Aufgetaucht und Luft geholt

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Tschechiens Wirtschaft wächst wieder, doch zur Euphorie gibt es noch keinen Grund

21. 8. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: APZ

Tschechiens Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im zweiten Quartal dieses Jahres im Vergleich zu den vorhergehenden drei Monaten um 0,7 Prozent gestiegen. Damit weist das Land zum ersten Mal seit Ende 2011, als das Land in eine Rezession geraten war, positive Wachstumszahlen auf. Dieser positive Trend gilt für die gesamte EU, deren BIP insgesamt um 0,3 Prozent gestiegen ist. Entscheidend für diese Entwicklung war vor allem das Wachstum der beiden größten europäischen Volkswirtschaften, Deutschland und Frankreich.

Tschechische Beobachter interpretieren die aktuellen Zahlen als ein positives Signal, das zu verhaltenem Optimismus Anlass gebe. Gleichzeitig warnen sie davor, nun automatisch von einem beginnenden umfangreichen Wirtschaftswachstum auszugehen. Dieses sei, so der einhellige Tenor der Experten, vor allem von der weiteren Entwicklung in Deutschland und Frankreich abhängig.

Im europäischen Vergleich legte die tschechische Wirtschaft indes mit am stärksten zu. Lediglich das deutsche BIP erreichte ebenfalls einen Pluswert von 0,7 Prozent. In Frankreich betrug das Wachstum 0,5 Prozent. Zum tschechischen Positivtrend trug vor allem die gute Entwicklung im Außenhandel bei. Insgesamt nahm die Investitionstätigkeit jedoch weiter ab. Das ist auch ein Grund dafür, warum im Jahresvergleich die Zahlen nach wie vor keinen Grund zur Entwarnung geben: In diesem Vergleichszeitraum ist die tschechische Wirtschaft um 1,2 Prozent geschrumpft, das ist deutlich mehr als der Eurozonen- (–0,7) und EU-Durchschnitt (–0,2).

„Es handelt sich um einen kleinen Schritt. Wir sind mit dem Kopf aufgetaucht und haben begonnen zu atmen. Ich hoffe, dass sich dieser Trend fortsetzt; die Zahlen aus den Nachbarländern geben Anlass zur Hoffnung. Wir müssen jetzt in dieser Richtung weitermachen“, kommentierte Interimspremier Jiří Rusnok die neuesten Zahlen. Wirtschaftsexperten mahnen jedoch zur Vorsicht. „Um die Rezession tatsächlich zu überwinden, ist es einerseits notwendig, dass dieser Trend in den kommenden Quartalen bestätigt wird und vor allem, dass das Wachstum strukturell ausgeglichener ausfällt“, sagt Petr Zahradník, Chefvolkswirt von Conseq Investment Management.

Dennoch bedeuten die Zahlen ein erstes Aufatmen auch auf europäischer Ebene, wo durch die Krise der vergangenen vier Jahre zeitweise sogar die Gemeinschaftswährung ernsthaft in Gefahr schien. Euphorische Kommentare sind verständlicherweise jedoch weder aus Berlin noch Paris zu vernehmen – vielmehr gilt es jetzt, das zarte Pflänzchen Wachstum weiter zu hegen. Ob damit eine grundlegende Trendwende gelingt, bleibt derzeit fraglich. „Die Rezession haben wir vielleicht hinter uns gelassen, die Schuldenkrise mit Sicherheit nicht“, warnt Jonathan Loynes, Chefanalytiker des Londoner Wirtschaftsforschungsinstituts Capital Economics.

Dass Deutschland, wohin beinahe ein Drittel des gesamten tschechischen Exports geht, den europäischen Wachstumsmotor darstellt, steht bei den Beobachtern außer Zweifel. Dennoch sei auch in Bezug auf die künftige deutsche Entwicklung Vorsicht geboten, dies gelte vor allem für die Investitionen. „Die Investitionen waren trotz sehr günstiger finanzieller Bedingungen und der starken internationalen Position der deutschen Unternehmen schwach. Es wird eine der Aufgaben der neuen deutschen Regierung sein, die Investitionen im Inland anzukurbeln. Nur so wird Deutschland seine europäische Schlüsselrolle beibehalten können“, so Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Diba.