Der optimale Wurf
Vor drei Jahren gründete der slowakische Ex-Basketball-Nationalspieler Julian Betko in Prag die „Get Better Academy“. Seither trainieren hier rund 30 Jugendliche aus aller Welt bis zu dreimal täglich
24. 2. 2016 - Text: Stefan WelzelText und Fotos: Stefan Welzel
Die roten Bälle fallen im Sekundentakt durch das Netz. Unten fängt sie eine Maschine ein, um sie kurz darauf mit Schwung wieder auszuspucken. Sie landen in den talentierten Händen von Miloš, Diamond, Đorđe oder Yoro, die gerade ein anderthalbstündiges Intensiv-Wurftraining absolvieren. Die 16- bis 19-Jährigen, die an diesem Nachmittag in einem unscheinbaren Sportkomplex in Prag-Stodůlky Körbe werfen, gehören mit zu den besten Nachwuchsbasketballern Europas.
Sie sind Studenten der „Get Better Academy“ von Julian Betko, die es sich seit 2013 zur Aufgabe macht, begabten Heranwachsenden den Weg an die Spitze ihres Sports zu ebnen. Mindestens genauso wichtig wie das intensive Trainingsprogramm sind dem Team des 32-jährigen Slowaken Betko eine ganzheitliche Ausbildung und anspruchsvolle schulische Förderung. „Sie sollen, falls es mit der Profikarriere nicht klappt, dank einem international anerkannten mittleren Schulabschluss studieren können und dann eben etwas anderes aus ihrem Leben machen“, erklärt der ehemalige Nationalspieler, der der Akademie als Direktor und vier Vollzeittrainern als Headcoach vorsteht.
Betko hat acht Jahre lang in den USA gelebt, wo er erfolgreich College-Basketball spielte und von wo er den sportlichen Ehrgeiz sowie die selbstbewusste Mentalität der Amerikaner mit nach Prag brachte. Ein finanzkräftiger Gönner half ihm, seine Idee einer Talentschmiede auf die Beine zu stellen. „Das ist eine private Institution. Unser Projekt wird von Sponsoren tatkräftig unterstützt. Der tschechische Verband stellt uns leider keine Mittel zur Verfügung“, so Betko. Über die Gründe kann er nur mutmaßen. „Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir viele Spieler aus anderen Ländern bei uns haben. So denken sie, die Einheimischen kämen zu kurz. Dabei haben wir auch viele Tschechen in der Akademie, sogar sechs Jugendnationalspieler befinden sich darunter.“
Betko spricht fast akzentfrei amerikanisches Englisch. Die Zeit in den Vereinigten Staaten hat ihn offensichtlich geprägt. Ehrgeiz und Leistungsdenken sind tief verwurzelt. Er nimmt die selbst definierte Aufgabe, seinen Jungs die Möglichkeit zu geben, „sich ständig und fortlaufend zu verbessern“ mit vollem Einsatz wahr. Seine Arbeitstage beginnen, wie für alle anderen auch, um 5.30 Uhr mit dem gemeinsamen Frühstück und enden oft erst am späten Abend. „Das ist ein 24-Stunden-Job“, wie es Norbert beschreibt, einer der drei anderen Übungsleiter, die an diesem Nachmittag das Training mitgestalten. Das sei hart, aber auch befriedigend und ein Traumjob, so der erst 23-jährige Slowake.
