Wo Vampir und Eulenprinzessin herumspuken

Wo Vampir und Eulenprinzessin herumspuken

Von Klosterruine bis Felsenstube: Sechs sagenumwobene Ausflugsziele in Böhmen und Mähren

13. 10. 2015 - Text: Daniela Honigmann

Berg Krudum im Kaiserwald
Jahrhundertelang war die Kirche St. Nikolaus am Fuße des Berges Krudum unter dem Erdreich verborgen. Eine Legende besagt, dass sie im 13. Jahrhundert am nördlichen Pass des Berges errichtet wurde. Von dem Sakralbau im Kaiserwald (Slavkovský les) zwischen Karlovy Vary, Mariánské Lázně und Františkovy Lázně fehlte jedoch jede Spur. Erst 2002 legten Archäologen die Überreste des spätromanischen Bauwerks frei. Außerdem entdeckten sie Münzen, Keramik, Metallgegenstände zum täglichen Gebrauch sowie Gräber. Wie die Forscher herausfanden, wurde die 1253 erstmals urkundlich erwähnte Kirche hauptsächlich von Bergleuten besucht. Als der Bergbau an Bedeutung verlor und die Arbeiter die Gegend verließen, verfiel sie.

Wer den etwa sechs Kilometer nördlich von Horní Slavkov gelegenen Ort heute besucht, findet etwa zwei Meter hohe Mauer­reste vor. Für Wanderer und Radfahrer bietet der 838 Meter hohe Krudum eine romantische Kulisse. An der Ruine führt ein Radwanderweg vorbei, auf dem man zum nahengelegenen Aussichtsturm gelangt. 

Anfahrt von Prag E48 Richtung Karlovy Vary, Ausfahrt Bochov, Route 208 bis Horní Slavkov

Felsenburg im Böhmischen Paradies
Nicht nur Kletterer dürften die Reste der Felsenburg Drábské světničky (etwa „Schergenstübchen“) im Böhmischen Paradies, unweit von Turnov, faszinieren. Sie stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert; Zugang zu ihr findet man durch das sogenannte Frauentor (Ženská vrata). In 15 Metern Höhe lassen sich hier noch mehrere Kammern entdecken, von denen es einst etwa 30 gegeben haben soll. Gemeißelt in sieben Sandsteinfelsen und ursprünglich verbunden durch Holzbrücken und Leitern, dienten sie wahrscheinlich als Vorratslager; die zugehörigen Wohnbauten aus Fachwerk sind nicht mehr erhalten. Ihren Zweck erfüllte die Burg nur kurze Zeit, bereits nach der Schlacht bei Lipan 1434 wurde sie verlassen. Die Felsenstübchen boten Menschen aber auch später immer wieder Zuflucht, beispielsweise während des Dreißigjährigen Krieges oder im Zweiten Weltkrieg für Partisanengruppen. Beachtenswert ist die Kammer mit einem eingemeißeltem Altar und nicht zuletzt der wunderbare Ausblick über das Tal der Iser.

Anfahrt über E65, Ausfahrt Mnichovo Hradiště bis nach Dneboh

Pestfriedhof in Žďár nad Sázavou
In Žďár nad Sázavou in der Böhmisch-Mährischen Höhe, rund 350 Meter nordwestlich des ehemaligen Zisterzienser-Klosters, befindet sich ein einmaliger barocker Friedhof. Angelegt im Jahr 1709 vom böhmischen Architekten und Maler Johann Blasius Santini-Aichl, wurde er 1720 auf Geheiß des Kaisers für die Opfer der Pest eröffnet. Auf dem Friedhof ruht angeblich der letzte tschechische Vampir. Hinter dem Blutsauger soll sich Alois Richter verbergen, der im 19. Jahrhundert in der Gegend mit grausamen Methoden herrschte. Auch nach seinem Tod drangsalierte er die Bewohner, so die Legende. Als diese sein Grab öffneten, fanden sie einen lebendigen Körper. Die Priester beschworen den Leib, der sich noch einmal aufbäumte. Ein Scharfrichter schlug ihm mit einem Spaten den Kopf ab, aus dem frisches Blut strömte – der Beweis dafür, dass es sich um einen echten Vampir handelte. Das Grab wurde gründlich versiegelt. Seitdem leben die Bewohner von Žďár nad Sázavou in Ruhe. Wer den Friedhof dort besucht, sollte auch den Rest der Stadt erkunden. Mit der Wallfahrtskirche des Heiligen Johannes von Nepomuk auf dem Berg Zelená Hora beherbergt der Ort ein Bauwerk der Barockgotik, das 1994 zum Unesco-Welterbe ernannt wurde. 

