläche. Nach einer halben Stunde aber geht die Techno-Post ab.

Dass ihr Stil nicht den Geschmack des Publikums treffen könnte, befürchtet sie nicht. „Bei der Tournee gehe ich nur an Plätze, die ich mag und wo ich selbst Gast war. Und dorthin kommen Leute, die Musik mögen, die auch mir gefällt“, blickt sie voraus. So war sie auch schon Resident-DJane auf dem bekannten Festia Open Air im Stadtteil Braník.

Veronika Řeháková stammt aus der Nähe von Hradec Králové. Zu ihrem Job kam sie so spät, weil ihr Vater darauf bestand, dass seine Tochter etwas Anständiges lernen soll. Also besuchte sie eine Schule für Mode-Designer. Den Beruf übte sie allerdings keine Minute lang aus. Denn die junge Veronika wollte viel lieber Friseurin werden. „Mein erster Traum vor dem DJ-Traum“, lacht sie. Das kam für ihren Vater, früher General in der Armee, schon gar nicht Frage.

Musik lag ihr von frühester Jugend im Blut. „Als Jugendliche spielte ich sieben Jahre lang Klavier“, erzählt sie, „außerdem habe ich lange gesungen.“ Mit 18 Jahren besuchte sie oft Partys. Da reifte der Plan, dort eines Tages selbst für Sound und Stimmung zu sorgen. Also kaufte Veronika einem DJ in Ostrava eine gebrauchte CD-Anlage ab – und ließ sie sieben Jahre lang zu Hause ungenutzt stehen. Denn sie wusste nicht, wie man damit fachmännisch umgeht. Und es fand sich niemand, der sie darauf schulte.

Erst als die junge Frau vor vier Jahren nach Prag kam, forcierte sie mit Nachdruck ihr Wunschziel. Sie traf DJs, veranstaltete Haus-Partys und forderte die Fachkundigen unter den Gästen auf, ihr die Technik beizubringen. So absolvierte sie ein regelrechtes Training an ihren Maschinen. „Ich hatte es mir einfacher vorgestellt“, gibt sie mittlerweile zu.

Schweißtreibende Arbeit
Tatsächlich scheint es für Laien so, als ob ein DJ lediglich ein Lied an das andere reiht. Für Profis ist es jedoch schweißtreibende Arbeit, die umfangreiche Fachkenntnis und höchste Konzentration erfordert. „Du hast zwei Player und zwei Songs, die musst du so exakt und sauber mixen, dass keinerlei Differenzen und Unterbrechungen entstehen“, bringt Veronika die Anforderungen auf einen einfachen Nenner. Damit dies professionell gelinge, müsse man „Musik verstehen und genau hören“ können.

Schwierig wird es zum Beispiel, wenn ein schneller und ein langsamer Song zusammengefügt werden sollen. Wo sind fließende Übergänge möglich? „Ich war entsetzt, welche Fehler ich dabei anfangs gemacht habe“, lacht sie heute. So erstaunt nicht, dass sich Veronika Řeháková als Künstlerin sieht. Sie spult nicht wie ein DJ in einer Disco viele CDs die ganze Nacht lang ab, sondern gestaltet Partys in einer Reihe mit anderen DJs. Gastauftritte also, bei denen sie etwa eine Stunde lang ein eigenes Musikprogramm serviert. Mit Zugaben auch etwas länger. Und immer auf Einladung von Clubbetreibern oder Festivalveranstaltern.

Freunde luden sie vor genau einem Jahr dazu ein, in einer Cocktail-Bar nahe dem Nationalmuseum erstmals selbst CDs aufzulegen. Nun hat sie sich etabliert. Ihre Tournee durch mehrere Städte ist der Beweis dafür.

