David Černýs Über-Ego

David Černýs Über-Ego

In der Altstadt sind aktuelle Werke des tschechischen Bildhauers zu sehen

7. 11. 2013 - Text: René PfaffText: René Pfaff; Foto: DSC

Er ist der vielleicht einflussreichste und mit Sicherheit umstrittenste tschechische Künstler der Gegenwart: David Černý. Erst vor zwei Wochen hat er das mit seiner jüngsten Skulptur wieder einmal unter Beweis gestellt. Der überdimensionale Stinkefinger auf einem Floß in der Moldau war mehr als nur ein obszöner Fingerzeig in Richtung Prager Burg, dem Amtssitz von Präsident Zeman. Unmittelbar vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus war er ein wütender Kommentar des Künstlers zur gegenwärtigen politischen Kultur in Tschechien. Da der 44-Jährige aber auch gleichzeitig prominenter Unterstützer von Karel Schwarzenbergs Partei TOP 09 ist, entbehrte die Aktion für manche Beobachter allerdings nicht einer gewissen Ironie. Eine von Černý jedoch kaum beabsichtigte.

Bereits in der Vergangenheit boten die Werke des Prager Bildhauers immer wieder Stoff für Skandale. Für europaweites Aufsehen sorgte beispielsweise die Plastik „Entropa“, in der jedes Mitgliedsland der Europäischen Union als Klischee dargestellt wurde.

Aktuelle Werke des Künstlers zeigt dieser Tage die Galerie „Dvorak Sec Contemporary“ in der Prager Altstadt. Černýs jüngste Arbeiten zeugen davon, dass er nicht nur Freude an der Provokation, sondern auch an der Produktion hat, denn die 24 Exponate entstanden allesamt erst in diesem Jahr. Die mit „Über ego“ betitelte Schau beginnt bereits draußen, noch bevor man einen Fuß in die Galerie setzt: In der nahegelegenen Dlouhá-Straße wurde Černýs Skulptur „In Utero“ installiert. Die überlebensgroße, kniende Frauenfigur ist innen hohl. So bietet sich dem Neugierigen die Möglichkeit, in den Unterleib des Werks hineinzuklettern.

In den Ausstellungsräumen setzt sich diese Lust an der Provokation fort, so zum Beispiel bei dem Relief-Kunstwerk „Saint Dick“. Das riesige zwei­dimensionale Genital ist angefüllt mit in Scheiben geschnittenen Modellautos. Eine Anspielung auf das Phallussymbol Auto? Das dazugehörige Skrotum hingegen besteht aus Pistolen und Handgranaten – explosive Sinnbilder für eine latente Gefahr, die vom männlichen Samen ausgeht?

Raum für Interpretationen
Doch das Waffenmotiv zieht sich noch bei einer Reihe weiterer Plastiken des Künstlers hindurch. Wie bei der Gepäckkontrolle am Flughafen werden Gegenstände durchleuchtet und deren tatsächlicher Inhalt plötzlich sichtbar. Černý tut dies mit transparenten Kuben aus Kunststoffharz, in denen – wie bei der berühmten Mücke in Bernstein – noch weitere Objekte eingeschlossen sind. So verbirgt sich in einem harmlosen Geigenkasten statt Bogen und Violine ein Maschinengewehr. In einer Damenhandtasche versteckt sich eine Pistole, ein Aktenkoffer ist prall gefüllt mit Handgranaten. Sind diese plastischen Sichtbarmachungen satirische Kommentare auf eine fast schon paranoide Angst vor dem Terror? Einige Skulpturen Černýs lassen große Interpretationsspielräume offen. Andere erweisen sich als eindeutig, fast schon plump und vor allem ziemlich obszön. Doch eines bleibt: die Dringlichkeit und der überwältigende Popanz.

Im hinteren Teil der Galerie erwarten den Besucher Porträts bedeutender Regisseure wie Quentin Tarantino, Pedro Almodóvar oder Jan Švankmajer – und setzen sich aus grotesk tranchiertem Kinderspielzeug zusammen. Doch einer dieser Schattenrisse will nicht in die Riege der Filmschaffenden passen: „Karel S.“. Der „Agent Provocateur“ der tschechischen Kunst porträtiert hier den „Agent TOP 009“ der tschechischen Politik Karel Schwarzenberg. Eine Huldigung? Ein Witz? Billige Politwerbung? Man weiß es nicht. Eines muss man Černý lassen: Kalt lässt seine Kunst niemand.

David Černý – Über ego. Dvorak Sec Contemporary, Dlouhá 5, Prag 1 (Altstadt), geöffnet: Mo.–Fr. 10–18 Uhr, Eintritt frei, bis 6. Dezember

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