Anfahrt von Prag über E50 oder E65 Richtung Jamné, bei Ausfahrt  119 Route 353 wählen bis Žďár nad Sázavou

Steinerner Hirte bei Klobuky
Einsam steht der „Steinerne Hirte“ („Kamenný pastýř“) auf einem Feld etwa einen Kilometer vom nächsten Ort Klobuky entfernt. Mit beinahe dreieinhalb Metern Höhe ist er der größte Menhir Tschechiens, ein säulenförmiger Felsen, der wahrscheinlich zur Zeit der Boier (4. bis 1. Jahrhundert vor Christus) von Menschenhand aufgestellt wurde. Er wiegt etwa fünf Tonnen – da verwundert es nicht, dass die Ortschronik von einer „mehrstündigen Schinderei“ berichtet, mit der der Stein 1852 nach einem starken Sturm wieder aufgerichtet wurde. Eine der Legenden, die ihm seinen Namen gaben, erzählt von einem Hirten, der so lange auf seine Schafe wartete, bis er zu Stein wurde.
Weiterhin heißt es, der Stein würde sich bei jedem Kirchenläuten um die Größe eines Sandkorns vorwärts bewegen. Erreicht der „Steinerne Hirte“ irgendwann einmal die Kirche in Klobuky, soll die Welt untergehen. Davor fürchten sich die findigen Bewohner freilich nicht, muss der Hirte doch bei jedem Glockenschlag im entgegen gelegenen Kokovice auch wieder einen Schritt zurückgehen. 

Anfahrt über die Landstraße 237 von Klobuky nach Telec, der Stein befindet sich etwa 100 Meter östlich auf dem angrenzenden Feld

Eulenprinzessin auf Burg Sovinec
In der Mährisch-Schlesischen Region, nördlich von Olomouc, ist Sovinec, die „Eulenburg“, einen herbstlichen Besuch wert. Im Jahr 1333 angelegt und ab 1624 in der Hand des Deutschen Ritterordens, ranken sich zahlreiche Legenden um das alte Gemäuer. Sie verweisen etwa auf eine spukenden Dame, wahlweise ganz in Weiß oder Schwarz, wie sie zu den Sagen vieler Burgen und Schlösser gehört, oder einen grauen Kobold. Im Erdreich unter der Burg vermutet man zudem die in einem silbernen Sarg beerdigte „Eulenprinzessin“. Immer wieder wird von unerklärlichen Geräuschen berichtet, die besonders dem fünften Burghof eine unheimliche Atmosphäre verleihen. Und nicht zuletzt halten sich die Gerüchte um einen verborgenen Schatz, die aus der Zeit der deutschen Besatzung stammen. Ab 1942 diente Sovinec als Sitz der SS, die hier Erbeutetes aus dem Frankreichfeldzug lagerte. Nach dem Abzug wurde die Burg von den Bewohnern der Umgebung geplündert; sie bedienten sich vor allem an den großen Vorräten französischen Weins. Im Mai 1945 brannte die Anlage aus, wodurch unter anderem das Archiv zerstört wurde. Heute kann die Burg in rekonstruiertem Zustand besichtigt werden. 

Anfahrt von Prag über E67 Richtung Pardubice, weiter E442 bis Svitavy, ab Bouzov Route 444, Informationen unter www.hradsovinec.cz

Kloster Rosa Coeli bei Brünn
Das Kloster Rosa Coeli („Himmelsrose“) in Dolní Kounice bei Brünn gilt als ältestes Frauenkloster Mährens; zugleich zählt es zu den bedeutendsten mitteleuropäischen Sakralbauten der Hochgotik. Der Sage nach gründete Wilhelm von Pulin das Kloster für Nonnen des Prämonstratenserordens im Jahr 1181, um Buße für begangene Gräueltaten zu tun. Von der Anlage, die während der Hussitenkriege (1419–1436) verwüstet wurde, sind heute nur noch Ruinen erhalten; man findet sie am Ortsrand von Dolní Kounice am Ufer des Flusses Jihlava. In den Mauern des Klosters soll einst eine Quelle positiver Energie gewirkt haben, die heilenden Einfluss auf Besucher hatte. Ein unseliges Kapitel der Klostergeschichte schrieb Probst Martin Göschl, unter dessen Amt in dem Gemäuer angeblich Unzucht betrieben wurde. Göschl musste nach Folter im Jahr 1526 den Ort verlassen. Der neue Probst war ähnlich lasterhaft, so nahmen die Anwohner ihr Geschick selbst in die Hand und stürmten das Kloster. Nach der blutigen Auseinandersetzung fanden sie angeblich elf tote Frauen in dem Gebäude, die gefoltert worden waren. Heute dient die Ruine vor allem als Kulisse für Freilichtveranstaltungen.

Anfahrt über E50 und E65 Richtung Veveří, Abfahrt Ostrovačice bis Dolní Kounice. Informationen unter www.dolnikounice.cz