Das Problem mit der Straßenbahn
Kommentar

Das Problem mit der Straßenbahn

Fahrgäste können nun bargeldlos bezahlen. Doch wer profitiert?

20. 4. 2016 - Text: Marcus Hundt, Titelfoto: Arne Witte

Zum ersten Mal in der Geschichte können Reisende in Prag eine Fahrkarte in der Straßenbahn kaufen. So steht es schwarz auf weiß in einer Presseerklärung der Prager Verkehrsbetriebe (DPP). Die Freude darüber ist schnell verflogen, denn am Ende des Satzes steht: „mit einer Geldkarte, die kontakt­loses Bezahlen ermöglicht.“ Die „bezkontaktní platební karta“ ist in Tschechien mittlerweile weit verbreitet – im Gegensatz etwa zu Deutschland oder Österreich. Dennoch drängt sich die Frage auf: Warum werden in den Straßen­bahnen nicht gleich Automaten aufgestellt, an denen man auch gegen Kleingeld an seine Fahrkarte kommt?

Seit wenigen Tagen läuft das auf ein Jahr ausgelegte Pilotprojekt des „kontaktlosen Bezahlens“ in zwei Straßenbahnen der Linie 22. In den kommenden Wochen sollen die erforderlichen Geräte in sämtlichen Fahrzeugen der Linie 18 angebracht werden. Und irgendwann vielleicht in allen knapp 2.000 Straßenbahnen und Bussen der Hauptstadt. Stadtregierung und Verkehrsbetriebe bezeichnen ihren Plan als „fortschrittlich“. Doch leider beseitigt er nicht die Mängel, über die sich gerade viele Prag-Besucher ärgern.

In zwei Straßenbahnen können Fahrgäste derzeit bargeldlos bezahlen.

Nur für Einheimische
Das alte Problem: Nur an wenigen Straßenbahn-Haltestellen stehen Fahrkartenautomaten, in den Waggons fehlen sie sowieso. Einige Läden verkaufen zwar Tickets für den öffentlichen Nahverkehr, doch weiß ein Ortsunkundiger natürlich nicht, wo er sie findet. Und manch einer wird das Problem kennen, vor einem Automaten zu stehen, doch nicht genügend Münzen bei sich zu haben. Geldscheine werden nicht akzeptiert.

„Das wissen wir natürlich“, reagiert der Generaldirektor der Verkehrsbetriebe Jaroslav Ďuriš auf den Missstand und weicht aus: „Fahrgäste, die es eilig haben, können aber ein SMS-Ticket kaufen.“ Der Haken dabei: Nur wer eine tschechische SIM-Karte besitzt, kann den Service nutzen. Wenn ein ausländischer Tourist eine SMS mit dem Inhalt „DPT24“ oder „DPT32“ (je nachdem, ob er für 30 oder 90 Minuten zahlen will) an die Nummer 90206 schickt, erscheint auf seinem Handy-Display kein elek­tronisches Ticket, sondern eine Fehler­meldung.

Klamme Kassen
Über die neuen Automaten werden sich nur wenige Fahrgäste freuen. Die meisten Prager, die regelmäßig mit Metro, Bus oder Straßenbahn unterwegs sind, besitzen Jahreskarten und brauchen keine Einzeltickets. Und die meisten Touristen werden die Geräte (zumindest vorerst) nicht nutzen, weil die falsche Karte in ihrem Portemonnaie steckt.

„Die Verkehrsbetriebe wollen es den Fahrgästen immer so leicht wie möglich machen – egal ob sie nun in Prag leben oder nur zu Besuch sind“, versichert Generaldirektor Ďuriš. Doch die modernen Geräte, die nach der Testphase auch an den Haltestellen angebracht werden sollen, wirken dabei wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der zuständige Stadtrat Petr Dolínek (ČSSD) will das System ausbauen, „schließlich leben wir im 21. Jahrhundert“. Der Grund allerdings, warum solche Geräte angebracht und nicht mehr Münzautomaten aufgestellt werden, sind eher die klammen Kassen der Verkehrsbetriebe. Die kleinen Kästen kosten viel weniger und werden laut dem DPP-Chef vorerst sogar „kostenfrei zur Verfügung gestellt“. Unter anderem von der Tschechoslowakischen Handelsbank (ČSOB), deren Logo gut sichtbar auf allen neuen Geräten prangt …