Alles für einen

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Bei der Diskussion um die Förderung von Biodiesel steht Finanzminister Andrej Babiš in der Kritik. Sein Firmenimperium wächst unterdessen weiter

15. 4. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Petr Bednář

Wenn es um einen möglichen Interessenskonflikt geht, versteht der Finanzminister, Konzerneigentümer, ANO-Gründer und zweitreichste Mann des Landes Andrej Babiš keinen Spaß. Dem Tschechischen Fernsehen warf er kürzlich vor, es würde „manipulierte Reportagen“ senden, weil Journalisten kritisch über Firmen seines Konzerns Agrofert berichtet hatten. Jetzt muss Babiš erneut beweisen, dass er seine Rolle als Minister gut von der des Unternehmers trennen kann. Auslöser ist die staatliche Förderung von Biodiesel, über die in der vergangenen Woche die Abgeordneten im Unterhaus diskutieren sollten. Doch zu einer Abstimmung kam es dabei nicht.

Das Problem aus Sicht der Oppositionsparteien liegt in der Rolle des zu Agrofert gehörenden Unternehmens Preol. Es liefert Biodiesel an die Aktiengesellschaft Čepro, die hierzulande der wichtigste Großhändler für Kraftstoff und Abnehmer für Biokraftstoffe ist. Ihr einziger Aktionär ist das von Babiš gelenkte Finanzministerium. Der Anteil des von Preol gelieferten Kraftstoffs habe sich im vergangenen Jahr auf 49 Prozent belaufen, zitierte das Magazin „Dotyk“ im Vorfeld der Debatte eine Sprecherin von Čepro. Preol und das Unternehmen Primagra, das ebenfalls zu Agrofert gehört, hätten der staatlichen Aktiengesellschaft demnach zusammen mehr als 55 Prozent des gesamten Biodiesels geliefert. Den Rest habe sie laut „Dotyk“ von Firmen bezogen, die ihn aus dem Ausland importierten.

Die Regierung hatte nun vorgeschlagen, Biodiesel weiterhin zu fördern. Kritik daran kam unter anderem vom stellvertretenden Vorsitzenden der Oppositionspartei TOP 09 und ehemaligen Finanzminister Miroslav Kalousek. Er behauptete, vor allem Agrofert profitiere von der staatlichen Unterstützung – er sprach von fünf Milliarden Kronen. Auch der ODS-Vorsitzende Petr Fiala warf Babiš vor, er missbrauche seine politische Position für eigene wirtschaftliche Interessen. Babiš hielt dagegen, die Steuervorteile kämen nicht den Herstellern von Biokraftstoff, sondern den Verbrauchern zugute. Landwirtschaftsminister Marian Jurečka (KDU-ČSL), der den Gesetzesvorschlag vorgelegt hatte, forderte angesichts der Kritik, dass Čepro nicht länger unter die alleinige Zuständigkeit des Finanzministeriums – und damit des Agrofert-Eigentümers Babiš – fallen sollte. Wann der Regierungsentwurf erneut im Parlament diskutiert werden soll, steht noch nicht fest. Babiš sagte unterdessen im Tschechischen Fernsehen, er werde gegen den Vorschlag stimmen: „Mir ist es völlig egal, ob das Abgeordnetenhaus ihn annimmt oder nicht.“

Interessenkonflikt hin oder her – Tatsache ist, dass dem Finanzminister ein ständig wachsendes Firmenimperium gehört, das in vielen Branchen kräftig mitmischt. Die Zahl der Beschäftigten ist in den vergangenen Jahren ständig gestiegen – von 16 im Jahr 1993 auf mehr als 34.000 im Jahr 2013. Die Umsatzerlöse aus Leistungen und Warenverkauf wuchsen im selben Zeitraum von 55 Millionen auf 5,5 Milliarden Euro. Zum Konzern Agrofert gehören mehr als 220 Firmen. In der Landwirtschaft und der Lebensmittelherstellung ist er die Nummer eins in Tschechien, in der Chemieindustrie liegt er auf Platz zwei, außerdem spielen Tochtergesellschaften in den Bereichen Waldwirtschaft und Medien eine wichtige Rolle. Zu den erfolgreichsten Firmen zählte im vergangenen Jahr die SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH mit Sitz in Sachsen-Anhalt. Sie konnten ihren Gewinn im Vergleich zu 2013 um 1,3 auf 2,9 Milliarden Kronen steigern.

