Qualm (un)erwünscht

Qualm (un)erwünscht

Nirgendwo in Europa wird der Nichtraucherschutz so klein geschrieben wie in Tschechien. Ein neues Gesetz soll das ändern. Doch die Umsetzung erweist sich schwierig

15. 5. 2013 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: Birgit H./pixelio.de

Das „Raucherparadies Tschechien“ soll bald verschwinden. So will es das tschechische Gesundheitsministerium. Innerhalb der Europäischen Union ist das Land mittlerweile das einzige, in dem es reine Rauchergaststätten geben darf. Bislang gibt es lediglich Empfehlungen des Gesetzgebers, zum Beispiel dass während der Mittagszeit in Restaurants nicht geraucht werden sollte. Die wenigsten halten sich daran. Die einzige wirkliche Regelung, um Nichtraucher zu schützen, bezieht sich auf ein Verbot in öffentlichen Einrichtungen wie Behörden und Schulen. Betreiber von Restaurants, Bars oder Cafés sind hingegen lediglich angehalten, an der Eingangstür einen Hinweis anzubringen, ob bei ihnen geraucht werden darf oder es einen abgetrennten Nichtraucherbereich gibt.

„Während in den zurückliegenden Jahren auch in Polen, Ungarn und Bulgarien ein Rauchverbot eingeführt wurde, ist bei uns alles beim Alten geblieben. Ohne Einschränkungen darf weiter gepafft werden“, sagt Lenka Pipková von der Initiative „Česko bez kouře“ (etwa: „Rauchfreies Tschechien“). Sie ist davon überzeugt, dass die Interessen der Tabakindustrie vor den Schutz der Gesundheit von Angestellten und Gästen der hiesigen Restaurants gestellt werden. „Und dazu gehören auch Kinder“, empört sich Pipková.

Hohe Bußgelder
Ein neuer Gesetzesvorschlag soll Tschechien nun an den europäischen Standard heranführen. Doch ob er tatsächlich umgesetzt wird, bleibt fraglich. Denn selbst in Regierungskreisen stößt er auf Ablehnung. Darauf angesprochen verteidigte Gesundheitsminister Leoš Heger (TOP 09) in einer Talkshow des Tschechischen Fernsehens seinen Plan. „Wenn das Gesetz nicht durchgeht, dann geht es eben nicht durch. Aber wenn nur 75 Prozent der Richtlinien angenommen werden, dann ist das schon ein Fortschritt“, so Heger. Ganz nach dem Motto: Hauptsache, die derzeitigen Regelungen gehören bald der Vergangenheit an.

„Der Gesetzesvorschlag liegt derzeit dem Prüfungsausschuss vor, im Juni werden wir ihn der Regierung vorlegen“, sagte der stellvertretende Gesundheitsminister Martin Plíšek gegenüber der Nachrichtenagentur čtk. Seinen Worten zufolge könnte das Gesetz bereits zum 1. Januar kommenden Jahres in Kraft treten. Die Gesetzesnovelle, die ein absolutes Rauchverbot in der tschechischen Gastronomie vorsieht, wird von den meisten Tschechen befürwortet – sofern man den Meinungsforschern von Ipsos vertraut. Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts wünschen sich 78 Prozent der Bevölkerung ein solches Rauchverbot, selbst die meisten Raucher würden sich demnach dafür aussprechen.

Nicht bekannt ist hingegen, wie die Bürger das ebenso vom Gesundheitsministerium angestrebte Verkaufsverbot von Zigaretten und Tabak an Automaten sehen. Dieses soll vor allem Kinder und Jugendliche vom Tabakkonsum abhalten. Die Bußgelder für den Verkauf von Zigaretten und Alkohol an Minderjährige sollen laut Gesetzesentwurf auf bis zu 2 Millionen Kronen (umgerechnet etwa 78.000 Euro) steigen.

Wider die Versuchung
Laut einer europaweit durchgeführten Ipsos-Umfrage rauchen tschechische Jugendliche weitaus mehr als ihre Altersgenossen in Deutschland, Polen oder Griechenland. 42 Prozent der 15-Jährigen hätten sich demnach hierzulande innerhalb des letzten Monats eine Zigarette angezündet. Nur in Lettland und Kroatien mit 43 beziehungsweise 41 Prozent ist der Wert ähnlich hoch.

Bedenkliche Ergebnisse gab das Institut für Soziologie an der Akademie der Wissenschaften vor kurzem auch in Bezug auf den Konsum von Alkohol und Cannabis heraus: 60 Prozent der Jugendlichen würden laut Studie regelmäßig Alkohol trinken, knapp 40 Prozent hätten schon einmal einen Joint geraucht. Europaweit stünde Tschechiens Nachwuchs auch in dieser Statistik an der Spitze.

Gesundheitsminister Heger ist sich bewusst, dass das Land neue Gesetze braucht, um Jugendliche und Nichtraucher besser zu schützen. Das soll nicht nur mit rauchfreien Lokalen gelingen, sondern auch mit Blick auf den Geldbeutel: Im Gesetzesvorhaben steht, das billigste in einem gastronomischen Betrieb angebotene Getränk müsse ein alkoholfreies sein. Noch zahlen die Gäste in den meisten Lokalen des Landes für ein Bier weniger als für ein Mineralwasser. Auch in dieser Hinsicht dürfte Tschechien europaweit eine Ausnahme darstellen – noch.