Neu im Kino: Gestörte Wahrnehmung

Neu im Kino: Gestörte Wahrnehmung

Joseph Gordon-Levitts „Don Jon“ ist ein gleichermaßen witziges wie berührendes Porträt der „Generation Porno“

23. 10. 2013 - Text: René PfaffText: René Pfaff; Foto: Ascot Elite/Paramount Pictures

„Es gibt ein paar Dinge, die mir wirklich was bedeuten: Mein Körper, meine Bude, meine Karre, meine Familie, meine Kirche, meine Jungs, meine Mädels – und meine Pornos“, sagt der notorische Aufreißer Jon (Joseph Gordon-Levitt) zu Beginn des Films. Diese Welt wird gehörig durcheinandergewirbelt, als die schöne Barbara (Scarlett Johansson) auf der Bildfläche erscheint.

Zum ersten Mal ist der Casanova ernsthaft verliebt. Für sie will er sogar auf seine Internet-Pornos verzichten, die seine neue Freundin einfach nur „krank“ findet. Doch der selbst auferlegte Entzug währt nicht allzu lange. Bald schon stiehlt er sich nachts heimlich aus dem Bett, um den Laptop einzuschalten und auf den einschlägigen Seiten das zu suchen, was er beim Beischlaf mit Barbara nicht finden kann: sich selbst für einen Moment völlig zu verlieren. Das geht so lange gut, bis ihn Barbara bei einem Stelldichein mit seinem Laptop erwischt.

Dass eine Beziehung mit Scarlett Johansson nicht erfüllend sein kann, mag nicht nur dem Rezensenten absurd erscheinen – doch ist die Thematik von Joseph Gordon-Levitts Regie- und Drehbuch-Debüt alles andere als weit hergeholt. Es geht um das Unvermögen vieler junger Männer, zwischen fiktionalen Pornofilmen, die in Hülle und Fülle rund um die Uhr verfügbar sind, und realem Sex zu differenzieren. Was bei Jon die Idealisierung absurder Hochglanz-Pornos ist, entspricht bei Barbara der Verwechslung romantischer Liebesschnulzen mit dem wahren Leben. An gestörter Wahrnehmung leiden beide.

Nachdem Barbara mit ihm Schluss gemacht hat, fragt sich der moderne Don Juan, woran es liegt, dass er sich ohne audiovisuelle Unterstützung keine wirkliche sexuelle Befriedigung zu verschaffen weiß. Allein die wesentlich ältere Esther (Julianne Moore) durchschaut seine Fassade aus Selbsttäuschung und Gefühlsverleugnung. Mit ihrer Hilfe begreift er nach und nach, dass die überperfekten Streifen auf seinem Computer alles andere als ein erfülltes Liebesleben abbilden.

Diese Läuterung mag platt erscheinen, doch Gordon-Levitts Darstellung ist so schonungslos ehrlich (und lässt keine noch so peinliche Situation aus), dass sie gerade deshalb berührt. Überhaupt beweist der frühere Teenie-Schwarm, dass mit ihm in Zukunft als Regisseur noch zu rechnen sein wird, denn sein urkomischer Erstling sprüht nur so vor unkonventionellen Ideen.

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