Über den Tellerrand hinaus

Über den Tellerrand hinaus

Das Interesse an tschechisch-deutschen Schulpartnerschaften ist groß

26. 3. 2014 - Text: Franziska BenkelText: Franziska Benkel; Foto: S. Hofschläger/pixelio.de

„Eine Schulpartnerschaft sollte nicht nur auf dem Papier existieren, sie soll lebendig sein.“ Mit diesen Worten beschloss Stefanie Rehm, Leiterin des Verbindungsbüros des Freistaates Sachsen in Prag, am vergangenen Freitag die feierliche Unterzeichnung einer neuen deutsch-tschechischen Bildungszusammenarbeit. Die sächsische Grundschule in Zschocken und die Prager Grundschule K Milíčovu (Základní škola RvJ K Milíčovu) sind damit eine Partnerschaft eingegangen – ein weiterer Beweis für das gegenseitige Interesse an deutsch-tschechischer Zusammenarbeit, wie der stellvertretende tschechische Bildungsminister Jindřich Fryč anlässlich der Unterzeichnung betonte.

Die beiden Grundschulen in Prag und Zschocken sind bei Weitem nicht die einzigen, die sich in den vergangenen Jahren entschlossen haben, eine Zusammenarbeit einzugehen. Auf deutscher Seite kommen die Partner vor allem aus den an Tschechien grenzenden Bundesländern. Dem Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst zufolge nahmen im vergangenen Jahr 5.600 Schüler aus Bayern und Tschechien an einem Austausch teil. Zwischen den Schulen bestanden insgesamt 174 Partnerschaften. Gerade an Realschulen gebe es großes Interesse. So lernten in Bayern 2013 knapp 730 Schüler an 33 Realschulen Tschechisch.

Das Sächsische Staatsministerium für Kultus zählt aktuell insgesamt 100 Partnerschaften, die sich relativ ausgewogen zwischen den Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien verteilten. Die Tschechische Republik rangiere damit auf Platz eins der ausländischen Partner sächsischer Schulen. Lernten im Schuljahr 2001/2002 nur knapp tausend Schüler Tschechisch, hat sich die Anzahl inzwischen mit über 2.600 mehr als verdoppelt.

Kompetenzen fördern
Für die Schüler heißt das oftmals Klassenfahrten und Schüleraustausch, doch Lehrkräfte und Schulleiter versprechen sich noch mehr davon, wie Ute Siegert, Direktorin der Grundschule in Zschocken, erklärt. Bildung bedeutet für sie vor allem „zu lernen, über den eigenen Tellerrand zu schauen.“ Durch Schulpartnerschaften könne das Interesse der Lernenden für andere Länder und Kulturen geweckt sowie soziale Kompetenzen und Teamfähigkeit gefördert werden, meint die Pädagogin. Ähnlich werben die Politiker auf beiden Seiten der Grenze für die Zusammenarbeit. Fryč sagt, es sei heutzutage wichtiger denn je, Fremdsprachen zu erlernen, „und es muss ja nicht immer Englisch sein“. Eine Begegnung mit tschechischen beziehungsweise deutschen Gleichaltrigen könne die Schüler motivieren, die Sprache der anderen zu erlernen oder die bestehenden Kenntnisse zu verbessern. Die sächsische Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) sieht für die Schüler in ihrem Bundesland einen Vorteil bei der Jobsuche, wenn sie Tschechischkenntnisse vorweisen können. Denn wer diese Sprache beherrsche, besetze eine Nische.

Nicht nur für die Schüler kann sich eine Bildungskooperation als nützlich erweisen. Bayerns Bildungs- und Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU) betont außerdem die Notwendigkeit einer aktiven Arbeit an der gemeinsamen Erinnerungskultur, die durch Schulpartnerschaften gefördert werden könne. Zudem erwerben und erweitern mit ihren Schülern auch die Lehrkräfte interkulturelle und sprachliche Kompetenzen. Um die Partnereinrichtung sowie das fremde Schulsystem besser kennenzulernen, hospitieren beteiligte Lehrer bei ihren Kollegen im Austauschland – oft in der eigenen Ferienzeit, wie Beteiligte erzählen. Solch ein Einblick in unbekannte Lehrmethoden ermöglicht ein interdisziplinäres Lehren und Lernen und soll einen positiven Einfluss auf das gesamte Schulklima haben, heißt es in einer Erklärung der Kultusministerkonferenz der Länder in Deutschland.

Die freiwillige und offene Bereitschaft der Beteiligten sei es, die solche Projekte „am Leben hält“, erklärt auch Miroslava Podoláková, Lehrerin an der Grundschule K Milíčovu. Manchmal entwickelten sich aus den persönlichen Kontakten zwischen den Kollegen sogar Freundschaften.

Dass der kulturelle Austausch schon in vollem Gange ist und auch durch den Magen gehen kann, bestätigt der siebenjährige Prager Grundschüler Adam Abdel-Baset, der sich auf seinen Schüleraustausch im Sommer freut. Mit glänzenden Augen schwärmt er schon jetzt von seinem deutschen Lieblingsessen: der Bratwurst.

 

 

Schulpartnerschaften
Schulpartnerschaften bilden den Rahmen für unterschiedliche Formen des Schüleraustauschs auf der ganzen Welt. Sie beinhalten längere Klassenfahrten, kurze Schulausflüge und Schulfeste, Schülerbriefwechsel, Besuche von Gastfamilien, Hospitanzen und intensiven Fremdsprachenerwerb.
Hinzu kommen spezifisch projektbezogene Partnerschaften, die in Tschechien und Deutschland oftmals durch die EU subventioniert werden. Seit diesem Jahr werden die EU-Bildungsprogramme für lebenslanges Lernen – bisher bestehend aus den drei Säulen „Erasmus“ für Studenten, „Leonardo da Vinci“ für Auszubildende und „Comenius“ für Schüler – unter dem Namen „Erasmus Plus“ geführt. Die EU stellt hierfür ein Budget von 14,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Damit will sie jungen Europäern die Chance geben, während der Schulzeit, des Studiums oder der Ausbildung, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Auch der Pädagogische Austauschdienst der Kultusministerkonferenz vergibt Fördergelder an deutsche Schulen, die Interesse an einer Partnerschaft mit Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Estland, Lettland und Litauen haben. Um eine Schulpartnerschaft ins Leben zu rufen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Tandem, das Koordinationszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch, bietet interessierten schulischen Einrichtungen eine digitale Kontaktbörse sowie Kontaktseminare für Lehrkräfte und hilft bei der Beantragung von Fördermitteln. Auch der Pädagogische Austauschdienst verfügt über eine digitale Börse, das Partnerschulnetz, die es deutschen und ausländischen Schulen weltweit ermöglicht, eine internationale Partnerschaft zu finden – zur Zeit sind 2.152 Schulen angemeldet.   (fb)