Die nationalistische Karte

Die nationalistische Karte

Präsidentschaftswahl: Klaus verbündet sich mit Zeman gegen Schwarzenberg

24. 1. 2013 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: čtk

Am Samstag steht fest, wie der erste direkt vom Volk gewählte Präsident der Tschechischen Republik heißt. Über 8,5 Millionen Wahlberechtigte sollen darüber entscheiden, ob der ehemalige Regierungschef Miloš Zeman oder der amtierende Außenminister Karel Schwarzenberg die kommenden fünf Jahre das höchste Amt im Staat innehaben wird. Beim ersten Urnengang am 11. und 12. Januar stimmten nur knapp 42.000 Tschechen mehr für den langjährigen Vorsitzenden der Sozialdemokraten (ČSSD) als für den Vorsitzenden der Regierungspartei TOP 09.

Schwarzenbergs Beteiligung an der beim Volk wegen ihrer unerbittlichen Reformpolitik in Ungnade gefallenen Regierung versucht Zeman nun für sich auszunutzen, bevor am Freitag Nachmittag die ersten Kreuze auf den Wahlzetteln gemacht werden. Sein Programm beruht in erster Linie auf der Kritik an der Regierung im Allgemeinen und an Finanzminister Miroslav Kalousek (TOP 09) im Besonderen. Über 900 Plakatwände im ganzen Land und unzählige Werbeflächen auf tschechischen Internetseiten zeigen einen grinsenden Präsidentschaftskandidaten Zeman, der seinen Daumen nach oben streckt. Links neben ihm der Wahlspruch „Stop Kalouskovi na Hradě – Volte Zemana“, was man frei übersetzen könnte mit „Kalousek soll nicht auf die Prager Burg! Deshalb Zeman wählen“. Schlagfertige Argumente scheint Zeman gegen seinen eigentlichen Kontrahenten Schwarzenberg nicht vorweisen zu können. Stattdessen spielt der einstige Sozialdemokrat mit den Ängsten seiner Landsleute und redet ihnen ein, der unpopuläre Finanzminister könnte einen künftigen Präsidenten Schwarzenberg stark beeinflussen. Eines steht fest: Zeman will mit diesem Vergleich dort auf Stimmenfang gehen, wo man die Folgen der Reformpolitik am stärksten spürt – vor allem bei unzufriedenen und politikverdrossenen Nichtwählern. Rückenwind bekam er bereits aus dem linken Lager – sowohl Sozialdemokraten als auch Kommunisten empfehlen die Wahl Zemans.

Präsidiale Schützenhilfe
Der redegewandte Ex-Premier setzt zudem auf die Diskussionen in Funk und Fernsehen. „Das ist der Weg, wie man am effektivsten das breiteste Wählerspektrum ansprechen und erklären kann, wie man die aktuellen Probleme des Landes am besten löst“, meint Hana Burianová aus Zemans Wahlkampfteam, das noch Methoden ganz anderer Art auf Lager hat.

Am Dienstag erschien in der Tageszeitung „Lidové noviny“ ein Bericht, in dem die Zeman-Anhänger Karel Schwarzenberg und seiner Ehefrau Therese vorwerfen, ihre Familien hätten enge Kontakte zu nationalsozialistischen Kreisen gepflegt. Dies bezeuge unter anderem ein Bild auf der angeblich noch in Familienbesitz befindlichen Burg Hardegg, auf dem neben einem Hakenkreuz auch Menschen mit Hitlergruß zu sehen seien. Tatsächlich jedoch gehört die Burg in Niederösterreich seit über 300 Jahren nicht mehr der Familie von Therese Schwarzenberg, geborene Hardegg. Der Leiter des Wahlkampfteams hat die fehlerhafte „kleine Bemerkung“ inzwischen zwar eingestanden. Bei vielen Tschechen jedoch bleibt sie haften, ebenso die Attacken, die von allerhöchster Stelle ausgingen.

