Die EWIGEN Zweiten

Die EWIGEN Zweiten

Der Fußballverein Slavia Prag feiert 120-jähriges Bestehen

30. 1. 2013 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: Archiv SK Slavia Prag

„Slavia ist ewig!“ Der Schlachtruf des Fußballvereins SK Slavia Prag hat etwas Sakrales. Seit 120 Jahren existiert Slavia – dem Geburtstag wurde vergangenen Sonntag im Prager Nationaltheater in einem Gala-Abend mit viel Pomp gedacht. Nicht Opernsänger oder Theaterschauspieler standen auf der Bühne des prestigeträchtigen Hauses, sondern renommierte Kicker und Fußballfunktionäre. Klub-Legenden wie Ivo Knoflíček, Radek Bejbl oder die bald 80-jährigen Vizeweltmeister Josef Kadraba und Jan Lála waren genauso anwesend wie „Portugals Beckenbauer“ Eusebio oder Frankreichs Star Christian Karembeu.

Nationaler Mythos
All diese Gäste verbindet ein Stück Sportgeschichte – die Geschichte eines der ersten Sportklubs Böhmens und Mährens. Im November 1892 gründeten Studenten die „Akademische Radfahrabteilung des Literaten- und Rhetorikkreises Slavia“ („Akademický cyklistický odbor při Literárním a řečnickém kroužku Slavia“). Mit Fußball hatte diese freilich noch nicht viel am Hut. Das gesellschaftliche Phänomen eines Vereins, der sich primär zwecks Ausübung körperlicher Ertüchtigung gründete, war in jener Zeit noch weitgehend neu. Nicht zuletzt deshalb waren die österreichischen Eliten skeptisch. Wegen „nationaler Tendenzen“ wurde der Verein im Oktober 1894 verboten.

Gewiss waren zahlreiche Mitglieder patriotisch gesinnt, als Tarnung für politische Agitation konnte man die Gesellschaft allerdings kaum bezeichnen. Zudem schossen in jener Zeit der „nationalen Wiedergeburt“ Klubs aller Art wie Pilze aus dem Boden. Selbst Hobbysportler waren damals ein politisches Problem aus Sicht der um Hegemonie bangenden Habsburger. Bereits ein halbes Jahr später ging aus der Vereinigung der „Sportklub Slavia“ („Sportovní klub Slavia“) hervor. Die ersten Fußballer streiften sich jedoch erst 1896 ein rot-weißes Leibchen über, um der ledernen Kugel hinterherzujagen, drei Jahre später als der spätere Erzrivale Sparta – vielleicht ein Omen für Slavias späteren Ruf vom ewigen Zweiten in der neueren Tschechischen Liga.

Schon 1893 hatten sportbegeisterte Arbeiter den AC Královské Vinohrady ins Leben gerufen, aus dem der Fußball-Verein Sparta Prag hervorging. In den Pionierzeiten des Sports bahnte sich die Rivalität zwischen den beiden Klubs an. Lange Zeit hatte dabei mehrheitlich Slavia die Nase vorn. In den ersten Jahrzehnten seiner Existenz war der Klub, der vor allem beim städtischen Bürgertum und der Intelligenzia beliebt war, der erfolgreichste des Landes. Er reihte Meisterschaft an Meisterschaft und errang auch international Anerkennung.

Düstere Zeiten
Während der Zeit des Protektorats gewann Slavia vier Titel in Folge. 1947 konnte man den Meisterpokal der wiederhergestellten Tschechoslowakei in die Höhe stemmen – es sollte für lange Zeit das letzte Mal sein. Im Zuge der sozialistischen Machtübernahme 1948 wurde auch die Welt des Sports in die Planungen der alles dominierenden kommunistischen Partei miteinbezogen. Der Militärsportverein ATK, später Dukla Prag, wurde gegründet. Er sollte in sowjetischer Manier der Vorzeigeverein des Landes werden. Dafür wurden allen anderen Teams die besten Spieler entzogen. Slavia verlor auf einen Schlag mehrere Stammkräfte, die teilweise auch in der Nationalmannschaft eine wichtige Rolle einnahmen.

