Albanien reicht ČEZ die Hand

Albanien reicht ČEZ die Hand

Tirana will eine außergerichtliche Einigung im Stromstreit erzielen. Die Regierung fürchtet angeblich hohe Geldstrafen

23. 10. 2013 - Text: Nancy WaldmannText: nw/čtk; Foto: Steffen Emrich

Im Streit mit dem Energieunternehmen ČEZ geht die albanische Regierung einen Schritt auf den tschechischen Konzern zu. Damit will Tirana eine außergerichtliche Einigung im seit Mai andauernden internationalen Schiedsverfahren erzielen. „Ein Verfahren, das sich über lange Jahre hinzieht, würde Investitionen im Energiesektor blockieren und dem gesamten System der Stromversorgung schaden, das schon jetzt in einer finanziellen Krise steckt“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters den albanischen Energieminister Damian Gjiknuri.

Der Konflikt zwischen Tirana und dem zu zwei Dritteln in der Hand des tschechischen Staats befindlichen Energieunternehmen, dessen Tochter ČEZ Shperndarje als Stromversorger in Albanien auftritt, hatte die Dimension eines außenpolitischen Zwists angenommen. Als „sehr enttäuschend“ und widersprüchlich zu den von Tschechien unterstützten Ambitionen auf einen EU-Beitritt des Balkanstaates hatte im Januar dieses Jahres der damalige Premierminister Petr Nečas das Vorgehen der albanischen Behörden bezeichnet. Diese hatten ČEZ kurz zuvor die Lizenz für den Stromvertrieb entzogen und das Unternehmen unter staatliche Aufsicht gestellt.

Mit dem Lizenzentzug war ein bereits länger schwelender Streit eskaliert. ČEZ hatte 2009 mit 102 Millionen Euro 76 Prozent des staatlichen albanischen Elek­trizitätsversorgers gekauft. Dies mit dem Versprechen, in die Modernisierung des Stromnetzes zu investieren, das sich damit europäischen Standards annähern sollte. Bald aber begannen die Probleme für ČEZ: Erst die schlechte Zahlungsmoral der Kunden und häufiger Stromklau, dann erhöhte die albanische Energie-Regulierungsbehörde auch noch die Gebühren, die ČEZ der staatlichen Strom-Gesellschaft für die Nutzung des Netzes zahlt.

Gleichzeitig untersagte die Behörde, die Strompreise für die Endverbraucher zu erhöhen. ČEZ stellte im vergangenen Herbst zahlreichen Kunden den Strom ab und kappte die Verbindung zum staatlichen Wasserwerk, um so Schulden in Höhe von 38 Millionen Euro einzutreiben. Ein Gericht in Tirana zwang ČEZ, die Verbindung wieder herzustellen. Kurz darauf bot ČEZ die Tochter zum Verkauf an. Über 200 Millionen Euro Verlust soll ČEZ in Albanien eingefahren haben. Einen Teil davon wollte man im Rahmen des internationalen Schiedsverfahrens zurückfordern. ČEZ bezieht sich dabei auf eine sowohl von Tschechien als auch von Albanien ratifizierte Energie-Charta, die den Schutz internationaler Investitionen im Energiesektor regelt.

Neue Regierung, neuer Kurs
Tirana wollte mit dem Lizenzentzug auch den Verkauf verhindern. Die Begründung war, dass ČEZ die Stromversorgung nicht gewährleistet habe. Zudem sei nicht wie vereinbart in die Netzmodernisierung investiert worden. Im Schiedsverfahren hegte auch der albanische Staat Forderungen an ČEZ in Höhe von rund einer Milliarde US-Dollar (rund 730 Millionen Euro). Es sei dies die Summe, die der Konzern mit seinem Vorgehen dem Land an finanziellem Schaden zugefügt haben soll.

Mit dem jetzigen Verhandlungsangebot wolle sich die Regierung laut Reuters drohenden hohen Geldstrafen entziehen, die zum einen das Energiesystem des armen Staates schwer belasten würden, zum anderen könnten sie dem Image Albaniens in den Augen ausländischer Investoren schaden. Die Regierung hat eine Arbeitsgruppe gegründet, die mit ČEZ verhandeln soll. Grund für den neuen Kurs ist offenbar der Regierungswechsel vor fünf Wochen. Seitdem lenkt nämlich die Sozialistische Partei die Geschicke des Landes. Minister Gjiknuri, der zum Kabinett des neuen Premiers Edi Rama gehört, wirft der Vorgängerregierung mangelnde Kontrolle über ČEZ Shperndarje vor. Gleichwohl hält Gjiknuri ČEZ entgegen, vertragliche Verpflichtungen in Bezug auf die Netzmodernisierung nicht erfüllt zu haben.