Alles wird schlecht

Alles wird schlecht

Im DOX treffen düstere Zukunftsvisionen auf die Realität

23. 9. 2015 - Text: Melanie NolteText: Melanie Nolte; Foto: Daisuke Takakura: „Crowd“ aus dem Zyklus „Monodramatic“/DOX

 

Soziale Kontrolle und Manipulation, fehlende Privatsphäre und Leben aus dem Reagenzglas. Wenn die Zukunft zur Horrorvision wird, sprechen Literaturwissenschaftler von einer Dystopie. Drei der bekanntesten Dystopien stehen im Fokus der Ausstellung „Schöne Neue Welt“ („Brave New World“): der gleichnamige Roman von Aldous Huxley sowie „1984“ von George Orwell und Ray Bradburys „Fahrenheit 451“. Die drei Romane erschienen zwischen 1932 und 1953. Das Zentrum für zeitgenössische Kunst DOX konfrontiert ihre düsteren Zukunftsvisionen nun mit der Gegenwart.

Die vier Teile der Ausstellung tragen die Titel „Leben im Käfig“, „Freiheit in der Blase“, „Getrennt“ und „Absolutes Glück“ und nehmen damit Bezug auf den Inhalt der Romane. In den einzelnen Räumen können Besucher nicht nur Kunst betrachten, sondern sie auch erleben. So entwickelte die kroatisch-österreichische Künstlergruppe „Numen/For Use“ eine außergewöhnliche Installation. Mit Klebeband schufen die Designer eine Matrix aus elastischen Tunneln, in denen die Gäste umherirren. Sie wurde über dem Ausstellungsraum aufgehängt, sodass die anderen Besucher von unten sehen und hören, wenn sich über ihnen jemand bewegt.

Beeindruckend ist die Vielzahl der künstlerischen Arrangements. Neben Gemälden finden sich Videos sowie Zitate aus den Romanen – und sogar lebende Menschen werden ausgestellt: In drei etwa zwei Quadratmeter großen Glaskästen liegt je ein junger Mann. Gekleidet in einen Schlafanzug und mit einer Bettdecke zugedeckt, sind sie den Blicken der Besucher ausgesetzt. Sie hören Musik oder spielen auf dem Smartphone. Ob das vom Künstler so beabsichtigt war, bleibt offen.
Wie aus der Dystopie „1984“ entnommen wirkt die Serie „15 minutes, 56 seconds“ des amerikanischen Künstlers William Betts. Die Aufnahmen öffentlicher Kameras machen deutlich, dass mittlerweile längst Alltag geworden ist, was Orwell im Jahr 1949 über die Perfektion der Überwachungssysteme schrieb.

Andere wahr gewordene Zukunftsvisionen thematisiert Heather Dewey-Hagborg. Ihre 3D-Porträts entstanden durch DNS-Analysen. Das Material gewann sie aus Zigarettenkippen und Haaren, die sie auf der Straße fand und in die Porträts einarbeitete. Ihre Werke warnen vor den Möglichkeiten der Gentechnik, auf der Basis kleinster DNS-Partikel Menschen im Rea­genzglas zu züchten.

In einem weiteren 3D-Projekt beschäftigt sich die Schweizerin Sylvie Fleury mit dem Konsumverhalten im 21. Jahrhundert. Sie installiert einen vergoldeten Einkaufswagen auf einem sich drehenden, verspiegelten Podest. Dazu passt das Zitat Aldous Huxleys: „Wir kaufen nicht nur ein Auto, wir kaufen Prestige.“ Um Konsum dreht sich beispielsweise auch Petr Motyčkas eindrucksvolle Installation: Auf 50 TV-Bildschirmen veranschaulicht er, welchen Einfluss die Medien auf das Verhalten der Kunden haben.

Alle Bereiche der Ausstellung greifen ineinander über, nehmen Bezug auf die Romane und bringen sie mit der Realität in Verbindung. Auf diese Weise verdeutlicht die Schau, welche Auswirkungen moderne Technik und soziale Netzwerke auf das Leben jedes Einzelnen haben.

Brave New World. DOX, Poupětova 1, Prag 7 (Holešovice), geöffnet: Sa.–Mo. 10 bis 18 Uhr, Mi. & Fr. 11 bis 19 Uhr, Do. 11 bis 21 Uhr, dienstags geschlossen, Eintritt: 180 CZK (ermäßigt 90 CZK), bis 25. Januar, www.dox.cz