Auf Atomkurs

Auf Atomkurs

Regierung verabschiedet Aktionsplan zum Ausbau der Kernkraft

10. 6. 2015 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: IAEA Imagebank

Dass Tschechien künftig stärker auf Atomkraft setzen will, hatte die Regierung bereits Ende Mai mit ihrem neuen Energiekonzept angekündigt. Bis zum Jahr 2040 soll Kernkraft zur wichtigsten Energiequelle werden. Offen blieb allerdings noch, wie die Pläne finanziert werden sollen. Nun hat das Kabinett den „Nationalen Aktionsplan zur Entwicklung der Kernenergie“ verabschiedet. Wie es darin heißt, sei es notwendig, den Ausbau der Atomkraftwerke Temelín und Dukovany um jeweils einen weiteren Block schnellstmöglich vorzubereiten. Auch eine Erweiterung um jeweils zwei Blöcke an beiden Standorten ist möglich.

Wirtschaftsminister Jan Mládek (ČSSD) begründete das Vorhaben am Mittwoch vergangener Woche damit, dass der Ausbau vor allem des AKW im südmährischen Dukovany eine Schlüsselrolle für den Staat spiele. Bis 2037 soll er abgeschlossen sein. Wegen der Nähe zur Grenzregion dürften weiterhin heftige Proteste aus Österreich zu erwarten sein. Erst Ende Mai hatte der österreichische Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) gesagt, eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sei nicht ausgeschlossen, sollte Tschechien den Bau zweier neuer Atomreaktoren an den Standorten Temelín und Dukovany staatlich unterstützen.

Prag lässt sich von den Protesten der Nachbarn aber nicht vom Atomkurs abbringen. Die Regierung geht davon aus, dass der Anteil der Kernenergie an der heimischen Stromerzeugung in diesem Jahr bei etwa 35 Prozent liegen wird. Nach dem Bau der beiden neuen Blöcke soll er bis 2040 auf rund 50 Prozent steigen.

Dem ČEZ-Generaldirektor Daniel Beneš zufolge belaufen sich die Kosten für den Bau jedes einzelnen Blocks auf 120 bis 150 Millionen Kronen (etwa 4,4 bis 5,5 Millionen Euro). Für die Finanzierung des Ausbaus sieht der Atomplan drei Varianten vor. Entweder der Betreiber der Anlagen – der halbstaatliche Energiekonzern ČEZ – kommt für die Kosten allein auf oder in Zusammenarbeit mit einer von ihm kontrollierten Tochtergesellschaft. Eine weitere Möglichkeit besteht in einem privaten Investorenkonsortium.

Während die tschechische Wirtschaftskammer die Atompläne als Schritt zu einer stabileren Energieversorgung begrüßte, übten Nichtregierungsorganisationen Kritik. Die Bürgervereinigung Calla wirft der Regierung vor, das Potential erneuerbarer Energiequellen nicht ausreichend berücksichtigt zu haben.

Die Mehrheit der tschechischen Bürger hingegen unterstützt den Atomkurs. Wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CVVM belegt, halten 45 Prozent der Befragten den gegenwärtigen Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung für richtig. Weitere 22 Prozent unterstützen einen zusätzlichen Ausbau. Für eine Eindämmung der Atomenergie sprachen sich ebenfalls 22 Prozent aus. Eine Erweiterung Temelíns befürworten 44 Prozent der Befragten, 39 Prozent lehnen sie ab. Leichte Angst vor Atomkraft haben der Umfrage zufolge 40 Prozent der Bürger, lediglich neun Prozent empfinden starke Angst. Keinerlei Bedenken hegen 23 Prozent der Befragten.