Das Gesicht der Großzügigkeit

Das Gesicht der Großzügigkeit

Mit zahlreichen Sonderausstellungen von Renaissance-Kunst bis Pop-Art feiert die Nationalgalerie ihr 220. Jubiläum

10. 2. 2016 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Fotos: ČTK/Michal Krumphanzl, S. Welzel, W. Günzel

Die Geschichte der Prager National­galerie reicht bis ins ausgehende 18. Jahrhundert zurück. Am 5. Februar 1796 gründete die Prager „Gesellschaft patri­otischer Freunde der Kunst“ („Společnost vlasteneckých přátel umění“) ihre „Gemäldegalerie“. Die Institution besaß damals noch keine eigenen Werke und war ausschließlich auf aristokratische Gönner und Honoratioren angewiesen.

220 Jahre später gehört die Prager Nationalgalerie mit ihren sieben Ablegern in der Hauptstadt, einer wechselvollen Geschichte und dank ihrer reichen Sammlung zu den bedeutendsten Kunsthäusern Europas. Am vergangenen Wochenende feierten prominente Gäste wie der chinesische Konzeptkünstler und Regimekritiker Ai Weiwei oder der serbische Musiker Goran Bregović mit den Prager Bürgern den runden Geburtstag der Galerie. Über 30.000 Besucher strömten in die Ausstellungen in Holešovice, auf dem Hradschin und in der Altstadt. Mit insgesamt neun neuen und teilweise miteinander vernetzten Ausstellungen stellte die Nationalgalerie ihrer eigenen Feier einen würdigen Rahmen zur Verfügung.

Die prominenteste Installation ist zweifelsohne jene Weiweis vor dem Messepalast in Holešovice. Der 58-Jährige konzipierte seine „Zodiac Heads“ in Anlehnung an den Skulpturenzyklus aus Tierkreiszeichen, der während des Zweiten Opiumkriegs von englischen und französischen Truppen zerstört wurde. Für Nationalgalerie-Direktor Jiří Fajt war Weiweis Anwesenheit ein Glücksfall. „Er erhielt seine Ausweispapiere und Reisedokumente erst vor kurzem von der chinesischen Regierung zurück, sodass die persönliche Vorstellung seiner Bronze-Köpfe hier in Prag eine Premiere darstellt“, so Fajt. Die Werke waren zuvor schon in New York, London und Paris zu sehen, jedoch ohne von Weiwei selbst enthüllt und erläutert zu werden. In Prag ließ er die Skulpturen kurz vor der Eröffnung mit den gleichen goldenen Aluminiumdecken einpacken, mit denen Flüchtlinge, die gerade über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind, behelfsmäßig warm gehalten werden. Damit wollte Weiwei auf die aktuellen politischen Ereignisse und die immer stärker von Abschottung bestimmte Haltung in vielen Teilen Europas aufmerksam machen.

Zwei der insgesamt zwölf Tierkreiszeichen von Ai Weiwei

Neben Weiweis Skulpturen gelten die Exponate des senegalesischen Künstlers, Kurators und Kulturaktivisten El Hadji Sy als Höhepunkt der neuen Ausstellungsserie. Der in Dakar geborene Maler verwendet unkonventionelle Materialien wie Jutesäcke oder Reisekoffer als Grundstoffe für seine Arbeit. Der 61-Jährige stellte seine Werke gemeinsam mit denen junger Kollegen aus seinem Heimatland im vergangenen Jahr bereits im Weltkulturen-Museum in Frankfurt vor. Der Titel „Painting, Performance, Politics“ verrät El Hadji Sys poli­tischen Ansatz, mit der auch er unter anderem auf die schwierigen Lebensumstände von Migranten hinweist. Seine Schau ist derzeit im fünften Stock des Messepalastes zu sehen.

Exponate aus El Hadji Sys "Painting, Performance, Politics"
Exponate aus El Hadji Sys "Painting, Performance, Politics"

 Im selben Haus präsentiert der tschechische Künstler und Fotograf Jiří David seine „Apotheosis“. Der Schwarz-Weiß-Bilderzyklus ist inspiriert von Alfons Muchas Slawischem Epos und stieß auf der letztjährigen Biennale in Venedig auf reges Interesse. Der 59-jährige David nutzt sein Epos als kritische Nacherzählung und dekonstruiert dabei den heroisierenden Zugang zur slawischen Identität und zur tschechischen Geschichte. Drei weitere Ausstellungen mit multimedialen und genreübergreifenden Werken junger tschechischer Autoren runden das spannende Angebot im Messepalast ab. Sie alle laufen unter dem Titel „Großzügigkeit, die Kunst des Schenkens“ („Velkorysost, Umění obdarovat“). Der Titel soll an die Bedeutung der Spender für die Galerie heutzutage wie auch in der Vergangenheit erinnern.

Ganz in diesem Sinne stellt das Haus im Salm-Palast Fotografien und Polaroids der Pop-Art-Ikone Andy Warhol aus. Sie sind ein Geschenk der New Yorker Andy-Warhol-Stiftung und ergänzen die beeindruckende Sammlung der Galerie um ein weiteres Exponat von Weltrang.

Ai Weiweis „Zodiac Heads“ sind bis 31. August vor dem Messepalast zu besichtigen. Mehr Informationen zu den verschiedenen Jubiläums-ausstellungen unter www.ngprague.cz