Aber nicht nur wo Agrofert draufsteht, ist Geld von Babiš im Spiel. So ist der Finanzminister auch Mitgründer und Anteilseigner des Investitionsfonds Hartenberg Holding, der über etwa fünf Milliarden Kronen (Stand: Februar 2015) verfügt. Das Vermögen wird vor allem in Tschechien, Österreich, Polen und der Slowakei investiert. Zuletzt kaufte der Fonds über seine Tochtergesellschaft FutureLife unter anderem die Poliklinik Dům zdraví in Velké Meziříčí. Das Krankenhaus macht jährlich etwa 50 Millionen Kronen Umsatz und bietet Leistungen in 20 medizinischen Bereichen für ein Einzugsgebiet, in dem 70.000 Menschen leben.

Interesse an Hamé
Die Holding FutureLife fasst die Aktivitäten des Hartenberg Fonds im Gesundheitswesen zusammen. Das sind derzeit 16 Einrichtungen in Tschechien und der Slowakei, darunter die Prager Klinik ISCARE I.V.F. und die Unternehmen Reprofit International und GynCentrum, die ebenfalls Kliniken für Gynäkologie und Reproduktionsmedizin betreiben. Im vergangenen Jahr erwarb die Holding außerdem die Mehrheit an der Gesellschaft První privátní chirurgické centrum, die unter dem Namen Sanus centrum Krankenhäuser in Hradec Králové, Pardubice und Jihlava betreibt. Im Februar genehmigte zudem das Kartellamt die bisher größte Übernahme der Holding, den Erwerb der Kliniken für künstliche Befruchtung Gennet. Mit Standorten in Prag, Liberec und London machte das Unternehmen im vorvergangenen Jahr etwa 360 Millionen Kronen Umsatz. Es beschäftigt mehr als 200 Angestellte, die jährlich etwa 25.000 Patienten behandeln.

Der nächste Großeinkauf der Hartenberg Holding könnte einer der größten und bekanntesten tschechischen Lebensmittelhersteller sein. Wie die Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“ in der vergangenen Woche schrieb, soll Hartenberg der Favorit im Kampf um die Übernahme von Hamé sein. Dem Bericht zufolge ist der Fonds derzeit der einzige Interessent, mit dem der Eigentümer von Hamé, der isländisch-lettische Fonds Nordic Partners, bisher verhandle. Offiziell wollten die Beteiligten das bisher aber nicht kommentieren. Nordic Partners sucht bereits seit dem vergangenen Jahr nach einem Käufer für Hamé. Laut „Hospodářské noviny“ will der derzeitige Besitzer 150 bis 200 Millionen Euro, umgerechnet etwa vier bis 5,5 Milliarden Kronen, für den tschechischen Lebensmittelhersteller verlangen.

Ob mit Hamé oder ohne: Dass die Oppositionsparteien bei so viel wirtschaftlicher Macht auf einen möglichen Interessenkonflikt hinweisen, liegt auf der Hand. Die Mehrheit der Bevölkerung stört der wirtschaftliche Erfolg des Babiš-Imperiums dagegen offenbar nicht. Wie eine Umfrage des Forschungsinstituts STEM in der vergangenen Woche zeigte, ist der Finanzminister und ANO-Chef weiterhin der beliebteste Politiker im Land. 64 Prozent der Tschechen sind ihm demzufolge wohlgesonnen, während der zweitplatzierte Premierminister Bohuslav Sobotka (ČSSD) nur 54 Prozent Zustimmung erreicht. Außer Verteidigungsminister Martin Stropnický (ANO, 52 Prozent) kommt kein weiterer Politiker auf mehrheitlich positive Bewertungen.