Stadtansichten

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Die Liebe zur Qualität

26. 3. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel

„La Película“, „Jeden svět“, „Shockproof“ – das sind nicht die Namen neuester Parfüm-Kreationen in den Schaufenstern auf der Pariser Straße. Diese Begriffe stehen für gehobenes Independent-Kino, zumindest die ersten beiden. Prag ist die Stadt des Zelluloids, oder des Pixels, möchte man zeitgemäß bleiben. Und das nicht nur, weil eine renommierte Filmschule wie die FAMU oder die Studios Barrandov hier ihren Sitz haben. Die Moldaumetropole ist Schauplatz zahlreicher Filmfestivals. Vor allem zu Beginn des Jahres, zwischen Januar und März, fällt es dem geneigten Cineasten manchmal schwer, den Überblick zu behalten.

In Smíchov strömen gerade wieder Tausende von Filmbegeisterte in die zwölf Kinosäle des „Febiofests“. Hier ist man unter Gleichgesinnten. Von Mittag bis spät nach Mitternacht laufen neun Tage lang weit über hundert internationale Produktionen. Das Erstaunliche: Rund zwei Drittel der Filme sind ausverkauft. Da kommt es gelegen, dass in der Tiefgarage des Hauses praktischerweise gleich mehrere Essensstände, Kicker-Tische sowie abends DJs und Bands für Abwechslung bei den Festivalbesuchern sorgen. Hier unten lässt es sich gut auf den nächsten Streifen warten.

Der rote Teppich wurde völlig zurecht nicht für Stargäste, sondern für die wahren Helden des Festivals, die Prager Filmfans, ausgerollt. Hier stehen sie und rauchen die Zigarette danach, davor oder dazwischen. Nicht wenige Besucher verbringen hier den ganzen Tag. Tschechen legen für anspruchsvolles Filmschaffen außergewöhnlich viel Leidenschaft an den Tag. Zur gleichen Zeit sind nämlich auch Filmpremieren in anderen Lichtspielhäusern ausverkauft – selbst in den Spätvorstellungen alter Klassiker sind die Zuschauerreihen gut gefüllt. In der Heimat von Jiří Menzel, Miloš Forman und Bohdan Sláma liebt man das Kino.

Von solchen Zuständen kann ich in meiner Heimat nur träumen. In der Schweiz erreichen die Produktionen leider weder dasselbe Niveau noch existiert ein solch großes Publikum für den unkommerziellen Film. Dafür boomt umso mehr der Mainstream, Popcorn und Hollywood. Es tut der europäischen Filmseele gut, dass Prag im Speziellen und Tschechien im Allgemeinen Kontrapunkte im nivellierten Einheitsbrei des globalisierten Wohlfühl-Kinos setzt.