Meisterhaftes Psychogramm

Meisterhaftes Psychogramm

Die schwarze Komödie „August: Osage County“ ist hervorragendes Ensemblekino

6. 3. 2014 - Text: René PfaffText: René Pfaff; Bild: The Weinstein Company

Bei der Oscar-Verleihung am vergangenen Sonntag ist Meryl Streep leer ausgegangen. Das hatte vielleicht auch dramaturgische Gründe, denn könnte die mittlerweile 64-Jährige und ungebrochen drehfreudige Schauspielerin jedes Jahr aufs Neue eine Trophäe in ihre Wohnzimmervitrine stellen, die Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ verkäme schnell zu einem ziemlich drögen Programmpunkt.

Eigentlich aber völlig zu Unrecht. Denn davon, dass Streep als vielleicht beste Schauspielerin ihrer Generation gilt, kann sich der Cineast auch bei ihrem jüngsten Film wieder eindrucksvoll überzeugen lassen. John Wells’ Literaturverfilmung „August: Osage County“ ist eine klassische schwarze Komödie: Zur Beerdigung ihres Mannes (Sam Shepard) – der sie kurz zuvor verlassen hat – schart die garstige Violet ihre ganze Familie um sich, von der überdrehten Schwester (Margo Martindale) angefangen bis zur entfremdeten Tochter (Julia Roberts).

Das ist nicht nur hervorragendes Ensemblekino, sondern auch intensives, psychologisches Kammerspiel à la Ibsen. Im Laufe der Trauerarbeit erfahren wir nicht nur schockierend-pikante Familiendetails, sondern bekommen auch das Psychogramm einer verbitterten, krebskranken Frau gezeichnet, der es nur noch mit Alkohol und Tabletten gelingt, ihre Schmerzen zu betäuben. Diese Porträtierung gelingt Streep deshalb so meisterhaft, weil sie ihrer hysterischen und selbstgerechten Violet immer eine substanzielle Restwürde belässt – sie wirkt niemals peinlich.

Auch, wenn in diesem Jahr Cate Blanchett bei den Oscars die Nase vorn hatte: In Meryl Streeps Vitrine wird wohl auch in Zukunft noch die eine oder andere Trophäe Platz finden.

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