Tunnel ohne Lichtblick

Tunnel ohne Lichtblick

Weiterer Skandal um Blanka: Wegen Baufinanzierung ermittelt die Polizei gegen die Stadtverwaltung

25. 9. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: mn/čtk; Foto: Honza Groh

Die Negativschlagzeilen reißen nicht ab. Der Tunnelkomplex Blanka ist nicht nur das größte unterirdische Bauvorhaben in der tschechischen Geschichte, auch was Skandale betrifft, bricht der 5,5 Kilometer lange Stadttunnel alle Rekorde. Anstatt mit den geplanten 28 Milliarden Kronen (rund 1,1 Milliarden Euro), rechnen die Bauherren inzwischen mit 36 Milliarden Kronen (knapp 1,4 Milliarden Euro). Auch nach der geplanten Fertigstellung im kommenden Jahr – ursprünglich hätten die ersten Autos schon 2011 im Tunnel fahren sollen – werden Betrieb und Instandhaltung den städtischen Haushalt jährlich mit 220 Millionen Kronen (8,5 Millionen Euro) belasten. Drei Mal gab der Boden über dem Tunnel nach – beim Einsturz im Juli 2010 begruben die Erdmassen für einen Tag einen Baggerfahrer.

Gangster und Stadträte
Und nun das: Die Kriminal­polizei ermittelt wegen des Verdachts auf Wettbewerbsverzerrung und Veruntreuung öffentlicher Gelder. Die Ermittlungen richten sich dabei nicht gegen Pavel Bém, der 2007 als Oberbürgermeister den gigantischen Bau in Auftrag gegeben hatte, sondern gegen seine Nachfolger im Prager Rathaus. Laut Tomáš Hudeček (TOP 09) kriminalisiere die Polizei Entscheidungen des Stadtrats im Auftrag einer „Gangster-Gruppe“ rund um die frühere Stadtverwaltung. Das sagte der Oberbürgermeister auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche.

Gegen die amtierende Leitung der Hauptstadt wird dabei bereits im Fall der vielfach kritisierten Chipkarte für den öffentlichen Nahverkehr Opencard ermittelt – wegen der Verlängerung von Verträgen, die unter Bém ausgehandelt wurden.

Bohuslav Svoboda (ODS), der als Béms Nachfolger die nun polizeilich untersuchten Entscheidungen traf, bevor ihn im Frühjahr dieses Jahres seine Koalitionspartner von der TOP 09 gestürzt haben, kommentierte die neuesten Anschuldigungen wie folgt: „Wir waren in einer Situation, in der wir unverzüglich handeln mussten, um die Fortsetzung der Bauarbeiten zu gewährleisten.“ Ein Stopp der Arbeiten hätte laut Svoboda Mehrkosten von knapp 100 Millionen Kronen (3,9 Millionen Euro) nach sich gezogen. Man habe im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten und im Interesse der Steuerzahler gehandelt.

Die Polizeieinheit für die Aufdeckung organisierter Kriminalität (ÚOOZ) gab lediglich bekannt, dass das Strafverfahren bereits im Juli eingeleitet wurde, und dass es einen Beschluss des Stadtrats vom Dezember betrifft, der das Begleichen offener Rechnungen bei den Baufirmen ermöglicht hatte.

Zusätze und Verträge
Aus einer entsprechenden Bekanntmachung wird deutlich, dass das Rathaus unter Svoboda damals einen Zusatz zu einem Vertrag von 2006 verabschiedete, der die Finanzierung ausstehender Bauarbeiten sicherstellen sollte. Laut Hudeček habe die Stadtverwaltung unter Bém ähnliche Entschlüsse ohne eine Abstimmung im Rathaus durchgesetzt und sich so aus der Verantwortung gezogen.

Allein gegenüber der Baufirma Metrostav sind Schulden in Höhe von 1,8 Milliarden Kronen (etwa 70 Millionen Euro) entstanden. Den Großteil möchte die Stadt bis Ende dieses Jahres begleichen – auch danach blieben weitere Rechnungen in Höhe mehrerer hundert Millionen Kronen offen.

Die Stadtverwaltung hat zudem einen weiteren Verdacht auf Veruntreuung geäußert: Dieser betrifft den Bau der Troja-Brücke, die ebenfalls unter Bém in Auftrag gegeben wurde und an den Blanka-Tunnel anschließt. Die Baukosten von 1,2 Milliarden Kronen (etwa 46 Millionen Euro) haben sich im Vergleich zum geplanten Budget mehr als verdoppelt.