Wo Glücksritter einst nach Gold suchten
Ein Erlebnis-Wochenende im tschechisch-polnischen Grenzgebiet
2. 10. 2013 - Text: Hartmut KöllingText: Hartmut Kölling; Foto: Olaf1541
Im frühen Herbst machte sich Hartmut Kölling mit seinem Rucksack auf den Weg, um aus den neuen Bundesländern in Richtung Osten zu fahren. Sein Ziel: ein Wellness-Aufenthalt im Riesengebirge. Entlang seiner Route begegneten ihm so manch regionale Eigenheiten, halsbrecherische Strecken, himmlische Nussbrote und vor allem immer wieder eine malerische Kulisse.
Straßenrennen mit 26 Kurven
Rückblende: Ausgangspunkt meiner spontanen Unternehmungen ist das tschechische Riesengebirgsvorland. Ich bewundere im Erholungsort Pecka (Petzka) eine ausgesprochen schöne, regionale Volksarchitektur – die typischen nordböhmischen Umgebindehäuser aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zu den Sehenswürdigkeiten des malerischen und ruhigen Städtchens zählt die gotische Burganlage und die Pestsäule mit frühbarockem Brunnen. Am Stadtrand befindet sich ein großes Ferienlager mit kleinen Hütten und einem Freibad. Anschließend geht es weiter ins Kurbad Lázně Bělohrad (Bad Bielohrad). Ich mache einen kurzen Rundgang nach der obligatorischen kleinen Kaffeepause mit leckerem Gebäck. Die Entwicklung des Bades erfolgte nach 1885 unter der preußischen Adligen, Gräfin Anna von Assenburg. Sie ließ erstmals aus dem Moortorf-Lagern Moorbäder zu Heilzwecken verabreichen.
Ich fahre auf Hořice (Horschitz) zu, bekannt durch die süßen Horschitzer Röllchen, eine himmlische Biskuit-Spezialität. Meine tschechischen Freunde machen mich in den Serpentinen der Europastraße 442 auf eine über fünf Kilometer lange und sieben bis neun Meter breite Naturrennbahn aufmerksam, mit immerhin 26 Kurven und einem Höhenunterschied von fast 100 Metern. Mitte Mai bestimmte hier ohrenbetäubender Motorsport und vor allem auch viel Ausgelassenheit die Farbahnen.
Straßenrennen gehören wohl zu den einschneidendsten Erlebnissen, die ein Rennfahrer haben kann. Nicht nur die Isle of Man oder andere begehrte Straßenrennen auf der Insel, sondern auch Hořice, etwa 23 Kilometer nordwestlich von Hradec Králové (Königgrätz) gelegen, zählen zu dem Härtesten, was Road Racing zu bieten hat; seit Jahren ein Geheimtipp für alle Fans des Straßenrennsports. Der mehr als fünf Kilometer lange Straßenkurs zieht alljährlich die Elite der europäischen Straßenszene an. Es sind Piloten aus Deutschland, Österreich, Irland, Großbritannien und natürlich Tschechien am Start. An diesem Tag darf ich mit meinem Renault in den berüchtigten Kurven Gas geben.
Wiege der Bildhauer
In Hořice geht es zielgerichtet zum Friedhof auf dem St.-Gotthard-Hügel mit den berühmten modernen Steinplastiken, eine Galerie unter freiem Himmel mit dem Rieger-Obelisk. Mit dem Neurenaissance-Portal am neuen Friedhof haben sich vor über 100 Jahren Bildhauer ein Denkmal gesetzt. Das in den Jahren 1892 bis 1907 gefertigte Portal ist ein Geschenk von Steinmetzen und der Fachschule. Es entstand in 140.000 Arbeitsstunden; Hořice wird daher auch die „Stadt der steinernen Schönheit“ genannt. Die 1884 gegründete Kaiserlich-Königliche Fachschule für Bildhauer und Steinmetze hat alle gesellschaftspolitischen Ereignisse überstanden und hervorragende, weltweit tätige Künstler, Bildhauer und Techniker hervorgebracht. Über 125 Jahre Ausbildung auf sehr hohem Niveau.
