Alles ist aus einem Licht
Surrealismus

Alles ist aus einem Licht

Bis Ende Juli zeigt die Nationalgalerie Prag eine umfangreiche Werkschau zu Josef Šíma in der Wallenstein-Reithalle

17. 7. 2019 - Text: Julia Miesenböck, Titelbild: Josef Šíma - Eisenbahnbrücke (Zug), 1920, Moravská galerie v Brně (Ausschnitt)

Josef Šíma (um 1930) | © APZ

„Eines Nachts, bei einem Gewitter, als ein Blitz plötzlich aufleuchtete, schien alles – Luft, Wolken, Bäume, der Boden, Steine – aus einem einzigen Stoff, einem einzigen Licht zu sein.“

Mit diesen Worten erinnerte sich Josef Šíma an ein Erlebnis aus den zwanziger Jahren, das die Formsprache seiner Malerei nachhaltig beeinflusste.

Der 1891 im ostböhmischen Jaroměř geborene, in Brünn und Prag ausgebildete Maler lebte seit 1921 in Frankreich, wo er sich bis zu seinem Tod im Jahre 1971 aufhielt. Er blieb jedoch in stetem Kontakt mit seinem Heimatland. Für sein Werk stellte die Tschechoslowakei eine wichtige Inspirationsquelle dar. Mehr noch: Šíma war ein wichtiger Vermittler zwischen der tschechischen und der französischen Avantgarde, zu der er sich selbst bekannte.

In der Wallenstein-Reithalle der Nationalgalerie ist derzeit eine umfangreiche Werkschau von Josef Šíma zu sehen: vom Frühwerk mit perspektivisch orientierten Gemälden über zahlreiche Grafiken – Illustrationen zu Gedichtbänden – bis zu den für ihn charakteristischen Porträts und Landschaftsmalereien, in denen nicht mehr Perspektive, sondern Licht und Form dominieren.

Portrait de Bérénice Abbott (1928) | © Národní galerie Praha

Der Titel der Ausstellung – Der Weg zu Le Grand Jeu – verweist auf eine Künstlergruppe, die sich 1927 in Paris formierte und zu deren Gründungsmitgliedern Šíma zählte. Die Gruppe, die dem Surrealismus nahestand und der vor allem Dichter angehörten, fasste die Welt als eine Einheit auf und lehnte jede Form von Dualität ab. Dieser Gedanke zeigt sich etwa in Šímas Porträts mit androgynen Gestalten, deren Körper weder als männlich noch als weiblich identifiziert werden können. Auch das Ei und der Kristall – Formen, die auf den Gemälden des Malers wiederholt zu finden sind – können als Verweise auf das Einheitliche, Vollkommene gedeutet werden.

Eine veränderte Form der Wahrnehmung und die Ablehnung von Individualität spielten in der künstlerischen Haltung von Le Grand Jeu ebenso eine zentrale Rolle wie das universelle Bewusstsein eines Ganzen. Hier lässt sich wiederum eine Verbindung zu Šímas Erlebnis mit dem Blitz ausmachen, bei dem ihm die Welt für einen Moment als ein Ganzes erschien – sowohl in ihrer materiellen als auch in ihrer transzendenten Form. Am deutlichsten tritt dieser besondere, „ewige“ Moment wohl in den Landschaftsmalereien hervor, die aus den späten zwanziger und dreißiger Jahren stammen.

Josef Šíma – Der Weg zu Le Grand Jeu

Josef Šíma: Cesta k Vysoké hře, Nationalgalerie Prag – Wallenstein-Reithalle (Valdštejnská jízdarna, Valdštejnská 3, Prag 1), geöffnet: täglich außer montags 10–18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, Eintritt: 220 CZK (ermäßigt 150 CZK, Familien 350 CZK), bis 28. Juli, www.ngprague.cz