Osteuropaforschung im Wandel

Osteuropaforschung im Wandel

Seit 100 Jahren setzt sich die DGO mit dem Raum Osteuropa wissenschaftlich auseinander

3. 7. 2013 - Text: Claudia TracheText und Foto: Claudia Trache

 

Die Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) kann in diesem Jahr auf 100 Jahre Forschung zurückblicken. Der Festakt zum Jubiläum fand bereits Anfang März in Berlin im Rahmen der Tagung „1913. TransNational: Osteuropa im Wandel. 2013“ statt. Ende Juni kamen im Sächsischen Landtag in Dresden Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Kultur sowie zahlreiche Osteuropafreunde zu einer Festveranstaltung zusammen.

In seinem Grußwort ging der Vizepräsident des Sächsischen Landtags Horst Wehner (Die Linke) auf die engen Beziehungen Sachsens mit der Region Mittelosteuropa ein. 2011 hatte der Sächsische Landtag das Forum Mitteleuropa als Plattform des Gedanken- und Informationsaustausches mit den Akteuren aus Polen, Ungarn, Tschechien, Österreich und der Slowakei ins Leben gerufen. Nach einem Einblick in die Entwicklung der Gesellschaft und in die Osteuropaforschung wurden aktuelle und zukünftige Aufgaben besprochen.

Anfang des 20. Jahrhunderts stand die Beschäftigung mit dem Russischen Reich im Vordergrund. Die 1913 von Historiker und Publizist Otto Hoetzsch gegründete „Gesellschaft zum Studium Russlands“ vermittelte in Vorträgen und Publikationen Wissen über Russland. Außerdem wollte sie damit die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland fördern. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Gesellschaft stark durch den politischen Wandel in Europa geprägt. Beide Weltkriege veränderten nicht nur die geopolitische Situation, sondern machten auch ein Umdenken in der Osteuropaforschung notwendig. Daraus resultierte bereits in den zwanziger Jahren die Umbenennung in „Gesellschaft zum Studium Osteuropas“.

Der Zweite Weltkrieg und die Einflüsse des Nationalsozialismus führten zur Schließung der Gesellschaft. Klaus Mehnert, ein Hoetzsch-Schüler und hervorragender Kenner Russlands, gründete die Gesellschaft für Osteuropakunde in der Bundesrepublik Deutschland 1949 neu. Auch die 1925 gegründete Zeitschrift „Osteuropa“ erschien 1951 wieder. Drei Jahre später wurde die Zeitschrift „Osteuropa Recht“ ins Leben gerufen. In der gesamten Bundesrepublik entstanden verschiedene Institute und Forschungseinrichtungen, wie zum Beispiel das Institut für Ostrecht an der Universität Köln, das Osteuropa-Institut der Freien Universität in Berlin oder die Forschungsstelle Osteuropa in Bremen, die sich seitdem interdisziplinär mit Ost- und Ostmitteleuropa beschäftigen.

Neue Studiengänge
Während zur Zeit des Kalten Krieges in der BRD die Beobachtung und Analyse der politischen Systeme im Vordergrund stand, lag der Schwerpunkt in der DDR auf der Slawistik und der Osteuropäischen Geschichte.
Eine weitere Verlagerung der Forschungsschwerpunkte resultierte aus dem politischen Umbruch in Mittel- und Osteuropa zwischen dem Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre. So entstand 1991 an der deutsch-polnischen Grenze in Frankfurt/Oder die Europa-Universität Viadrina, die unter anderem das Masterstudium „European Studies“ mit deutsch-polnischem Mehrfachabschluss anbietet. Im vergangenen Jahr wurde hier außerdem das Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien gegründet. 1996 nahm die wissenschaftliche Einrichtung „Bohemicum Regensburg-Passau“ an der Universität Regensburg ihre Lehr- und Forschungstätigkeit auf. Sie ermöglicht seit etwa fünf Jahren den binationalen interdisziplinären Bachelor-Studiengang Deutsch-Tschechische Studien in Kooperation mit der Prager Karls-Universität.

Auch das „Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag“ leistet seit 2011 einen Beitrag zum Dialog zwischen den Ländern Mitteleuropas. Wurden dessen Veranstaltungen bisher in Dresden durchgeführt, fand in Kooperation mit dem tschechischen Senat im Juni auch erstmals eine Konferenz in Prag statt. Referenten aus Politik und Wissenschaft repräsentierten verschiedene Blickwinkel zum Thema „Heimat Mitteleuropa: Gesichter, Biographien, Identitäten“. In einer anschließenden Podiumsdiskussion kam es zu einem Gedankenaustausch mit dem Auditorium. Ziel ist es, in den kommenden Jahren auch in den anderen Ländern Mittel­europas mit dem Forum zu Gast zu sein. Auch die DGO wird künftig weiterhin wissenschaftliche interdisziplinäre Tagungen und Konferenzen zu Ost- und Ostmitteleuropa durchführen. Mit 23 Zweigstellen in ganz Deutschland verfügt sie dabei über ein großes Netzwerk, in dessen Zentrum der Dialog zwischen deutschen und ostmittel- sowie osteuropäischen Wissenschaftlern steht.

Neben den in den fünfziger Jahren entstandenen Fachzeitschriften werden seit 2003 in einem zwei- bis vierwöchigen Turnus Länderanalysen über Russland, Polen, Ukraine, Weißrussland und Zentralasien zu aktuellen wirtschaftlichen, politischen aber auch sozialen Themen publiziert. Damit trägt die DGO der Nachfrage aus Wirtschaft und Politik nach länderspezifischen Informationen Rechnung. „Ziel der DGO ist es, ein Zentrum für Osteuropaforschung in Deutschland einzurichten“, blickt die Geschäftsführerin der Gesellschaft Heike Dörrenbächer voraus. Hier soll wissenschaftlicher Nachwuchs für Osteuropa ausgebildet sowie umfangreiche Forschung in und über die Regionen Russland, Ukraine, Belarus sowie Kaukasus und Zentralasien durchgeführt werden.

Weitere Informationen unter www.dgo-online.org