Jeden Tag etwas besser
Auch die anderen beiden Trainer, Ivan aus Serbien und German aus den USA, sind noch keine 30 Jahre alt. Das Training wird von ihnen immer wieder von lauten „Let’s go“- und „c’mon guys“-Rufen begleitet. Englisch ist an der Akademie Unterrichtssprache. Zwischendurch nehmen sie einen der insgesamt sechs Jugendlichen zur Brust und machen Bewegungsabläufe vor oder geben technische Tipps für den optimalen Wurf. Miloš und Đorđe wurden von ihrem Landsmann Ivan an die Akademie vermittelt. „Unser Scouting-System besteht aus persönlichen Kontakten und dem guten Ruf, den wir uns gerade aufbauen“, erklärt Betko. „Im Idealfall kommen die Scouts und Manager mit ihren Talenten zu uns, um sie hier ausbilden zu lassen.“
Die Schule kostet pro Teilnehmer rund 12.000 Euro im Jahr. Die Kosten tragen Eltern, Sponsoren und – sofern vorhanden – das Management des jungen Athleten. Zur Zeit sind 26 Spieler an der Akademie, 16 davon sind vor Ort untergebracht. Ihr Leben besteht fast ausschließlich aus Basketball und Schule. „Wer hierherkommt und denkt, er ist zum Spaß hier, liegt falsch. Trinken, rauchen, sich prügeln – das alles ist tabu“, so Betko. Der Fokus liege ganz auf der Leistung und der täglichen Steigerung. Dieses Credo scheinen Betkos Schüler bereits verinnerlicht zu haben. Wie alte Hasen im Umgang mit den Medien zeigen sie sich im Gespräch demütig, lernwillig und fokussiert. Bei der Frage, was ihm hier in der Akademie am besten gefalle, antwortet der 19-jährige Diamond aus Barcelona: „Die herausragende Betreuung. Anderswo trainiert man stets im großen Team, hier werde ich ganz gezielt und individuell gefördert.“ Sein Wunsch ist einfach: jeden Tag besser und irgendwann Profi werden. Er ist der einzige, der die drei magischen Buchstaben im Leben eines Basketballer nicht ausspricht. Die nordamerikanische Topliga NBA bezeichnen sonst alle als das Ziel, von dem sie träumen.
Der Traum von der NBA
Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Die frühe Trennung vom gewohnten familären Umfeld ist der erste, harte Schritt. „Klar habe ich am Anfang die Familie vermisst. Aber wir leben in guter Kameradschaft zusammen und Prag ist eine tolle Stadt“, erzählt der 18-jährige Miloš. Obwohl sie vermutlich nicht sehr viel vom bunten Leben in der Millionenmetropole mitbekommen. Dreimal täglich ist Training angesetzt, lediglich unterbrochen durch die Schule und Wettkampfspiele in der heimischen Meisterschaft sowie bei internationalen Turnieren. Mit 19 geht es im Normalfall weiter an ein nordamerikanisches College, um dem Traum des Profibasketballers ein Stück näherzukommen.
„Bisher liegt die Erfolgsquote bei der Vermittlung an ein College bei rund 95 Prozent“, erklärt Betko stolz. Er selbst weiß, was ein junger Spieler für den Durchbruch braucht. Als die vier entscheidenden Säulen des Erfolgs nennt er „Geschwindigkeit und Robustheit, technische Fähigkeiten und die psychische Stärke“. Gerade Letzteres ist schwierig zu schulen, einen Mentalcoach zieht er manchmal dennoch hinzu. Betko lebt Disziplin, Härte und Ehrgeiz vor. Es wird einem spätestens in den USA nichts mehr geschenkt, so scheint sein Motto. Ein Lächeln huscht während der Übungseinheit selten über seine Lippen. Das ist eiserner Ernst und kein simpler sportlicher Zeitvertreib. Niemand ist hier, um nur ein bisschen intensiver als andere Basketball zu spielen. Es geht darum, sich das Rüstzeug für eine Karriere im Profibusiness zuzulegen.
Doch zwischendurch blitzt auch ein wenig Schalk und Emotionalität bei den Jugendlichen durch. Diamond erzählt, wie er zum Basketball kam, mit einem breiten, gewinnenden Lachen. „Barcelona ist ein fußballverrückter Ort. Meine Eltern haben mir immer wieder einen Ball in die Hand gedrückt, damit ich anfange zu kicken. Aber ich behielt ihn stets in meinen Händen. Irgendwann war klar, da wächst ein Basketballer heran.“ Đorđe wird etwas pathetisch, wenn er von seinem Ziel erzählen soll. „Ich möchte meinen Eltern einfach noch mehr zurückgeben können, als sie mir gegeben haben.“ Und dann kommen sie doch noch, die magischen Buchstaben. „Aber klar, die NBA wäre natürlich schon großartig.“
Julian Betko und seine Akademie sollen dafür das erste Sprungbrett sein. In Zukunft auch vermehrt für Studenten aus anderen Kontinenten. „Denn wir wollen wachsen, noch internationaler werden. Nächste Saison sind Kooperationen mit Partnern aus Katar, den USA und Asien geplant. Auch eine mögliche Zusammenarbeit mit Bundesligist Alba Berlin steht auf der Agenda. Und irgendwann könnte vielleicht eine Abteilung für Mädchen folgen.“
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