Rechter Bruderkrieg im Rathaus

Rechter Bruderkrieg im Rathaus

Die ODS verliert nach 22 Jahren den Oberbürgermeister der Hauptstadt. Nečas warnt vor „Hu-Hu-Komplott“

29. 5. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText und Foto: Martin Nejezchleba

Es scheint das Ende einer Ära zu sein. 22 Jahre lang war der Prager Oberbürgermeister ein Bürgerdemokrat, seit ihrer Gründung 1991 hat die ODS in Prag regiert. Ausgerechnet der Rivale im Bereich Mitte-Rechts des politischen Spektrums, die TOP 09, hat dem am vergangenen Donnerstag ein Ende bereitet. Das halten viele für ein Symbol für den immer steiler werdenden Abwärtstrend, in dem sich die ODS auch auf nationaler Ebene befindet. Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda wurde abberufen und mit ihm alle bürgerdemokratischen Stadträte. Der bisherige Vize-Oberbürgermeister Tomáš Hudeček hat einstweilen die Leitung der Stadt übernommen.

„TOP 09 und ODS tragen einen Bruderkrieg um die Hegemonie im rechten Lager aus“, sagt Milan Znoj, Politologe an der Prager Karls-Universität. Im Moment geschehe dies in Prag, schon jetzt jedoch dringe der Streit bis auf die Regierungsebene durch. Das ist nicht zu übersehen. Unmittelbar nach der Abberufung des Oberbürgermeisters trat Premier Petr Nečas (ODS) vor die Presse, und verurteilte die Schritte der Prager TOP 09 aufs Schärfste. Man bereite einen Pakt mit den Sozialdemokraten (ČSSD) vor. In der Hauptstadt entstünde eine „Hu-Hu-Koalition“ die sich später ihren „Hu-Hu-Oberbürgermeister“ wählen würde. Mit seinen Worten spielte Nečas sichtlich gereizt auf eine vermeintliche Abmachung zwischen dem Interimsoberbürgermeister Hudeček und dem Prager Sozialdemokraten Petr Hulinský an. Hinter den Ereignissen im Rathaus stünde das Kalkül von Finanzminister Miroslav Kalousek. Dass auch die Regierungskoalition ein ähnliches Schicksal erleiden könnte, schloss Nečas nicht aus. Der TOP-09-Vorsitzende Karel Schwarzenberg wies die Anschuldigungen zurück. Prag sei Prag und die Regierung die Regierung. „Es wäre angebracht, wenn der Premier solche Verdächtigungen unterlassen würde“, teilte der Außenminister dem Nachrichtendienst čtk mit.

Hudeček indes verweist auf vermeintliche Fakten: Entscheidende Probleme der Hauptstadt, die Finanzierung des Tunnelkomplexes Blanka oder die Situation der angeschlagenen Nahverkehrsbetriebe etwa, lägen seit Monaten auf Eis. „Diesen Zustand empfindet die Prager TOP 09 als unhaltbar“, hieß es vergangene Woche in einer Pressemitteilung der Partei. Man sorge sich um die Zukunft der Stadt.

Nachdem der Koalitionsvertrag mit der ODS gekündigt war, lud Hudeček den Oberbürgermeister zum Verhandlungstisch. Man wolle das Mitte-Rechts-Bündnis weiterführen, jedoch mit neu verteilten Kräften. Die TOP 09 fordert sechs Stadträte, darunter die wichtigen Ressorts Verkehr und Finanzen sowie das Amt des Oberbürgermeisters. Svoboda lehnte dies ab und schoss zurück. Seine Partei lasse sich nicht korrumpieren. Im Moment liegt der ODS ein neues Angebot der TOP 09 vor, bis Donnerstag möchte man dort auf die Bedingungen der Sozialdemokraten reagieren. Die können sich eine Beteiligung an der Stadtregierung vorstellen, falls sie ein entscheidendes Wort bei der Haushaltsbildung mitreden können. Zudem forderten sie beispielsweise eine Garantie gegen Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr und eine Änderung des Wahlverfahrens in der Hauptstadt.

Ausgang ungewiss
Politologen indes trauen sich kaum, den Ausgang der Verhandlungen abzuschätzen. Ladislav Mrklas von der privaten Hochschule CEVRO Institut kann lediglich eine Rückkehr zur ursprünglichen Koalition zwischen ODS und ČSSD ausschließen. Die war nach den Wahlen 2010 entstanden und stark kritisiert worden. Svoboda war es damals gelungen, den progressiven Teil der Abgeordneten um sich zu scharen und eine Zusammenarbeit mit der TOP 09 auszuhandeln. Politologe Znoj schließt auch eine Koalition zwischen TOP 09 und ČSSD aus. „Das wäre für beide Parteien politisch ungünstig, beide würden einen bedeutenden Teil ihrer Wähler vergraulen.“

Unklar ist auch, wer neuer Oberbürgermeister für die TOP 09 würde: Im Spiel sind neben Tomáš Hudeček zwei weitere Kandidaten sowie der populäre Wahlleader von 2010, der einstige Gouverneur der Nationalbank Zdeněk Tůma. Bis zum 6. Juni, so die Prager TOP 09, soll die neue Stadtregierung stehen. Bis dahin wolle man auch eines der brennendsten Probleme lösen: die Finanzierung des Tunnelkomplexes Blanka. Die Kosten für das gigantische Projekt sind von ursprünglich 25 (etwa 960 Millionen Euro) auf 36 Milliarden Kronen (knapp 1,4 Milliarden Euro) angewachsen. Im Moment schuldet die Stadt der Baufirma Metrostav 1,5 Milliarden Kronen für bereits abgeschlossene Arbeiten.