Auf legendären Spuren

Auf legendären Spuren

Die tschechischen Tennis-Damen gewinnen zum dritten Mal in vier Jahren den Fed Cup

12. 11. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: ČTK/Michal Doležal

Es waren große Emotionen, die man in der Prager O2 Arena zu sehen bekam. Auf der einen Seite versteckte Angelique Kerber ihre Tränen unter einem Handtuch, und dies noch während des ersten Satzes des dritten und letztendlich entscheidenden Einzels. Gerade eben vergab sie zahlreiche Breakchancen – insgeheim wusste sie, dass dies verheerend sein könnte in einem derart wichtigen Spiel. Auf der gegenüberliegenden Grundlinie ballte Petra Kvitová immer wieder die Faust und hob damit ihren ungebrochenen Kampfgeist hervor, der ihr in ihrer Heimat den Spitznamen „Löwin“ eingebracht hat.

Es war ein denkwürdiges Duell, das sich die jeweiligen Teamleaderinnen am Sonntagnachmittag lieferten. Tschechiens Spielerinnen führten gegen Deutschlands beste Tennisdamen nach den ersten beiden Einzeln des Fed-Cup-Endspiels bereits mit 2:0. Somit brauchten sie nur noch einen Sieg, um zum dritten Mal in vier Jahren den bedeutendsten Team-Wettbewerb im globalen Frauentennis zu gewinnen. Und die routinierte Wimbledon-Siegerin Kvitová ließ sich die historische Chance nicht nehmen, den entscheidenden Punkt vor heimischem Publikum einzufahren. Die Weltranglistenvierte besiegte Kerber nach über drei Stunden mit 7:6, 4:6 und 6:4.
Das vierte Einzel wurde aus dem Programm gestrichen, das abschließende Doppel entschieden Julia Görges und Sabine Lisicki gegen Andrea Hlaváčková und Lucie Hradecká mit 6:4 und 6:3 für sich, womit sie Deutschland immerhin den Ehrenpunkt retteten. Das 52. Fed-Cup-Finale wird mit dem Endergebnis von 3:1 in die Annalen eingehen. Tschechien holte damit – einschließlich der Titel als Tschechoslowakei – zum insgesamt achten Mal den Pokal, womit sich das Land in der ewigen Bestenliste an Australien vorbei auf den zweiten Platz schob. Rekordhalter bleiben die USA mit 17 Siegen.

Harter Kampf
„Dieses Spiel gegen Angelique war unglaublich kräftezehrend. Wir spielten beide ausgezeichnetes Tennis, es war ein Kampf um jeden Ball“, zollte Kvitová ihrer Konkurrentin Respekt. „Letztendlich ist es egal, wer den dritten Punkt geholt hat. Aber natürlich bin ich froh und stolz, dass ich es geschafft habe. Die Atmosphäre war etwas Besonderes, ich danke den Fans.“ Kvitová lag im letzten Satz noch mit 1:4 und Break im Rückstand, wurde von den lautstarken Anhängern im Stadion aber zu einer eindrücklichen Aufholjagd getragen. „Petra, Petra“-Sprechchöre hallten immer wieder durch das weite Rund. Beim Stand von 5:4 bebte das Stadion. Kvitová musste in ihrem letzten Aufschlagspiel über Einstand gehen und profitierte beim Matchball von einem leichten Vorhandfehler Kerbers.

Die 24-Jährige gewann in ihrer Karriere somit, genauso wie die zweite Einzelspielerin Lucie Šafářová, schon zum dritten Mal die begehrte Trophäe. Genauso oft wie Hana Mandlíková und lediglich ein Mal weniger als Helena Suková und Martina Navrátilová (die allerdings drei davon mit den USA einfuhr). „Ich selbst halte mich deswegen nicht für eine Legende, ich spiele ja auch noch“, antwortete Kvitová auf den Vergleich mit Navrátilová. Doch genau dies ist sie bereits, denn sie prägte den Fed Cup in den vergangenen Jahren wie kaum eine zweite Spielerin. Und die Fans in der Halle inklusive der geladenen und oben genannten Legenden sowie den Experten am Moderatoren-Pult: Alle hoben Kvitovás Sonderstatus hervor. „Ich verneige mich vor Petra, sie ist eine großartige Spielerin“, so die TV-Expertin und WTA-Nummer 40 Klára Koukalová. Dass diese an dem Final-Wochenende nur in zivil als Co-Kommentatorin waltete, verdeutlicht die unglaubliche Dichte und Qualität des tschechischen (Frauen-)Tennis. Sollte das Team weiterhin in dieser Besetzung antreten, wird der Sieg im Fed Cup wohl auch in den nächsten Jahren nur über Kvitová und Co. zu erringen sein. Das Zehn-Millionen-Einwohner-Land zählt fünf Spielerinnen in den Top 50 und insgesamt acht in den Top 100 des WTA-Rankings. Einzig die Tennisnation USA verfügt in dieser Beziehung über eine noch bessere Statistik.

Nun steht für alle Beteiligten aber erst einmal der verdiente Urlaub nach einer langen Saison an. „Und in diesen gehen sie alle mit dem Gefühl als amtierende Fed-Cup-Champions“, strahlte auch Kapitän Petr Pála nach dem Triumph. Ein solches blieb den unterlegenen und bitter enttäuschten deutschen Spielerinnen versagt. Sie mussten die Überlegenheit des Favoriten neidlos anerkennen.

Andrea Petkovic verwies bereits nach ihrer Niederlage am Samstag gegen Kvitová auf die Stärke ihrer Gegnerin. „Petra spielte unglaublich gut. Auf dieser schnellen Unterlage wäre es aber für jede Spielerin auf dieser Welt schwer gewesen, gegen sie zu gewinnen.“ Petkovic sprach somit auch die problematische Wahl des Belags an.

Die Women’s Tennis Association maß ungewöhnlich hohe Werte bei der Geschwindigkeit nach Ballabsprung auf dem Boden sowie extrem tiefe Ausfallwinkel. Dem tschechischen Verband droht daher eine Geldbuße, die man wohl gerne und aus der Portokasse bezahlen wird. Derweil geben sich die deutschen Damen unverzagt. „Wir werden das Ding auf jeden Fall noch holen, das haben wir uns alle geschworen“, kündigte Kerber gegenüber einem deutschen Fernsehsender an. Deutschland wartet seit 1992 – seit der Ära mit Steffi Graf, Anke Huber und Barbara Rittner – auf seinen dritten Fed-Cup-Sieg.