Dauertief überwunden?

Dauertief überwunden?

Analytiker prognostizieren Aufwind in der Baubranche. Fachleute zeigen sich skeptisch

10. 9. 2014 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: ŠJů

Seit fünf Jahren kämpft das tschechische Bauwesen gegen den wachsenden Auftragseinbruch. Nun rechnen Analytiker erstmals wieder mit einem leichten Aufwärtstrend. Noch in diesem Jahr werde die Baubranche die Krise überwinden, zu einem deutlichen Wachstum soll es jedoch frühestens im nächsten Jahr kommen. Das erhoffen sich Ökonomen von den jüngsten Erhebungen, die das Tschechische Statistikamt (ČSÚ) am Montag veröffentlicht hat.

Wie aus der ČSÚ-Studie hervorgeht, sank die Bauproduktion im vergangenen Juli zwar zwischenjährlich um 3,7 Prozent. Der Rückgang käme jedoch vor allem, so die Wirtschaftsanalytiker, durch den Vergleich mit Juli 2013 zustande, als die Baubrache nach dem Hochwasser eine kurze Blüte erlebte. Die ČSÚ-Statistik zeigt, dass mit Ausnahme von Mai die Bautätigkeit in den übrigen Monaten dieses Jahres wieder leicht zugenommen hat. Zuletzt war sie im Juni um sechs Prozent angestiegen.

Der Vorsitzende des Verbandes der Bauunternehmer Václav Matyáš sieht die positive Prognose der Ökonomen skeptisch. Er warnt vor der „Begeisterung vieler Analytiker, die von jetzt an mit einem Wachstum rechnen“. „Ich wäre schon froh, wenn es uns gelingt, die Entwicklung im Bauwesen zumindest zu stabilisieren“, so Matyáš.

Im Einzelnen belegt die ČSÚ-Studie weiterhin, dass besonders im Hochbau ein Umsatzrückgang verzeichnet worden ist. In dem Bereich sank die Bautätigkeit im Vergleich zum Vorjahr um 7,8 Prozent. Stark zurück ging auch das Wachstum im Wohnungsbau, das von 45 Prozent im Jahr 2013 auf 22,9 Prozent in diesem Jahr sank. Die Konjunktur im Tiefbau verlangsamte sich um 6,2 Prozent. Die Anzahl der Beschäftigten im Bauwesen ging den ČSÚ-Daten zufolge um vier Prozent zurück. Das Brutto-Durchschnittsgehalt stieg um 1,8 Prozent auf 30.975 Kronen (rund 1.100 Euro) an.

Den Optimismus der Wirtschaftsanalytiker, die die Krise dennoch überwunden sehen, dämpfte auch ČSOB-Ökonom Petr Dufek. Die angeblich positiven Prognosen für die Bauwirtschaft seien ihm zufolge nicht haltbar. „Trotzdem haben wir das Schlimmste in den letzten sechs Jahren hinter uns. Es gibt mehr Aufträge und Umsätze, und allmählich verbessert sich auch die Situation auf dem Wohnungsmarkt“, so Dufek. Die andauernde Rezension im Bauwesen könne überwunden werden. „Jetzt geht es nur darum, dass das Bauwesen im öffentlichen Sektor seinen Teil durch neue Aufträge beitragen kann, der ja in den letzten Jahren zur Zielscheibe von Sparmaßnahmen wurde“, meint Dufek. Die weitere Entwicklung hängt laut Matyáš maßgeblich von den Entscheidungen der Regierung ab. „Von einem moderaten Wachstum im nächsten Jahr können wir nur ausgehen, wenn es der Regierung gelingt, den Sektor zu stabilisieren, das heißt namentlich durch eine investitionsfreundliche Politik.“

Der Ökonom Marek Dřímal hält gerade größere Investiti­onen in infrastrukturelle Projekte entscheidend für eine Belebung des gesamten Sektors. „Den Hauptimpuls, von dem die ganze Branche profitieren könnte, erwarten wir 2015 zusammen mit der geplanten Erweiterung der Fiskalpolitik der Regierung. Die Bauwirtschaft könnte dann um 10,5 Prozent wachsen.“

Zu den größten Skeptikern zählt Evžen Korec, Generaldirektor der Developer-Firma Ekospol. Die Daten des Tschechischen Statistikamtes begreift er als „kalte Dusche für alle Optimisten, die in den letzten Tagen behaupteten, die Branche sei aus dem Gröbsten raus“. Laut Korec ist das keineswegs der Fall. „Tatsächlich sieht es im Bauwesen ziemlich trist aus. Die Unternehmen schlagen sich buchstäblich um Aufträge und müssen ständig abbauen“, sagt Korec. „Eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau werden wir frühestens am Ende dieser Dekade erleben.“