Nachts im Museum

Nachts im Museum

Mehr als 40 Galerien und Kunstsammlungen öffnen am Samstag von 19 bis 1 Uhr ihre Türen

10. 6. 2015 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Lukasz Porwol

 

Die Nacht sei nicht allein zum Schlafen da, sang Gustaf Gründgens 1938. „Die Nacht ist da, dass was gescheh’“. Den Schlager aus dem Film „Tanz auf dem Vulkan“ machte er zur Hymne aller Nachtschwärmer. Wem die Stunden zwischen Sonnenuntergang und Morgengrauen nicht lang genug sein können, der hat am Samstag die Möglichkeit, bei Nacht durch die Museen der Hauptstadt zu streifen. Zum zwölften Mal lockt die Prager Museumsnacht mit einem vielseitigen Programm. Insgesamt 48 Museen, Galerien und Institute in 80 Gebäuden öffnen am 13. Juni von 19 bis 1 Uhr ihre Türen. Der Eintritt ist frei. Nur ein Besuch der Ehrengruft (Slavín) auf dem Vyšehrad kostet eine symbolische Krone. Neben renommierten Einrichtungen wie der Prager Nationalgalerie und dem Nationalmuseum beteiligen sich an der langen Nacht auch unkonventionelle Ausstellungsorte wie die Medizinische Fakultät der Karls-Universität. Neu dabei sind in diesem Jahr unter anderem das Museum historischer Toiletten und Nachttöpfe, die Galerie Hollar und die Bibliothek der Akademie der Wissenschaften.

Shuttle-Service und App
Damit sich Besucher zwischen all den Ausstellungen und Konzerten, Lesungen, Theateraufführungen und Workshops nicht verirren, bringt sie ein kostenloser Shuttle-Service von Museum zu Museum. Insgesamt elf Buslinien verkehren zwischen den beteiligten Institutionen. Die zentrale Haltestelle befindet sich direkt neben dem Rudolfinum am Jan-Palach-Platz. Hier und auf dem Wenzelsplatz erhalten Gäste in Informationszelten Tipps für ihre Museumsroute. Außerdem hilft eine App bei der Orientierung durch die Nacht; sie kann auf der Homepage der Veranstalter heruntergeladen werden. Auf der auf Tschechisch und Englisch abrufbaren Seite findet sich unter „My Museums“ eine Liste aller Ausstellungen. „My Nights“ gibt einen Überblick über alle Aktionen, die bis in die frühen Morgenstunden stattfinden.

Havel und Hrádeček
„Václav Havel in a Nutshell“ heißt die Ausstellung in der Václav-Havel-Bibliothek, die Person und Wirken des Dichterpräsidenten beleuchtet. Anhand von Fotos und Zitaten erhalten Interessierte einen Einblick in das Leben des ehemaligen Dissidenten. Mithilfe von Touchscreens können sie sich in einzelne Kapitel seiner Biografie vertiefen, wie zum Beispiel Familie, Theater, Dissens und Präsidentschaft. Eine interaktive Karte gibt eine Übersicht über die Spuren, die Havel in der Weltpolitik hinterließ. Speziell für den Abend haben die Organisatoren außerdem Archivmaterial aufbereitet. In Form eines Films soll das „Phänomen Hrádeček“ als ein geistiges Zentrum des tschechoslowakischen Dissens betrachtet werden. Das nordböhmische Hrádeček wurde als Sommersitz Havels bekannt. Über vier Jahrzehnte hielt er sich hier regelmäßig auf. In seiner Residenz wurde die berühmte Charta 77 ins Leben gerufen. Am 18. Dezember 2011 starb Havel in dem Wochenendhaus.

Bücher und Ballons
Die erstmals an der Museumsnacht beteiligte Akademie der Wissenschaften erwartet ihre Besucher mit mehreren Ausstellungen. „Die Kunst durch die Luft zu wandeln oder: Ballons“ widmet sich dem Thema Luftfahrt und wie es in der Literatur verarbeitet wurde, nachdem es 1783 in Frankreich die ersten Versuche gab, mit einem Ballon von der Erde abzuheben. Unter dem Titel „Idiot in der Bibliothek“ werden unterhaltsame Foto­grafien von Bibliotheksgästen gezeigt, die in Büchereien nicht willkommen sind. „Mit dem Kopf in den Wolken“ präsentiert Bilder und Collagen von tschechischen Städten und Landschaften aus der Vogelperspektive.

Führungen informieren über die Geschichte des Neorenaissancegebäudes in der Nationalstraße, in dem die Forschungseinrichtung heute untergebracht ist. Musikalisch begleitet wird der Abend vom Kammerorchester der Akademie, das jeweils um 20 und 21.30 Uhr Antonín Dvořáks achte Sinfonie – „Die Englische“ – zum Besten gibt.

Spielwiese und Flimmerkasten
An einem Spiel, das man nicht gewinnen kann, können sich Neugierige im Goethe-Institut versuchen. Die begehbare In­stallation hat der Berliner Niklas Roy – bekannt als „Erfinder nutzloser Dinge“ – eigens für den Eingangsbereich des Gebäudes entwickelt. Als moderner Sisyphos muss sich der Besucher durch ein Bad voller Bälle kämpfen. Im Garten des Instituts werden deutsche Kurzfilme gezeigt. Einen Blick hinter die Kulissen des Kunsthistorischen Museums in Wien wirft der Film „The Great Museum“, der im Neuen Gebäude des Nationalmuseums vorgeführt wird. Die österreichische Dokumentation wurde bei der Berlinale 2014 mit dem Caligari-Filmpreis ausgezeichnet. Sie führt den Zuschauer durch die prachtvollen Räume eines der bedeutendsten Museen der Welt und vermittelt eine Vorstellung davon, wie komplex die Aufgabe ist, Kunst zu sammeln, zu erforschen und auszustellen.

Darüber hinaus können Besucher in Prag auch die aktuelle Schau zum Thema Tod besichtigen. Im Paläontologischen Laboratorium sind die steinernen Überreste von Tieren und Pflanzen vergangener Erdzeitalter zu sehen. In einer Spielecke können Kinder beim Puzzeln herausfinden, wie der Fischsaurier Ichthyosaurus aussah. Die Ausstellung „Schöne Schmetterlinge“ präsentiert nicht nur faszinierende Exemplare aus der Feder des Malers Bohumil Vančura. Hier dürfen Kreative auch selbst zum Pinsel greifen und ihren Wunschschmetterling erschaffen.

Das Karel-Zeman-Museum bietet Bootstouren bei Mondschein über den Čertovka-Kanal auf der Kleinseite an. Und im Náprstek-Museum am Bethlehem-Platz (Betlémské náměstí) kommen Besucher in den Genuss kulinarischer Köstlichkeiten aus dem Himalaya. Wem das nicht reicht, der kann bis Sonnenaufgang auf einer der vielen Partys die Nacht zum Tag machen.

Prager Museumsnacht. Samstag, 13. Juni, 19 bis 1 Uhr, www.prazskamuzejninoc.cz