Geheimtipp aus dem Ofen
Am folgenden Tag habe ich mir als Auftakt meines „Wellness-Weekends“ eine kleine Besichtigungstour vorgenommen. „Entdecken – Erleben – Freude haben“, heißt meine Devise. In der Bäckerei in Vysoké nad Jizerou (Hochstadt an der Iser) versorge ich mich für den (langen) Tag. Von den ofenfrischen, leckeren Backwaren (Geheimtipp: Nussbrot) schwärmt die ganze Region. Hier wird noch rund um die Uhr gebacken, hat das Handwerk noch goldenen Boden. Sogar am Sonntag hat die beliebte Bäckerei geöffnet für ihre Kundschaft, die von weither anreist.
Nach einem kurzen Aufstieg über dichtes Wurzelwerk erreiche ich den Aussichtsturm Štěpánka, das weithin sichtbare Symbol von Kořenov (Bad Wurzelsdorf) und der älteste Turm im Isergebirge. Ich bleibe stehen an einem großen steinernen Kreuz aus dem Zweiten Weltkrieg. Das kleine Plateau ist beliebt nicht nur bei Touristen. Der achtseitige neugotische, 24 Meter hohe Turm auf dem Berg Hvězda (959 Meter) steht fast unmittelbar an der Grenze zwischen Riesen- und Isergebirge. Von hier oben hat man eine herrliche Sicht, nicht nur bis zur Schneekoppe, sondern bis zu den kegelförmigen Bergen des Lausitzer Gebirges. Vor 120 Jahren wurde das gepflegte, ausgesprochen schlank wirkende Bauwerk aus Stein und Ziegelsteinen der staunenden Öffentlichkeit präsentiert. Mit dem Bau hatte man bereits 1847 begonnen, in jenem Jahr, als die Straße Liberec (Reichenberg) – Trutnov (Trautenau) entstand.
Für Bergfreunde und Globetrotter
Jizerka (Klein Iser) ist mein nächstes Ziel, ein traumhaft schön, aber wohl auch einsam hoch oben gelegener Ferienort, noch heute Treffpunkt von Bergfreunden und Globetrottern. Das Denkmalschutzgebiet des Dorfes liegt mitten im Zentrum der wilden und schönen Hochebene des Isergebirges. Der Buchberg thront über den Häusern und ist mit über 1.000 Metern der dritthöchste Vulkankegel des Landes.
In das im Mittelalter von böhmischen Vogelstellern und Köhlern gegründete Dorf kamen im 16. Jahrhundert Glücksritter aus ganz Europa und suchten nach Gold und Edelsteinen. Auch in Goethes Steinsammlung fanden sich Exemplare, wie Goldplättchen, rote Rubine, blaue Saphire und die schwarzen Iserine. Am Anfang des 19. Jahrhunderts wurden in Jizerka Glashütten gegründet, gleichzeitig mit ihnen auch das „Herrenhaus“ und der „Gasthof zur Pyramide“. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte man die Glashütten außer Betrieb; das Dorf öffnete sich dem Tourismus. In den Jahren 2002 bis 2006 wurden beide Objekte rekonstruiert. Das „Hotel Herrenhaus“ und das „Bauden-Restaurant Pyramide“ verfügen jetzt über 36 stilvolle Zwei- und Mehrbettzimmer. Ich treffe hier oben im Restaurant viele Deutsche, Wanderer, vor allem aber auch Radtouristen, meist höheren Alters.
Am frühen Abend erreiche ich das etwas mehr als 700 Meter hoch gelegene Wellness-Hotel Svornost in Harrachov (Harrachsdorf), darf Ambiente, kulinarische Leckereien, Spezialitäten der Region, und das Fitness-Angebot genießen. Die Stadt liegt reizvoll im Tal der Mumlava (Mummel) mit dem auch von mir aufgesuchten Mummelfall, größter Wasserfall auf tschechischer Seite des Riesengebirges. Die Glasbläserei hat überall in den Sudeten Tradition. Davon zeugt in Harrachov das Glasmuseum in einem 1994 rekonstruierten Herrenhaus.
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