Damit tritt sie langsam in die Spuren einer berühmten Vorgängerin: Lucie Kvasnicová alias DJ Lucca war jahrelang die berühmteste DJane Tschechiens, beschäftigt von einer Agentur, ausgestattet mit einem eigenen Studio und ab 2004 sogar mit einem eigenen Label. „Sie hat nun zwei kleine Kinder, um die sie sich hauptsächlich kümmern muss“, berichtet Veronika. Da tut sich möglicherweise eine Marktlücke auf, die sie schließen könnte. Als potentielle Nachfolgerin sieht sie sich auf jeden Fall. „Es gibt in Tschechien zwar viele DJs, aber nur wenige DJanes und fast keine, die Techno in dem Stil spielt wie zuletzt Lucca oder nun ich“, weiß Veronika um Wert und Chance für die Zukunft.

Im Dezember 2008 veröffentlichte DJane Lucca ein Debut Artist Album. Auch Veronika bastelt bereits an eigenen Projekten: „Ich lerne gerade, wie ich meine eigene Musik produzieren kann.“ Ein befreundeter Produzent unterstützt sie darin. Nicht ganz einfach und nicht ganz billig, zuweilen muss sie dafür Songs von Musikern aufkaufen. Doch es besteht die Hoffnung, dass sie später ihre eigene Musik verwerten kann. Wie sie ankommt, testet Veronika weiterhin in dem Club in Smíchov. „Lieber erst an einem kleinen Platz als sofort auf einer großen Party“, lautet ihr Motto.

Coolness vs. Gesundheit
DJs und DJanes arbeiten nur zu nachtschlafender Zeit, ihr berufliches Umfeld ist besonders laut. In Fabriken ruft solch eine Dezibel-Belastung den Arbeitsschutz auf den Plan, der umgehend Gegenmaßnahmen ergreift. Auch Kunst ist zu einem gewissen Teil Handwerk. Ein DJ braucht gute Finger und Hände. „Und ein gutes Gehör“, ergänzt Veronika.

Der renommierte deutsche DJ Hans Nieswandt beschrieb 2002 in seinem Buch „plus minus acht“ auch riskante Frequenzen. „Ich hatte meine Ohren nie untersuchen lassen, aus Angst, es könnte etwas festgestellt und mir ärztlich verboten werden, weiter aufzulegen“, notierte der welterfahrene Kölner. Seine tschechische Kollegin weiß ebenfalls um dieses Problem. „Einmal rauschte es bei mir schon“, sagt Veronika. Doch auch für sie gilt, was Nieswandt so notierte: „Es scheint da eine Art unausgesprochener Übereinkunft unter DJs zu geben, dass Ohrenstöpsel einfach nicht cool sind.“

Wie die meisten Künstler plagt auch DJ Ronica vor jedem Auftritt Lampenfieber. „Dann fühlt man jedoch sehr gut, was man tut“, sieht sie darin sogar einen Vorteil, „wenn man nicht nervös ist, fühlt man nichts!“ Dank ihrer extrovertierten Art bekam Veronika Řeháková auch schon kleinere Filmrollen, in Komödien und einer Serie über spektakuläre Kriminalfälle im tschechischen Fernsehsender ČT1. Dazu verhalf ihr eine Casting-Agentur. „Anscheinend habe ich Talent“, so Veronika.

Sie sagt dort aber nur zu, wenn ihr die Aufgabe besonders viel Spaß macht. Denn die Schauspielerei ist nicht ihr großer Traum. Den verwirklicht sie in den nächsten Wochen andernorts: in langen Clubnächten und auf heißen Festival-Bühnen.

Ausgewählte Tournee-Stationen von DJ Ronica: 6.2. Club Duplex, Prag; 21.2. Magnum Club, Prag; 22.2. Staré lázně, Kolín; 21.3. Storm Club, Prag; 5.4. WarmUp Festia, Liberec; 19.5. Roxy Club, Prag. Außerdem legt sie sonntag-abends oft in der Pekelnej Bar (Na Bělidle 38, Prag 5) auf.