Die Leichen des Solar-Booms

Die Leichen des Solar-Booms

In der Energie-Regulierungsbehörde sollen Preise manipuliert worden sein

6. 2. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: flickr/egonDOT

Ehemalige Mitarbeiter der tschechischen Energie-Regulierungsbehörde (ERÚ) sollen die Garantiepreise für Solarstrom illegal in die Höhe getrieben haben. Dies geht aus einem Wirtschaftsprüfungsbericht hervor, den die Behördenchefin Alena Vitásková in Auftrag gegeben hat. Demnach könnte ein Schaden in zweistelliger Milliardenhöhe entstanden sein. „In dem Prüfbericht wird festgestellt, dass die Preise höher festgesetzt wurden, als das Gesetz vorgab“, so Vitásková, die den Vorgang an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet hat. Diese ermittelt gegen unbekannt.

Solar-Boom durch lukrative Preise
Die 2001 gegründete staatliche ERÚ ist ein Ergebnis des damals verabschiedeten neuen Energiegesetzes. Die Behörde fungiert einerseits als Wettbewerbshüterin auf dem Energiemarkt, andererseits betreibt sie aktive Preispolitik, indem sie die Sätze der regulierten Energiepreisbestandteile festlegt. Sie bestimmt selbstständig die Höhe des vom Staat garantierten Einkaufspreises für Solarstrom. Für Photovoltaik-Investoren fielen sie auch im internationalen Vergleich sehr großzügig aus. Zusammen mit dem erheblichen Preisverfall für Solarmodule führte dies in den Jahren 2009 und 2010 zu einem Solar-Boom in Tschechien.

Allerdings profitierten davon vor allem Großinvestoren, die massenweise Solarmodule in der böhmisch-mährische nLandschaft aufstellten und den dort produzierten Strom direkt zurück ins Netz leiteten, wofür sie die staatlich garantierte Einspeisevergütung erhielten. Der eigentliche Zweck der Subvention, nämlich Solarenergieproduzenten zu unterstützen, die sich mit dem Strom zumindest teilweise selbst versorgen, wurde nur marginal erfüllt: Der Anteil der Selbstversorger liegt bei rund acht Prozent, im Ausland sind es in der Regel über 50 Prozent. Im Laufe der Jahre 2009 und 2010 belastete die Solar-Subvention den Staatshaushalt so sehr, dass in Prag die Notbremse gezogen werden musste. Im Januar 2011 wurde die Einspeisevergütung um 50 Prozent gedrosselt und Solarstrom rückwirkend ab 2009 mit einer 26-prozentigen Steuer belegt.

Der aktuelle Prüfbericht legt nun den Verdacht nahe, dass die sowieso schon ungewöhnlich hohen Garantiepreise von Mitarbeitern der ERÚ bewusst weiter erhöht wurden. Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass sich bestimmte Beamte im Zuge der Wirtschaftsprüfung äußerst unkooperativ zeigten: „Als die für die Preisfestlegung verantwortlichen Mitarbeiter anfingen, die Wirtschaftsprüfung intensiv zu sabotieren, kam in mir der Verdacht auf, dass einiges nicht in Ordnung ist“, sagte Behördenchefin Vitásková. Die fraglichen Mitarbeiter wurden laut Vitásková mittlerweile entlassen. 

Merkwürdige Passivität
Wer genau von dieser offenbar gesetzeswidrigen Preispolitik profitierte, ist noch unklar und wird voraussichtlich Gegenstand der staatsanwaltlichen Ermittlungen sein. Dass es bei der Subventionspolitik für erneuerbare Energien nicht mit rechten Dingen zugeht, ist allerdings ein Verdacht, der schon länger im Raum steht. Bereits im Juli 2011 berichtete das Nachrichtenmagazin „Respekt“ unter dem Titel „Der große Solar-Raub“ über verdächtige Vorgänge innerhalb der Branche. So soll unter anderem die Vergabe von Lizenzen zum Betreiben von Solaranlagen manipuliert gewesen sein. Das Fazit der „Respekt“-Autoren: Das ganze System des boomenden Solar-Business war darauf ausgerichtet, dass die großen Energiekonzerne den Markt kontrollieren. Denn ein dezentraler, funktionierender Solarmarkt könnte eine gefährliche Konkurrenz für die Kernenergie bedeuten, die im Zusammenhang mit dem milliardenschweren Temelín-Ausbau für den staatlichen Energiekonzern ČEZ von existenzieller Bedeutung sei.

Aufzuklären wäre in dieser Affäre auch die Rolle der Politik. Denn ermöglicht hat das Solarfiasko ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz, in dem unter anderem festgelegt war, dass die staatlichen Garantiepreise für Solarstrom jährlich höchstens um fünf Prozent sinken dürfen. Diese Regelung machte es dem Staat unmöglich, mit angemessenen Preisen auf den Solarboom zu reagieren. Trotz Warnungen, die bestehende Regelung könnte zu Subventionsausgaben in dramatischer Höhe führen, blieb das Gesetz bis Ende 2010 unangetastet. Im Licht der aktuellen Enthüllungen fordern Branchenvertreter dieser merkwürdigen Passivität der damaligen Politiker nachzugehen: „Über die Gründe, warum die Politik nicht rechtzeitig auf diese Fehlentwicklung mit Gesetzesmaßnahmen reagierte, kann man derzeit nur spekulieren. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich mögliche Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft“, sagte Miloš Cihelka, Sprecher des Tschechischen Photovoltaik-Industrieverbandes CZEPHO.