Die Jungen müssen es richten

Die Jungen müssen es richten

Die tschechische Nationalmannschaft geht personell geschwächt in die Quali-Spiele gegen Kasachstan und Lettland

3. 9. 2015 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: Ralf Roletschek, CC BY-SA 3.0

Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit eine ganze Fußballnation: Wer ersetzt Tomáš Rosický im zentralen Mittelfeld? Der Kapitän der Nationalelf fällt sowohl für das EM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan am Donnerstag in Pilsen als auch für die Begegnung gegen Lettland am Sonntag in Riga wegen einer Knieverletzung aus. Obwohl sich der Spieler von Arsenal London bereits im Spätherbst seiner Karriere befindet, sind sich hierzulande Experten wie Fans einig: Rosický ist der Denker und Lenker des tschechischen Spiels. Ein Profi seiner Klasse lässt sich nicht gleichwertig ersetzen. Zumindest nicht von Tschechiens Nationalteam anno 2015.

„Ich bin zwar der Meinung, dass unsere Liga in den vergangenen Jahren kontinuierlich stärker geworden ist – deshalb stehen auch 13 von 23 Nominierten bei tschechischen Vereinen unter Vertrag. Allerdings verfügen wir nicht mehr über diese Fülle internationaler Top-Spieler wie noch vor 15 Jahren“, analysierte Nationaltrainer Pavel Vrba am Montag seinen Kader für die kommenden wegweisenden Partien.

Tschechien startete im Herbst 2014 fulminant in die EM-Qualifikation. Mit vier Siegen aus vier Spielen sah alles nach einem Durchmarsch aus. Danach folgten im Frühling ein peinliches Unentschieden zuhause gegen die Letten und die Niederlage gegen kampfstarke Isländer im hohen Norden. Nach sechs von zehn Spielen liegt das Team mit 13 Punkten auf Rang zwei der Gruppe A, zwei Zähler hinter den Skandinaviern und drei vor dem WM-Dritten aus den Niederlanden. Die Rechnung ist nun ziemlich einfach: Aus den Duellen gegen die Außenseiter aus Zentralasien und dem Baltikum müssen zwei Siege her, um eine gute Ausgangslage für die schwierigen letzten Aufgaben im Oktober gegen die Niederlande und die Türkei zu schaffen. Doch ausgerechnet jetzt fehlt Rosický mit seinen Geniestreichen, die vor allem gegen die extrem defensiv stehenden Kontrahenten wichtig wären. Aber nicht nur der Kapitän muss passen, auch weitere Schlüsselspieler wie Václav Pilař, Jaroslav Plašil oder Lukáš Vácha sind aus Verletzungsgründen nicht nominiert worden. „Ich bin aber überzeugt, dass es unsere Jungen aus der Synot Liga richten können“, gibt sich Vrba kämpferisch.

Als Rosický-Ersatz kommen mehrere Möglichkeiten in Frage. Da es keinen einzelnen Spieler gibt, der die Rolle des 34-Jährigen übernehmen kann, müssen die ganze Offensivabteilung umgestellt und jüngere Profis eingesetzt werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die beiden Sparta-Prag-Profis Ladislav Krejčí (23) und Bořek Dočkal (26) für Druck vor dem gegnerischen Tor sorgen. Dahinter dürfte Ondřej Vaněk (25) von Meister Pilsen anstelle von Vácha das defensive Mittelfeld ordnen. Gut möglich ist es außerdem, dass mit Jiří Skalák (23/Mláda Boleslav) und David Pavelka (24/Slovan Liberec) zwei Nachwuchshoffnungen von Vrba ins kalte Wasser geworfen werden. Der 51-jährige Coach ist bekannt für mutige taktische Lösungen, die unkonventionelle Personalentscheidungen nach sich ziehen.

Die wilden Spekulationen um die Aufstellung befeuert Vrba mit weiteren Aussagen zum tschechischen Vereinsfußball. „Zuletzt haben mit Sparta, Pilsen und Liberec gleich drei tschechische Klubs die Gruppenphase der Europa League erreicht. Das ist außergewöhnlich gut und spricht für die Qualität der Liga, die viele unterschätzen.“ Besonders hebt er Jiří Skalák hervor. Zuletzt sorgte der Flügelstürmer bei der U21-EM im Juni für spielerische Glanzlichter. „Er ist ein Offensivfußballer, der sich mit starken Dribblings in Eins-gegen-Eins-Situationen durchsetzen kann. So etwas ist enorm wichtig“, führt Vrba seine Überlegungen aus, die eines klar machen: Seinen Weg mit Jungnationalspielern will er unbeirrt fortsetzen.

Alte Verdienste oder die Verbundenheit zu ehemaligen Weggefährten aus Pilsener Zeiten wie Petr Jiráček (nun bei Sparta und nicht im Aufgebot) oder den 29-jährigen Routinier Daniel Kolář garantieren nun keinen Stammplatz. Dennoch werden mit Petr Čech im Tor, Tomáš Sivok in der Innenverteidigung und David Lafata als Sturmspitze drei erfahrene Spieler eine stabile Achse bilden. Und dem gerade sehr überzeugenden Dočkal trauen viele zumindest die mentale Führungsrolle im Mittelfeld zu. Spielerisch braucht er die Unterstützung seiner jungen Kollegen, zumindest bis im Oktober hoffentlich wieder Tomáš Rosický das Zepter übernimmt.