Qualität in der Krise

Qualität in der Krise

Während Tschechiens Verbraucher immer mehr an Lebensmitteln sparen, liegen Bauernmärkte und regionale Produkte im Trend

14. 11. 2012 - Text: Bernd RudolfText: Bernd Rudolf; Foto: kozumel

Es ist in den meisten Fällen der Preis, der entscheidet, ob bestimmte Lebensmittel im Einkaufswagen landen oder nicht. Die tschechischen Verbraucher sparen. Das bestätigt unter anderem eine aktuelle Studie des Tschechischen Statistikamtes (ČSÚ), die in der vergangenen Woche in Prag vorgestellt wurde. Demnach gaben die Konsumenten im September 5,9 Prozent weniger Geld für Nahrungsmittel aus als noch vor einem Jahr. Als Gründe führen die Statistiker neben der allgemeinen wirtschaftlichen Situation auch die Reformvorhaben der Regierung an; dabei vor allem die bereits durchgeführte und die für Januar 2013 erneut vorgesehene Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Die Preise sind hierzulande auch in den vergangenen Monaten gestiegen. Laut ČSÚ waren die Lebensmittelpreise im September 2012 um 3,4 Prozent gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres gestiegen. Es verwundert daher nicht, dass immer mehr Bürger auf die Preise achten. „Zwar ist die Häufigkeit der Einkäufe gleich geblieben, aber der Warenkorb ist weniger gefüllt“, erklärt die Sprecherin von Ahold Tschechien, ein Tochterunternehmen der niederländischen Handelskette, die ihre Filialen hierzulande unter dem Namen Albert betreibt. Auch in naher Zukunft dürfte der Sparkurs der Bürger anhalten, da die Mehrwertsteuer im kommenden Jahr wahrscheinlich um einen weiteren Prozentpunkt erhöht wird.

Bereits heute bekommen die Lebensmittelhersteller den Druck der Händler zu spüren. „Aufgrund des rückläufigen Umsatzes drängen uns die Einzelhändler verstärkt dazu, die Preise zu senken. Die gewünschte Qualität ist kaum noch zu halten, da die Produktionskosten immer mehr zu Buche schlagen“, erklärt Dana Večeřová, die Sprecherin der Lebensmittelkammer (Potravinářská komora České republiky, PK ČR). Ein Umstieg auf günstigere Rohstoffe sei nicht zu vermeiden. „Es ist ein Teufelskreis: Die Verbraucher überlegen sich gut, was sie kaufen wollen und greifen letzten Endes seltener zu hochwertigen Produkten“, fügt sie hinzu.

Laut einer im Oktober dieses Jahres vom Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Umfrage meinen 28 Prozent der Verbraucher, dass die Qualität der Lebensmittel in den letzten Jahren schlechter geworden sei. Nur fünf Prozent gaben an, dass heute bessere Waren verkauft werden als noch vor einigen Jahren.

Auf Bio gesetzt
Für qualitätsbewusste Kunden gibt es in Tschechien durchaus Alternativen. Vor allem in Prag sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Bio-Läden, Gemüsemärkte und Spezialgeschäfte eröffnet worden. „Vor fünf bis zehn Jahren haben die meisten Konsumenten auf Herkunft und Qualität von Lebensmitteln keinen Wert gelegt. Das ist auch der Grund, warum immer mehr Zusatzstoffe verwendet und viele Lebensmittel aus dem Ausland importiert werden“, erklärt Jiří Málek, der als Gründungsmitglied einer Bauernmarkt-Kette bereits vor 13 Jahren den Bedarf an besseren Lebensmitteln erkannt hat.

„Český grunt“ heißt seine Gesellschaft, über die er ausschließlich in Tschechien hergestellte Lebensmittel vertreibt. Was im Jahr 2010 mit einem Geschäft im Prager Stadtteil Vinohrady begann, hat sich zu einem florierenden Unternehmen entwickelt. Derzeit betreibt die Kette zwölf Läden unter dem Namen „Náš grunt“. Bis Ende des Jahres sollen es sogar 20 Filialen sein.

Zwar würde auch heute noch ein Großteil der Bevölkerung billige Lebensmittel bevorzugen, jedoch steige die Zahl der Konsumenten, die auf Qualität achten. „Zu unserer Kundschaft zählen überwiegend junge Erwerbstätige und Familien mit Kindern. Aber auch immer mehr ältere Menschen, die sich daran erinnern wollen, wie richtige Wurst, Milch, Joghurt und Eier schmecken, kommen zu uns“, erklärt Málek.

Noch relativ unbedeutend ist dagegen die Biolebensmittel-Branche. Laut Angaben des Instituts für Agrarökonomie und Information (ÚZEI) machte der Anteil der Bio-Lebensmittel im Jahr 2011 lediglich 0,7 Prozent aus. Für das Jahr 2012 rechnet das ÚZEI mit einem leichten Anstieg.

Nach Ansicht des Instituts hätten auch die Lebensmittelskandale in der Vergangenheit das Qualitätsbewusstsein bei einigen Tschechen geweckt. Vor allem in diesem Jahr war in den Medien immer wieder über Fälle berichtet worden, bei denen Produkte in Supermärkten verkauft wurden, deren Haltbarkeitsdatum längst überschritten war. Als Reaktion darauf hatte die Staatliche Lebensmittelinspektion (Státní zemědělská a potravinářská inspekce, SZPI) für die Konsumenten im Sommer dieses Jahres eine Internetseite eingerichtet, auf der Händler aufgeführt werden, die mangelhafte Waren anbieten.

In den Grenzregionen etabliert sich derweil ein noch vor einem Jahrzehnt undenkbarer Einkaufstourismus. In den Nachbarländern sind oft nicht nur die Preise niedriger, sondern auch die Qualität besser. „Wir fahren oft nach Zittau oder Löbau zum Einkaufen, da es dort viele Lebensmittel gibt, die bis um die Hälfte günstiger sind als bei uns“, weiß Ondřej Němec aus dem nordböhmischen Šluknov. Nach Ansicht von Unternehmer Málek herrscht in Deutschland ein größerer Wettbewerb als in Tschechien. Die Händler müssten stärker auf die Qualität achten, um nicht ihren Ruf zu verlieren. „Auf der anderen Seite gibt es dort auch anspruchsvollere Kunden“, meint Málek.