„Die Bedingungen im Ausland sind besser“

„Die Bedingungen im Ausland sind besser“

Show-Fechter Roman Spáčil über die Flaute bei tschechischen Mittelalterspektakeln und die Flucht zum Film

3. 7. 2013 - Interview: Sabina Poláček

Historische Fechtkunst hat in Tschechien eine lange Tradition. Die Nachfrage nach Ritterturnieren ist laut Roman Spáčil allerdings gesunken. PZ-Mitarbeiterin Sabine Poláček sprach mit dem Präsidenten des Tschechischen Fechtverbands und Mitglied der Showkampfgruppe „Merlet“ über die Situation in seiner Branche.

Am 12. Juli treten Sie mit „Merlet“ zum ersten Mal beim Kaltenberger Ritterturnier in Geltendorf bei München auf. Wie kam die Gruppe zu diesem Engagement und was erwartet die Zuschauer?
Roman Spáčil: Wir wurden dort jemandem empfohlen. Das ist in dieser Branche so üblich. Es gab in Kaltenberg bereits in der Vergangenheit eine tschechische Gruppe. Ich selbst war noch nie dabei. Deshalb freue ich mich, mit meinen anderen sechs Kollegen dort auftreten zu können. Wir zeigen unsere eigene Show: tagsüber Zweikampf im Renaissance-Kostüm, abends während der Hauptshow im Stil der Gotik.

Auf Facebook bedauert ein Fan, dass „Merlet“ immer seltener in Tschechien auftritt…
Spáčil: Ja, das stimmt. Wir haben etwa 150 Auftritte pro Jahr, davon nur 20 in Tschechien. Die Nachfrage nach historischen Kämpfen ist gesunken, deshalb treten wir häufiger im Ausland auf – auch in Deutschland. Da kleine Live-Shows, die wenige Stunden dauern, nur wenig Geld einbringen, suchen wir und viele andere tschechische Fechtgruppen nach Engagements beim Film. Die Bedingungen bei ein- bis zweiwöchigen Dreharbeiten im Ausland sind einfach besser.

Welche Gründe gibt es für das anscheinend sinkende Interesse an historischen Kampfdarbietungen?
Spáčil: Ich kann mir das nicht erklären. Den ersten Boom für Ritterturniere und Mittelalterspektakel gab es in Tschechien zwischen 1983 und 1987 und später nochmal gegen Ende der neunziger Jahre. Seitdem geht es nur noch bergab. Während es 1993 noch 11.000 Zuschauer zum Kampf auf die Burg in Točník zog, besuchen ähnliche Veranstaltungen nur noch etwa eintausend Leute – und das ist noch gut.

„Merlet“ organisiert als Agentur auch Mittelalterfeste. Welche Events sind von der Flaute betroffen?
Spáčil: Das Open-Air-Festival für Mittelaltermusik „Nebe a dudy“ auf der Burg Točník in Mittelböhmen sollte dieses Jahr eigentlich wieder stattfinden, doch die Show entfällt. Auch „Die Rückkehr der Musketiere“ auf dem Schloss Sychrov nahe Liberec musste im vergangenen Jahr aufgegeben werden. Beide Veranstaltungen waren schlichtweg unrentabel. Und auch die Burg Kost hat ihre Tore für den Event „Dobráci od Kosti“ („Gutmenschen auf der Burg Kost“, Anm. d. Red.), das zwischen den Jahren 2008 und 2011 stattfand, geschlossen. Die Zuschauer kommen einfach nicht mehr.

Die Prager Stadtverwaltung hat eigenen Angaben zufolge seit dem Jahr 1989 keine Ritterturniere mehr veranstaltet. Es seien vielmehr die einzelnen Stadtteile, die historischen Fechtkampf mit diversen Veranstaltern auf die Beine stellten wie etwa das „Klamo­klání“ im Klamovka-Park. Wie sehen die Auftrittsmöglichkeiten für historische Fechter bei Festen in der tschechischen Hauptstadt aus?
Spáčil: Die Prager Stadtverwaltung scheint keinen Gefallen an Ritterturnieren zu haben und verfolgt andere Interessen. Dabei hat die historische Fechtkunst in Tschechien eine lange Tradition. Das Magistrat ist eben eine Welt für sich.

Zur Person
Roman Spáčil wurde 1968 in Prag geboren. Der Ingenieur für elektronisch-medizinische Geräte trat der 1987 gegründeten Gruppe „Merlet“ im Jahr 1988 als Fechter bei. Seit 1993 arbeitet er als Profi für historischen Fechtkampf. Zwischen 1996 und 2008 war er als Fechtlehrer an der Prager Schauspielschule in Michle tätig. Als Ausbilder für historischen Fechtkampf arbeitete Spáčil im Rahmen internationaler Filmprojekte zusammen mit Schauspielern wie Joachim Król oder Matt Damon.

Der Profi-Fechter nahm 2006 und 2011 an der „World Championship in Stage and Screen Fight“ teil und kämpfte mit der Gruppe „Merlet“ in mehr als 70 internationalen Filmproduktionen, wie zum Beispiel „Tristan und Isolde“, „Les Misérables“ oder „Die Wanderhure“. Neben den Dreharbeiten gestaltet er Fechtchoreographien für Theater und Musicals sowie für verschiedene Festlichkeiten mit Kampfszenen aus der Antike über das Mittelalter bis hin zum Barock. Als Präsident des Tschechischen Fechtverbands (Česká asociace šermířů) ist Roman Spáčil für die Auswahl der Mitglieder zuständig (derzeit rund 50) sowie für deren Fortbildung und Sicherheit.

Historische Fechtkämpfe in und außerhalb von Prag

Kaltenberger Ritterturnier in Geltendorf bei München (größtes Ritterturnier der Welt, mit den Fechtern der Gruppe „Merlet“), 12.–14. Juli, 19.–21. Juli und 26.–28. Juli, Infos unter www.ritterturnier.de

Klamoklání (Fechtkunst des Barock, Tanz und Gaukler, Stunt-Shows), Park Klamovka, Prag 5, 14. September

Křivoklání (Mittelalterfest mit Musik, Ständen, Theater- und Tanzvorführung, traditionellem Handwerk und Rittershow der Gruppe „Merlet“), Burg Křivoklát, 13.–14. Oktober

Bílá hora 1620 (Nachstellung der Schlacht am Weißen Berg), Areal des Schlosses Hvězda, Prag 6, 21.–22. September