Es folgten düstere Jahre: die erzwungene Namensänderung – in DSO und TJ Dynamo – sowie der Wechsel der Vereinsfarben in Blau-Weiß. In jener Zeit war der legendäre österreichisch-tschechoslowakische Stürmer Josef „Pepi“ Bican Spieler sowie Trainer des Teams. Differenzen mit den Machthabern führten immer wieder zu Schikanen und Diffamierungen. Slavia beziehungsweise Dynamo Prag war als bürgerlicher Klub verschrien und hatte einen schweren Stand in der ČSSR. Sportlich sollte der Klub während der Epoche des Sozialismus keine tragende Rolle spielen.

Diesen Umständen wurde auch bei der Feier im Nationaltheater gedacht. Der Vorsitzende des Tschechischen Fußballverbandes Miroslav Pelt verurteilte die Diskriminierung Slavias und speziell Bicans und will sich darum bemühen, den Spieler in die Fußball-„Hall of Fame“ des Landes aufzunehmen. Es war einer der emotionalsten Momente der Veranstaltung, die die Geschichte des Klubs Revue passieren ließ. Bicans Sohn Ivan erinnerte sich: „Meine Eltern waren eng mit Slavia verbunden. Und das trotz der harten Verfolgung durch das kommunistische Regime – einer Zeit, in der mein Vater nicht mehr Mitglied von Slavia sein durfte. Genauso durften auch wir als Kinder dem Klub nicht beitreten. Bei uns zu Hause aber war Slavia unantastbar.“

Trotzdem brachte der Verein immer wieder Top-Athleten aus seinen Reihen hervor. Der Vizeweltmeister von 1962 Jan Lála hielt dem Klub auch in den schwierigen sechziger Jahren die Treue. In den Achtzigern war Ivo Knoflíček nicht nur wegen seiner typischen „Vokuhila“-Frisur eine prägende Figur des Teams. Deutschen Fußballfans dürfte er auch aus seiner Zeit beim FC St. Pauli ein Begriff sein.

Junge Legenden
Der Erfolg kam mit der Teilung der Tschechoslowakei zurück, die auch die Teilung der Fußball-Liga bedeutete. Spieler wie Radek Bejbl, Jan Suchopárek, Vladimír Šmicer oder Karel Poborský brachten viel spielerischen Glanz und 1996 den Meisterpokal zurück in den Stadtteil Vršovice, wo Slavia sein Stadion hat. Im gleichen Jahr waren es auch jene, die ihr Nationalteam bei der Europameisterschaft in England bis ins Finale führten, wo man unglücklich gegen Deutschland verlor. Šmicer war beim Gala-Abend einer der prominentesten Vertreter der jüngeren Klub-Legenden, ebenso der 36-jährige, noch aktive Stürmer-Star Stanislas Vlček. „Zusammen mit solchen Größen wie zum Beispiel Bican oder Frantíšek Plánička in der Historie des Vereins aufgeführt zu werden, ehrt mich natürlich sehr. Aber ich denke nicht, auf dieser Stufe zu stehen, nur weil ich vor 15 Jahren mal zwei Tore gegen Ajax Amsterdam geschossen habe“, so Vlček gegenüber dem Tschechischen Staatsfernsehen. Es waren damals immerhin die Tore zum 2:1-Sieg gegen den amtierenden Champions-League-Sieger.

Gegen den Rivalen Sparta zog Slavia in seiner fußballerischen Neuzeit dennoch oft den Kürzeren. Neun Mal musste Slavia als Vizemeister Sparta den tschechischen Titel überlassen, zwei Mal gewann man selbst. Von solchen Erfolgen ist der Verein zur Zeit weit entfernt. Der Klub kämpft mit finanziellen Problemen, unklaren Besitzerstrukturen und dem sportlichen Mittelmaß. Platz elf der Gambrinus-Liga belegt Slavia im Moment. Zumindest bestreitet man im Stadion Eden-Park seine Heimspiele in der modernsten Spielstätte des Landes. Aber an diesem Jubiläumsabend lag der Akzent auf den schweren und heldenhaften Zeiten  – vielleicht hält Slavia nicht ewig, aber aus der Fußball-Szene des Landes ist der Klub nicht wegzudenken.