Vom Abriss bedroht

Vom Abriss bedroht

Ein Investor will anstatt des „Hotel Praha“ lieber Einfamilienhäuser. Architekten und Kunsthistoriker stellen sich gegen diesen Plan

14. 3. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: mn/čtk

Organisch geschwungene Formen, gekonnt an die umliegende Landschaft angeschmiegt: Es gibt nur sehr wenige Bauwerke aus der Zeit des Sozialismus, auf die eine solche Beschreibung zutrifft. In Prag steht ein solches – noch. Eine Gruppe von Architekten versucht nun das „Hotel Praha“ vor dem Abriss zu bewahren. „Extrem interessant“ und vergleichbar mit der „flüssigen Architektur“ des vor vier Jahren verstorbenen Star-Architekten Jan Kaplický sei das großflächige Gebäude, meint Pavel Karous, Künstler und Experte für sozialistische Architektur und Bildhauerei. Geht es nach ihm und fünf weiteren Kunsthistorikern und Architekturtheoretikern, dann sollte das „Hotel Praha“ unter Denkmalschutz gestellt werden.

Ein Investor mit Firmensitz in Zypern hat das über 1.000 Quadratmeter große Areal, auf dem das Hotel zwischen 1979 und 1981 erbaut wurde, gekauft. Nun sollen im ruhigen Villenviertel im Stadtteil Dejvice Familienhäuser gebaut werden. „Der Hotelmarkt in Prag ist übersättigt“, sagt der Direktor der Firma Miramax Petr Novák. Die Grundstücke hätten eine neue Nutzung verdient, man habe konkrete Vorstellungen von einem modernen Wohnviertel, so Novák weiter. Ein lohnenswertes Geschäft: Die einstige Schlafstätte für VIP-Gäste der Kommunistischen Partei steht auf einem der attraktivsten Grundstücke in der Hauptstadt: zentrumsnah, ruhig, mit Blick auf die Prager Burg. Die Villen milliardenschwerer Unternehmer wie etwa die des reichsten Tschechen Petr Kellner stehen in direkter Nachbarschaft.

Fremdkörper im Villenviertel
Schon die Planung des geschweiften Hotels verlief für seine Zeit recht ungewöhnlich: Per Wettbewerb wurde 1971 nach der besten Formgebung für ein repräsentatives Gebäude gesucht, in dem unter anderem ausländische Delegierte bei Besuchen in der Hauptstadt der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik untergebracht werden konnten.

1975 begannen die Bauarbeiten. Es wurde geklotzt, nicht gekleckert. Verwendet wurde ausschließlich heimisches Material von höchster Qualität. Der berühmte Glasdesigner Stanislav Libenský entwarf opulente Kronleuchter, jedes einzelne Möbelstück wurde auf Maß entworfen. Auf 9.000 Quadratmeter Grundfläche wuchs ein fünfstöckiges Luxus-Hotel, eine aufwendige Mixtur aus Eisenbeton, Holz und Glas. Auf wellenförmigen Terrassen, die sich dem natürlichen Gefälle des Südhangs anpassen, finden Balkons für insgesamt 136 Zimmer Platz – einschließlich der knapp 400 Quadratmeter großen Präsidentensuite.

Gerade weil die gigantischen Dimensionen des „Hotel Praha“ für einen von der sozialen Realität abgeschotteten, kommunistischen Machtapparat stehen, stellen sich bei Weitem nicht alle Kenner hinter eine Erhaltung des Bauwerks. „Das war ein Fremdkörper“, sagt Architekturtheoretiker Petr Kratochvíl, „vom Maßstab gehörte es nie dorthin“.

Der Öffentlichkeit wurde das Bauwerk samt Gartenanlagen und Swimmingpool im Jahr 1989 zugänglich gemacht. 2002 verkaufte das Rathaus des sechsten Prager Bezirks – Bürgermeister war damals der wegen Korruption verdächtigte spätere Oberbürgermeister Pavel Bém – an ein Privatunternehmen. Das Hotel bekam fünf Sterne und erfreute sich größter Beliebtheit bei Hollywood-Stars wie Tom Cruise oder der tschechischen Fußball-Nationalmannschaft, die das Hotel auch in die Negativ-Schlagzeilen brachte. Nach einer Niederlage gegen die Deutschen in der EM-Qualifikation 2007 feierten die Fußballer hier eine ausgelassene Party mit Pros­tituierten.

Milliardenschwere Nachbarn
Maraflex hat das Hotel im Januar gekauft und will es schließen. Es sei so groß, dass ein rentabler Betrieb unmöglich sei, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. Die Firma ist im Besitz des Unternehmers František Svavov, der unter anderem mit Betrugsfällen bei der Privatisierung von einstigem Eigentum des Verbandes der sozialistischen Jugend (Svaz socialistické mládeže) in Verbindung gebracht wird. Svavovs Firma hat ihren Sitz an der gleichen zypriotischen Adresse wie einige Firmen der PPF-Finanzgruppe. Die gehört dem mehrfachen Dollar-Milliardär Kellner, der über den Gartenzaun seiner Prager Villa auf das weitläufige Gelände des „Hotel Praha“ schielen kann. Eine Sprecherin von PPF jedoch weist Mutmaßungen um solche Verbindungen zurück.

Der Plan, ein Wohnviertel an die Stelle des Hotels zu bauen, lasse vermuten, dass das Bauwerk nicht durch ein architektonisch Hochwertigeres ersetzt werde. „Nur das kann ein legitimer Grund für einen Abriss sein“, heißt es im Schreiben der Architekten an das Kulturministerium. Dank einer unwiederbringlichen Investition sei ein einzigartiges Gesamtkunstwerk entstanden, ein Beleg seiner Zeit. Schützenswert, wie die sechs Unterzeichner meinen.