Werke im Weg

Werke im Weg

Das Festival „Sculpture Line“ bringt Kunst auf die Straße. Bis Ende September stellen 16 Bildhauer auf öffentlichen Plätzen in der Stadt aus

17. 6. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Sculpture Line

 

Ein Haifisch schwimmt durch Karlín. Ein drei Meter großer Buddha sitzt am Václav-Havel-Flughafen. Und in der Neustadt hängen menschenähnliche Gestalten an einer Wäscheleine. Wer in diesen Tagen Ungewöhnliches an bekannten Plätzen entdeckt, der nimmt vielleicht am ersten Prager Skulpturen-Festival teil, ganz ohne es zu wissen. „Sculpture Line“ nennt sich die Ausstellung, die bis 30. September mehr als zwei Dutzend Kunstwerke im öffentlichen Raum präsentiert.

„Wir wollen dem gewöhnlichen Zuschauer das Schaffen zeitgenössischer Künstler nahebringen“, erklärt Ondřej Škarka das Ziel der Veranstaltung. Er leitet die Agentur Smart point, die für die Umsetzung des Festivals verantwortlich ist. „Die Kunst kommt zu den Menschen auf die Straße, sie stellt sich ihnen im wahrsten Sinn des Wortes in den Weg“, so Škarka. Denkanstöße und „neue Geschichten an bekannten, unerwarteten und ungewöhnlichen Orten“ will er mit „Sculpure Line“ liefern.

Zurück in die Stadt
An 16 Plätzen haben die Organisatoren in der vergangenen Woche Skulpturen installiert. Zu Schauplätzen des Festivals sind unter anderem das Kulturministerium auf der Kleinseite, das Tanzende Haus am Jirásek-Platz, der Zoo und der Botanische Garten in Troja sowie die Moldau am Masaryk-Ufer geworden; zu den weniger bekannten zählen die Rodelbahn in Prosek, das Britische Viertel in Stodůlky sowie Dolní Břežany an der südlichen Stadtgrenze.

An jeder Station werde der Betrachter eine neue Überraschung entdecken, einen anderen Blick auf den öffentlichen Raum erhaschen, verspricht Kurator Michal Trpák. Der 1982 in České Budějovice geborene Bildhauer hat seine Skulpturen in der Vergangenheit sowohl in Tschechien als auch im Ausland immer wieder außerhalb von Galerien und Museen ausgestellt. In seiner Heimatstadt organisiert er seit acht Jahren das Festival „Kunst in der Stadt“. Auch in Prag verfolge er mit „Sculpture Line“ ein langfristiges Konzept, sagt Trpák, der „Skulpturen zurück in die Stadt bringen möchte, so wie es über Jahrhunderte war“.

Der Kurator selbst stellt an gleich drei Orten aus. Im Zoo sind seine „Mazlíci“ zu sehen – „Schmusetiere“ aus Beton, die mit krummen Beinen zum Streicheln einladen. Im Innenhof des Kulturministeriums sitzt sein „Myslitel“, ein „Denker“ aus Poly­esterharz; und vor dem Restaurant Luka Lu auf der Kleinseite stehen vier mannshohe Köpfe als „Šošoni a ti druzí“ („Die Shoshonen und die anderen“).

Tschechische Premiere
Für den ersten Jahrgang des Festivals konnten die Organisatoren neben tschechischen Künstlern auch eine Bildhauerin gewinnen, die zum ersten Mal hierzulande ausstellt. Den am Flughafen ausgestellten Bronze-Buddha mit dem Titel „Emanation“ hat die in England geborene Künstlerin Sukhi Barber entworfen, die derzeit hauptsächlich in Stuttgart lebt. In Nepal verbrachte sie zwölf Jahre mit dem Studium der buddistischen Philosophie, die zur Quelle der Inspiration für ihre Arbeiten wurde. Mit Skulpturen wie dem nun in Prag ausgestellten Buddha will sie „eine Brücke zwischen den Kulturen des Ostens und des Westens schlagen“.

Zu den jüngeren einheimischen Künstlern zählen neben Martin Pertl und Monika Hořčicová auch Ladislav Plíhal und Veronika Psotková, die im Innenhof des Neustädter Rathauses für ihre Installation „Velké prádlo“ („Große Wäsche“) eine Wäscheleine gespannt hat. Die 33-Jährige hat Bildhauerei in Brünn sowie Mathematik und Kunstlehramt in Olomouc studiert. Ihre stilisierten Drahtfiguren bilden einen Gegenpol zu ihren realistischen Statuen aus Beton oder Kunstharz, von denen ebenfalls Exemplare am Karlsplatz zu sehen sind.

Wer sich nicht allein mit den Augen an der Kunst im öffentlichen Raum erfreuen möchte, wird vielleicht einen Zugang zum Werk von Alexandra Koláčková finden, die in der Straße Na Poříčí (Am Graben) ein buntes Sofa aus Ton aufgestellt hat. Für eine weitere Sitzgelegenheit hat sie mit einem Sessel am Platz Na Sádkách in Dolní Břežany gesorgt.

Sculpture Line, bis 30. September, Informationen (auch auf Englisch) unter www.sculptureline.cz