Bürgerrechtlerin wird Bürgerrechtsbeauftragte

Bürgerrechtlerin wird Bürgerrechtsbeauftragte

Mit Anna Šabatová ist eine Dissidentin die erste Ombudsfrau Tschechiens. Dem Amt möchte sie mehr Schlagkraft verleihen

26. 2. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: privat

Anna Šabatová gab sich bei ihrer Antrittsrede im Parlament kämpferisch. Das Amt der Bürgerrechtsbeauftragten genieße zwar den Respekt der Bevölkerung. „Ich bin aber überzeugt davon, dass die potentiellen Möglichkeiten des öffentlichen Hüters des Rechts nicht ausgeschöpft wurden“, sagte die einstige Dissidentin im Abgeordnetenhaus. Das war an die Politiker und gleichzeitig an ihren Vorgänger Pavel Varvařovský gerichtet.

Der hatte sich häufig beschwert, dass seine Behörde ein Papiertiger sei, der den Steuerzahler Millionen koste und von den Gesetzgebern ignoriert werde. Varvařovský hatte in zwei Jahren 16 Vorschläge zu Gesetzesänderungen vorgelegt. Nur in einem Fall erhielt er dabei die Unterstützung der Abgeordneten. Als der Jurist Ende des vergangenen Jahres seinen Rücktritt erklärte, war für viele Beobachter klar, dass dabei neben der Krankheit seiner Frau auch die Erfolglosigkeit seiner Arbeit als Ombudsmann eine Rolle spielte.

Šabatová sagte in einem Interview mit dem Tschechischen Fernsehen, ihr Vorgänger habe nicht mit der nötigen Verbissenheit an die Politiker appelliert. Das solle sich mit ihrem Amtsantritt ändern. So wie die Kompetenzen des Bürgerrechtsbeauftragen, die Šabatová entscheidend erweitern möchte. Die Regierung hat angekündigt, dieses Vorhaben zu unterstützen. Im Moment kann die Ombudsfrau Missstände, auf die sie Beschwerdesteller hinweisen, publik machen, sie kann die Behörden zur Rücknahme ihrer Fehler auffordern und die gerichtliche Überprüfung von Rechtsnormen anstoßen.

Gegenüber der „Prager Zeitung“ hob Šabatová auch die Verdienste ihrer Vorgänger hervor. Vor allem sei es ihnen hoch anzurechnen, dass der Bürgerrechtsbeauftragte in 14 Jahren zu einer vertrauensvollen Adresse für die Beschwerdesteller geworden ist. Konkret lobte sie die früheren Untersuchungen zur Zwangssterilisierung von Roma-Frauen oder die Durchsetzung eines besseren Schutzes vernachlässigter Kinder.

Šabatová hat viel vor. Sie werde sich beispielsweise für die Einführung eines Gesetzes über soziales Wohnen einsetzen. Šabatová will sich auch für die Einführung eines von der EU geforderten Beamtengesetzes sowie für kostenlose Rechtsberatung stark machen. Eine der ersten Veröffentlichungen aus dem Brünner Büro der Ombudsfrau kritisierte in der vergangenen Woche die oftmals unzureichenden Pflegebedingungen für Demenzkranke.

Die öffentlichen Reaktionen auf Šabatovás Wahl fielen überwiegend positiv aus. Vor allem wegen ihres unerschrockenen Einsatzes gegen das kommunistische Regime genießt die 62-Jährige großen Respekt in der Bevölkerung. Präsident Zeman hatte dennoch Bedenken geäußert, weil Šabatová 2006 als stellvertretende Leiterin in einen – wie sie sagt, mit betrügerischer Absicht der Beschwerdesteller vorbereiteten – fiktiven Adoptionsfall verwickelt wurde. Zeman hatte Šabatovás erfolglosen Gegenkandidaten Křeček zur Wahl nominiert.

Hintergrund
Der Ombudsmann der Tschechischen Republik (Veřejný ochrance práv, ins Deutsche etwa mit Öffentlicher Hüter des Rechts zu übersetzen) hat die Aufgabe, zum Schutze der Bürger gegen Missstände in der Verwaltungstätigkeit staatlicher Institutionen vorzugehen. Das Amt wurde 1999 eingeführt und über zwei Amtsperioden vom ehemaligen Dissidenten und parteilosen Justizminister Otakar Motejl ausgeführt. Nach dessen Tod 2010 wurde Pavel Varvařovský zu seinem Nachfolger gewählt. Er trat am 11. Dezember 2013 zurück – wie er bekannt gab aus privaten und dienstlichen. Anna Šabatová wurde in zweiter Runde von einer knappen Merheit im Parlament zur ersten Ombudsfrau des Landes gewählt. Sie hat die Rolle einer parteilosen Schiedsperson, die die Bürger vor Untätigkeit und Fehlentscheidungen der staatlichen Behörden schützen soll.

Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts CVVM stieg die Glaubwürdigkeit des Bürgerrechtsbeauftragen in den vergangenen 10 Jahren. Während 2004 dem Ombudsmann noch 51 Prozent der Bürger vertrauen, traf dies 2013 bei 63 Prozent zu. Die Omubudsfrau genießt damit ein höheres Ansehen, als etwa das Verfassungsgericht.

Vergleichbare Einrichtungen gibt in Firmen und Organisationen sowie in in anderen Ländern, wo die Amtsinhaber jedoch unterschiedliche Bezeichnungen und Kompetenzen haben. Ombudsmänner gibt es in der Deutschen Bahn und bei der New York Times. Die EU hat einen Europäischen Bürgerbeauftragen, Polen einen Bürgerrechtssprecher, Estland einen Rechtskanzler. In Deutschland übt der Petitionsausschuss des Bundestages sowie Bürgerbeauftragte auf Länderebenen ähnliche Funktionen aus, die Österreicher richten ihre Beschwerden an die Volksanwaltschaft.