Gemeint ist Präsident Klaus, der sich ursprünglich aus dem Wahlkampf heraushalten und sich auf keinen Kandidaten festlegen wollte. Während eines Skiausflugs äußerte er nun, sein Nachfolger müsse jemand sein, der sein gesamtes Leben in dem Land verbracht hat, das er künftig zu repräsentieren habe. „Sowohl in schweren als auch guten, den besten und schlechteren Zeiten“, schwadronierte Klaus und stellte sich damit indirekt gegen Schwarzenberg, der im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 gezwungenermaßen ins Exil gehen musste. Die Gattin des Präsidenten, die gebürtige Slowakin Livia Klausová, schoss einen Tag später gegen ihre mögliche Nachfolgerin als First Lady: „Ich will nicht, dass eine Dame, die ausschließlich Deutsch spricht, meinen Platz einnimmt.“ Auch der Sohn des Präsidentenpaars Václav Klaus junior stimmte in den Kanon gegen die Schwarzenbergs ein. Es störe ihn nicht nur, so sagte er in einem Interview, dass Schwarzenberg eine schlechte Aussprache habe, sondern vielmehr, dass man im Wahlkampf nicht über die NS-Vergangenheit seines Schwiegervaters diskutieren würde. Nach dem Abdruck des Gesprächs war diese in aller Munde.

Unverzeihliche Aussagen
Ein anderes Thema erregte jedoch größeres Aufsehen und gab dem Sieger der ersten Wahlrunde unverhoffte Munition. Im ersten von insgesamt vier Fernsehduellen öffnete Karel Schwarzenberg unbedacht die Büchse der Pandora, indem er seine Ansichten zur Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg kundtat. „Das, was wir im Jahr 1945 (gemeint ist die „wilde Vertreibung“ der Sudetendeutschen, Anm. d. Red.) verbrochen haben, würde heute als grobe Menschenrechtsverletzung verurteilt. Die damalige Regierung von Edvard Beneš hätte sich heute in Den Haag zu verantworten.“ Nicht nur Zeman deutete diese Äußerung in seinem Interesse um – seinem Kontrahenten, so sagte er, könne er fortan keinen Respekt mehr entgegenbringen, denn er spreche wie ein Sudetendeutscher und nicht wie ein Staatsoberhaupt. Präsident Klaus hält die Aussagen für „unverzeihlich“ und schlussfolgerte am Samstag, Schwarzenberg wolle die Nachkriegsordnung in Frage stellen.

Aus dem Zusammenhang
Der Tschechische Verband der Freiheitskämpfer (Český svaz bojovníků za svobodu) und der in der ersten Wahlrunde an Schwarzenberg gescheiterte Ex-Regierungschef Jan Fischer erklärten aufgrund der Beneš-Bemerkung, ihre Unterstützung gelte Miloš Zeman. Schwarzenberg würde Beneš mit einem Kriegsverbrecher vergleichen und nicht nur dessen Ansehen, sondern auch das des gesamten Landes im Ausland beschädigen, empörte sich Fischer.

Schwarzenberg, dessen Position nun deutlich geschwächt ist, versucht gelassen zu bleiben. „Fischer unterstützt das alte System und nicht den Wandel“, reagierte der Außenminister auf die Parteinahme des drittplatzierten Präsidentschaftskandidaten. Dem noch amtierenden Staatsoberhaupt empfahl er, „aufmerksam zu lesen, was ich wirklich gesagt habe und nicht darüber zu reden, was ich nicht gesagt habe.“ Die Beneš-Dekrete seien natürlich ein „untrennbarer Teil der tschechischen Rechtsordnung“.

In einem Wespennest die richtigen Worte zu finden, fällt schwer. Ob die meisten Schwarzenberg Glauben schenken, wenn er vom „Betrug an den tschechischen Wählern“ spricht? Dass der von Klaus und Zeman jahrelang als unüberbrückbar deklarierte Gegensatz zwischen dem rechten und linken Lager gemeinsamen Machtinteressen gewichen ist? Was wird Schwarzenbergs Popularität bei der jungen Generation am Ende wert sein, was ihm die Unterstützung der Intellektuellen sowie der unterlegenen Kandidaten Jiří Dienstbier (ČSSD) und Zuzana Roithová (KDU-ČSL) oder die des unbeliebten Regierungschefs Petr Nečas (ODS) einbringen? Die Direktwahl des Präsidenten, die – um die Worte von Václav Klaus aufzugreifen, tatsächlich an „Tschechien sucht den Superstar“ erinnert, und zu einem oft unsachlichen und zuweilen schmutzigen Wahlkampf führte – wird 20 Jahre nach Staatsgründung zur Reifeprüfung der tschechischen Gesellschaft.